Österreichs Familien sind durch die Corona-Krise stark belastet. Das zeigt eine Untersuchung von SORA im Auftrag des Momentum Instituts. Jeder zweite Haushalt mit mindestens einem Kind unter 15 Jahren gibt an, stark belastet zu sein, unter Müttern sind es deutlich mehr als unter Vätern. Für die repräsentative Studie wurden von 14. – 22. April österreichweit 524 Eltern von Kindern unter 15 Jahren befragt (202 telefonisch, 322 in Onlineinterviews).
Schon die grundsätzliche Lage am Arbeitsmarkt unterscheidet sich je nach Schicht. Je höher der soziale Status, desto geringer der Anteil von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit. Während in der Arbeiterschicht 23% in Kurzarbeit und 11% arbeitslos sind, sind in der Mittelschicht 22% in Kurzarbeit und 3% arbeitslos, in der oberen Mittelschicht ist niemand arbeitslos und nur 20% in Kurzarbeit. „Arbeitslosigkeit wirkt sich sofort extrem stark auf das Familienbudget aus, auch Kurzarbeit reduziert das Einkommen. Die Ergebnisse zeigen, wie unterschiedlich verteilt die Einkommenseinbußen sind“, analysiert Barbara Blaha, Leiterin des Momentum Instituts.
Unterschiede in der Home-Office-Nutzung nach Bildungsstand sind keine Überraschung, die Daten zeigen aber einen noch stärkeren Unterschied als erwartet: Während unter den AkademikerInnen 67% im Corona-bedingten Homeoffice arbeiten, sind es mit Pflichtschulabschluss nur 11% – hier müssen 55% der Eltern wie immer zum Arbeitsplatz reisen.
Im Durchschnitt reduzieren Eltern ihre Arbeitszeit um fast 10 Stunden von 35 auf 26 Stunden pro Woche. 55 Prozent der Befragten arbeiten weniger Stunden als vor der Krise. „Am deutlichsten ist die Reduktion unter jenen, die sich nun in Kurzarbeit befinden“, beschreibt Studienautor Daniel Schönherr von SORA. Aber auch ohne Kurzarbeit müssen Eltern ihre Arbeitszeit reduzieren, um die Kinder betreuen zu können. Frauen senken ihre Erwerbsarbeit um ein Drittel auf 19 Stunden pro Woche, Männer um rund ein Viertel auf 31 Stunden.
Die Möglichkeit auf Home Office führt nicht automatisch zu einer besseren Vereinbarkeit. Viele Eltern tun sich schwer, Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu kriegen. Jeder fünfte befragte Elternteil arbeitet nun häufiger früh morgens, abends oder am Wochenende, jeder Zehnte sogar nachts, um trotz Kinderbetreuung Zeit für Erwerbsarbeit zu finden.
Die Notbetreuung in Schulen und Kindergärten konnte nur von jenen genutzt werden, die in „systemerhaltenden“ Berufen arbeiten. Auch die Daten zeigen, dass Eltern ihre Kinder derzeit nur in Ausnahmefällen in öffentliche Einrichtungen zur Betreuung abgeben. Nur 2% sagen, sie haben ihr Kind in eine Kinderkrippe gegeben, nur 3% in einen Kindergarten oder Hort, nur 2% in eine Schule, fast niemand hat auf Babysitter oder Tagesmütter oder ähnliches zurückgegriffen. Auch Verwandte oder andere Eltern werden nur mehr in Ausnahmefällen in Anspruch genommen, wobei vor allem der Rückgang in der Betreuung durch die Großeltern auffällt (von 29% vor der Krise auf nur noch 4%). Selbst diese 4% entsprechen allerdings immer noch mehr als 10.000 Kindern, die Ende April von ihren Großeltern betreut werden mussten, weil Eltern wohl keine anderen Möglichkeiten hatten. Zwischen der Betreuungssituation in größeren Städten und auf dem Land zeigen sich dabei signifikante Unterschiede. Eltern in Städten verbrauchen mehr Urlaubstage, u.a. weil sie seltener familiäre oder Bekanntennetzwerke haben, in die die Kinderbetreuung ausgelagert werden kann (Stichwort: Mehrgenerationenhaushalt).
