Kuchen als Symbolbild dafür, dass sich trotz Wohlstandsverlust einige ein größeres Stück vom Kuchen abschneiden und man mit Lohnerhöhungen ausgleichen könnte.
/ 21. September 2022

Der russische Krieg hat Öl und Gas massiv verteuert. Weil Österreich Energie vom Ausland zukauft, geht dafür ein größerer Teil der Kaufkraft als bisher drauf. Recht hat Felbermayr insofern: Das Land als Ganzes ist ärmer als erwartet, der Kuchen zum Verteilen kleiner. Fordern tatsächlich alle einen kompletten Ausgleich in Form von mehr Geld, führt das zur Überbeanspruchung des Kuchens. Mehr Geld, aber nicht mehr Kuchen? Der Preis für den inländischen Kuchen steigt, mehr Inflation folgt.

Tatsächlich kritisiert Felbermayr, dass die Gewerkschaften bei den Lohnverhandlungen eine Abgeltung in der Höhe der Inflationsrate fordern – so hoch sei der Spielraum nicht. Er tut damit so, als löste erst die Lohnforderung den Verteilungskampf um die verbliebene Kaufkraft aus. Derweil tobt der schon seit knapp einem Jahr.

Große Gruppen schützen sich gänzlich vor der Inflation. Verweigern die Solidarität, dass ihr Kuchenstück in Zeiten eines Wirtschaftskriegs kleiner ausfallen müsste. Viele Unternehmen erhöhen die Preise um oder gar über der Inflationsrate, um die Kaufkraft ihrer Gewinne vollständig zu behalten. In Mietverträgen geschieht mit der Inflations-Indexierung das gleiche. Monate, bevor die Löhne steigen, erhöhen Vermieter den Zins. Zurückstecken sollen die anderen. Wo bleibt Felbermayrs Mahnung an sie, damit sie aus Verantwortung Abstriche machen.

Manche schneiden sich gar ein doppelt so großes Kuchenstück ab: Energieerzeuger kassieren auch hierzulande Rekordgewinne. Eine Übergewinnsteuer, um ihre Ansprüche zu dämpfen, lehnt der WIFO-Chef jedoch ab. Stattdessen befürwortet er milliardenschwere Steuersenkungen – die Abschaffung der Kalten Progression oder weniger Gewinnsteuern für große Firmen, die reichen Unternehmensbesitzern noch mehr Kaufkraft beschert. Das befeuert die Teuerung.

Dass nun Arbeitnehmer – als Lohnabhängige in der schwächeren Position - als erste verzichten sollen, damit keine „Belastung der Unternehmer“ eintritt, kann schwerlich verlangt werden. Ohne Lohnerhöhungen findet der „nationale Wohlstandsverlust“ ausschließlich auf dem Rücken der Beschäftigten statt. Bevor die Sozialpartner bei ihrer Lohnpolitik die Orientierung an der Inflationsrate aussetzen, müsste die Bundesregierung daher für eine solidarische Verteilung des Kaufkraftverlustes sorgen. Mehr Management der Teuerung, weniger chaotische – wie es im Fachjargon heißt – Konflikt-Inflation, bei der jede Gruppe mit gestreckter Lanze gegeneinander reitet.

Nötig ist stattdessen ein Schutzschirm gegen die Spitzen des Teuerungssturms. Über eine Million Menschen im Land hat ein Einkommen unterhalb der Schwelle zur Armutsgefährdung. Höhere Sozialleistungen und Mindestlöhne schaffen Abhilfe. Steigende Lebenshaltungskosten bei Grundbedürfnissen – Wohnen, Essen und Heizen – treffen einige mit voller Wucht. Für ein gutes Drittel der Menschen reicht das Einkommen nicht mehr, um alle Rechnungen zu bezahlen. Lösungen gibt es: Ein Preisdeckel auf den unvermeidbaren Grundverbrauch beim Heizen, nicht nur Strom. Leistbare Lebensmittel durch eine Mehrwertsteuersenkung auf Grundnahrungsmittel und Höchstpreise auf lebensnotwendige Produkte wie Mischbrot. Einfrieren der Mieten, wie in Schottland, Portugal oder Spanien. Kein Allheilmittel gegen die Teuerung, aber die notwendige Medizin, um den Schmerz steigender Konsumentenpreise zu lindern. Der Verlust des Lebensstandards fiele weniger drastisch aus. Genau wie die notwendigen Lohnsteigerungen, die Felbermayr und die Arbeitgeber fürchten.

 

Dieser Text erschien zunächst als Replik auf einen Kommentar zu den Lohnverhandlungen von Wifo-Chef Felbermayr.

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