Einkaufsstraße
/ 30. Januar 2021

Österreich schlitterte durch die Auswirkungen der Corona-Krise in eine tiefe Rezession mit einem prognostizierten BIP-Einbruch von minus 7,3% (WIFO). Einher geht eine seit März anhaltende Rekordarbeitslosigkeit, die im April mit über 570.000 Menschen ihren Höhepunkt fand und auch seither in keinem Monat unter 400.000 gesunken ist. In den milliardenschweren Hilfspaketen der Bundesregierung finden sich nur wenige Unterstützungsmaßnahmen für Arbeitslose. Dazu gehören neben der Aufstockung der Notstandshilfe auf das Niveau des Arbeitslosengelds zwei Einmalzahlungen für Arbeitslose in Höhe von bis zu EUR 450 pro Person. Diese erreichten aber aufgrund einschränkender Kriterien bei weitem nicht alle Arbeitslosen.

Eine allgemeine Erhöhung des Arbeitslosengelds wäre jedoch sowohl aus volkswirtschaftlicher Sicht als auch aus Sicht der Betroffenen sinnvoll. Eine solche Maßnahme hätte im bisherigen Krisenzeitraum schon knapp über EUR 1 Mrd. an Konsum erhalten können. Für das Jahr 2021 kann man durch anhaltende Lockdowns und Verzögerungen bei den Impfstoff-Lieferungen von ähnlich hohen Arbeitslosen-Zahlen ausgehen. Dann könnten erneut in etwa EUR 1,1 Mrd. an Konsum gerettet werden.

Österreichs Arbeitslosengeld ist zu niedrig und fließt fast zur Gänze in Konsum

Das österreichische Arbeitslosengeld ist im internationalen Vergleich niedrig. Es beträgt grundsätzlich 55% des Nettoeinkommens des (vor)letzten Kalenderjahres sowie allfällige Zuschläge. Eine Untergrenze bzw. ein Mindestarbeitslosengeld, welches die Existenz sichert, gibt es dabei nicht. Gleichzeitig sind vor allem Menschen mit geringem Einkommen von Arbeitslosigkeit betroffen. Kombiniert mit der niedrigen Nettoersatzrate führt das dazu, dass die Hälfte der Arbeitslosen weniger als EUR 928 pro Monat an Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bekommt (12 Mal im Jahr), wie eine Analyse des Momentum Instituts vom September zeigte.

Mittels der Konsumerhebung (2014/15) der Statistik Austria hat das Momentum Institut analysiert, dass die Hälfte der Arbeitslosen (49%) ihr gesamtes Einkommen wieder für Konsum ausgeben. Viele müssen auf Erspartes zurückgreifen, sich verschulden oder Geld von Bekannten ausleihen. 4 von 10 Arbeitslosen fehlen mindestens 144 Euro im Monat, um ihre Konsumausgaben zu decken, bei fast einem Viertel liegt die Konsumquote über 1,5 - das Arbeitslosengeld deckt hier also nur zwei Drittel des Konsums. Während das einerseits auf individueller Ebene für die Arbeitslosen zu großen Belastungen führt, ist es auch – vor allem in einer Jahrhundertkrise – volkswirtschaftlich vollkommen falsch hier nicht einzugreifen und das Arbeitslosengeld zu erhöhen. Umso mehr angesichts der derzeit de facto nicht vorhandenen Jobchancen, wo auf eine offene Stelle mehr als 10 arbeitslose Personen kommen.

Nettoersatzrate des Arbeitslosengelds auf 70% erhöhen

Eine Erhöhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengelds von 55% auf 70% (bzw. um 15 Prozentpunkte für jede arbeitslose Person) hätte seit Beginn der Corona-Krise Mitte März 2020 knapp über EUR 1 Mrd. gekostet – Geld, das praktisch eins zu eins in den Konsum geflossen wäre und somit das Wirtschaftswachstum angekurbelt hätte. Im Vergleich dazu kostete die Senkung der Einkommensteuer von 25% auf 20% beinahe EUR 1,5 Mrd. Weil davon tendenziell Gutverdienende mit aktuell sehr hoher Sparneigung den vollen Entlastungsbetrag in Anspruch nehmen können (hinauf bis zur Vorstandsetage), landete ein Gutteil davon am Sparbuch, aber nicht als Umsatzeinnahmen bei den Unternehmen.

Arbeitslose nicht nur finanziell, sondern auch psychisch und gesundheitlich schwerer belastet

Laut einer Auswertung des Momentum Instituts wies schon vor der Pandemie ein Viertel (bzw. drei Mal so viel wie die restliche Bevölkerung) der Arbeitslosen einen schlechten Gesundheitszustand auf. Mehr als jede/r 8. Arbeitslose fühlt sich meistens niedergeschlagen oder von der Gesellschaft ausgeschlossen. Jede/r Dritte ist generell mit dem Leben unzufrieden. Wenig überraschend sagen 6 von 10, dass sie mit ihrer finanziellen Situation unzufrieden. Außerdem: Knapp 9 von 10 sind mit ihrer Jobsituation unzufrieden – beim Rest der Bevölkerung ist es genau umgekehrt (1 von 10).

Zu einem ähnlichen Bild kommen auch Untersuchungen von anderen Institutionen. Die Arbeiterkammer Oberösterreich berichtet im Arbeitsklimaindex vom Dezember 2020, dass 8 von 10 Arbeitslosen kaum oder gar nicht von ihrem Arbeitslosengeld leben können. Auch eine aktuelle SORA-Studie (2020) zeigt, dass sich die finanzielle Situation mit Fortdauer der Arbeitslosigkeit weiter verschärft und ein steigender Anteil mit dem Arbeitslosengeld kein Auslangen mehr findet. So waren etwa 2019 81.000 Langzeitarbeitslose armutsgefährdet (AK OÖ).

Auch nach Wiederaufnahme von Beschäftigung haben viele noch mit „Spätfolgen“ der Arbeitslosigkeit zu kämpfen, wie aus der SORA-Studie hervorgeht. So gibt fast die Hälfte der Befragten an, auch Aufgaben außerhalb des eigenen Kernbereichs anzunehmen, um sich zu beweisen. 27% trauen sich nicht, nach einer Gehaltserhöhung zu fragen und fast ein Viertel hat mehr Angst als früher, wieder den Job zu verlieren. Auch das Problem der Stigmatisierung zeigt sich, indem 43% jener, die unerwartet (also nicht durch eigene Kündigung) ihren Job verloren haben, angeben, sich dafür zu schämen, arbeitslos zu sein.

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