In Doppelverdienerhaushalten teilen sich die Eltern die Verantwortung – mit starkem Überhang zu den Müttern: in 42% aller Doppelverdienerhaushalte ist die Mutter hauptverantwortlich dafür, in 23% der Vater.
„Die Coronakrise hat nicht zu einer gleichberechtigteren Aufteilung der Sorgearbeit geführt, sondern birgt im Gegenteil sogar die Gefahr, dass Eltern in alte tradierte Rollenmuster zurückfallen und es erneut die Frauen sind, die die Doppelbelastung von Beruf und Kinderbetreuung auf sich nehmen müssen“, warnt Schönherr.
15% aller Eltern in Doppelverdienerhaushalten müssen ihre Kinder zum Teil unbetreut zu Hause lassen. Dieser Anteil liegt unter Alleinerziehenden bei 17%. In Haushalten, in denen beide Elternteile auswärts (also nicht im Homoffice) arbeiten müssen, sagt jeder oder jede dritte Befragte, dass ihr Kind zumindest einen Teil des Tages auch alleine und unbetreut zuhause verbringt.
Nicht zuletzt im Hinblick auf die Sommerferien relevant ist die Zahl der bisher verbrauchten Urlaubstage. Rund die Hälfte der Eltern hat für die Kinderbetreuung bereits Urlaub genommen, vor allem in Doppelverdiener-Haushalten und von Beschäftigten, die keine Möglichkeit auf Home Office haben (viele davon in den sog. „systemrelevanten“ Berufen) muss regulärer Urlaub aufgebraucht werden. Auf Haushaltsebene wird bis Mitte Mai in 8% aller Doppelverdienerhaushalte ein Elternteil mehr als die Hälfte oder sogar (fast) alles an Jahresurlaub aufgebraucht haben, in 3% der Haushalte werden beide Elternteile mehr als die Hälfte oder (fast) alle Urlaubstage verbraucht haben.
Zusätzlich schwierig: 10% aller Eltern sagen, sie oder ihr Partner/ihre Partnerin wollten zwar Urlaub nehmen, durften aber nicht. Besonders Eltern, die in systemrelevanten Einrichtungen arbeiten, mussten besonders viel Urlaub nehmen.
Jeder Vierte schätzt ein, im Sommer nicht genug Urlaubstage für die Kinderbetreuung zu haben, ebenso viele wissen schlichtweg nicht, wie sie die durchgängige Betreuung der Kinder im Sommer leisten sollen. Fast jeder zweite gibt an, sich keine externe Betreuung im Sommer leisten zu können, in der Arbeiterschicht sind es 59%, unter Alleinerziehenden 71%.
46% und damit fast die Hälfte aller befragten Eltern geben zu, dass sie die derzeitige Situation sehr stark belaste. Die Belastungen sind jedoch nicht gleich verteilt: Während Männer zu 40% angeben, unter der derzeitigen Situation zu leiden, sind es unter Frauen bzw. Müttern 51%, also mehr als die Hälfte. Und während Mütter die grundsätzliche Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben vor der Coronakrise sogar positiver bewertet haben als ihre Partner, ist es jetzt umgekehrt.
In einem Policy Brief empfehlen die ExpertInnen des Momentum Instituts ein Maßnahmenpaket mit Erleichterungen für die Familien. Um die – selbst ohne Corona schon schwierige Vereinbarkeitsfrage in den Sommerferien zu lösen, sollen die Betreuungseinrichtungen wie Kindergärten und Horte während der Sommerferien durchgehend geöffnet bleiben – auch abseits der großen Städte.
Für Corona-bedingte Elternteilzeit soll es einerseits einen Rechtsanspuch geben, die öffentliche Hand hilft dabei Unternehmen mit vollem Lohnausgleich. Ergänzt wird dieses Maßnahmenpaket um den Anspruch auf Sonderbetreuungsurlaub von 4 Wochen im Zeitraum Juli/August für berufstätige Eltern mit Betreuungspflichten, wobei bei Paaren von jedem Elternteil zwei Wochen in Anspruch genommen werden können. Nicht zuletzt seien die Bedürfnisse von Kindern und Eltern auch bei einer gesundheitspolitischen Abwägung zu berücksichtigen – besonders im Verhältnis zu anderen Gesellschafts- bzw. Wirtschaftsbereichen, empfiehlt das Momentum Institut.