Um den Kaufkraftverlust zu bremsen, brauchen Menschen Lohnerhöhungen
/ 8. September 2022

Krisen sind immer Verteilungsfragen, ob Corona-, Klima- oder jetzt die Teuerungskrise. Wer profitiert von den explodierenden Preisen? Wer zahlt drauf? Und wie können wir Wohlstandsverluste gerecht verteilen? Die Inflation erreichte im Juli den höchsten Wert seit fast 50 Jahren, der tägliche Einkauf war um ein Fünftel teurer als noch vor einem Jahr. Mit dem selben Einkommen kann man sich immer weniger kaufen. Um die Kosten zu stemmen, brauchen Menschen mehr Geld in den Taschen.

Doch für vier Millionen unselbständig Beschäftigte in Österreich bringt die Inflation einen enormen Kaufkraftverlust ihrer Löhne: Mit 4,2 Prozent weniger müssen sie 2022 durchschnittlich rechnen, so das deutsche Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut. Die wichtigste Einnahmequelle für die meisten ist ihr Gehalt. Die Herbstlohnrunde wird damit heuer so bedeutend wie lange nicht mehr.

Wie das Amen im Gebet folgt jeder Gehaltsforderung der Gewerkschaft die Warnung vor der drohenden Lohn-Preis-Spirale: Hohe Lohnabschlüsse würden die Teuerung antreiben. Wissenschaftliche Evidenz gibt es für diese Behauptung so gut wie keine. Die Löhne folgen in Österreich den Preisen, nicht umgekehrt. Verhandlungsbasis ist traditionell der Durchschnitt der Teuerung der vergangenen Monate. Der steht bei rund 6 Prozent, obwohl die Teuerung im August mit 9 Prozent schon deutlich höher ausfiel. Nächstes Jahr werden die Löhne also den Preisen hinterherhinken.

Gleichzeitig schütteten Österreichs Börsenunternehmen Rekorddividenden aus: Laut der Investmentgesellschaft Janus Henderson verdoppelten sich ihre ausbezahlten Dividenden im vergangenen Quartal im Jahresvergleich. Während Arbeitnehmer den Gürtel enger schnallen, werfen Unternehmen ihren Anlegern das Geld hinterher. Höchste Zeit, die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen - die Löhne müssen deutlich rauf.

Aber die Krisenkosten treffen nicht alle gleich. Je geringer das Haushaltseinkommen, desto stärker schlägt die Teuerung zu. Das ärmste Zehntel der österreichischen Haushalte kostet die Teuerung heuer im Durchschnitt deutlich mehr als ein Monatseinkommen. Das reichste Zehntel muss hingegen nur ein halbes Monatseinkommen dafür aufwenden. Das heißt: Jene mit geringem Einkommen brauchen überproportional starke Einkommenssteigerungen. Das gilt sowohl für Löhne als auch für Pensionen.

Um mindestens 5,8 Prozent sollen die Pensionen heuer laut Gesetz steigen. Bei 9 Prozent Teuerung reicht das für jene mit geringen Pensionen bei weitem nicht. Ihre Pensionen müssten stärker steigen. Aber wäre das nicht unfair? Immerhin haben jene mit höheren Pensionen mehr eingezahlt. Also doch sicher auch härter gearbeitet? Tatsächlich ist es umgekehrt, zeigen Zahlen der Statistik Austria: Wer in der Einkommensverteilung ganz unten steht, hat im Krisenjahr 2020 am meisten gearbeitet, im Schnitt 37,4 Wochenstunden. Das reichste Einkommenszehntel hingegen arbeitete mit 34,6 Wochenstunden am wenigsten. Niedrige Löhne schwächen nicht nur das aktuelle Einkommen, sondern auch das in der Pension. Damit die Krisenkosten nicht alleine auf die Arbeitnehmer überwälzt werden, sind angemessene Lohnerhöhungen notwendig.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Wiener Zeitung.

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