COVID-19

Lockdown für alle kostet 117 Millionen Euro täglich

Lockdown

Ein österreichweiter Lockdown für alle steht unmittelbar bevor. Nach einigen Tagen Lockdown nur für Ungeimpfte, der Österreich durch entgangene Wirtschaftsleistung geschätzt schon 41 Million Euro pro Tag gekostet hat, lassen hohe Corona-Fallzahlen, die Überlastung der Intensivstationen und die Ankündigung eines Lockdowns in Oberösterreich und Salzburg wenig anderen Handlungsspielraum. Der Lockdown für alle (geimpft + ungeimpft) kostet der österreichischen Wirtschaft rund 117 Millionen Euro täglich. Allein ein zweiwöchiger Lockdown verursacht bereits einen Verlust der Wirtschaftsleistung von rund 1,6 Milliarden Euro.

Bundesländer unterschiedlich stark von Lockdownkosten betroffen

Die einzelnen Bundesländer sind sehr unterschiedlich von den Lockdownkosten getroffen. Relativ zur regionalen Wirtschaftsleistung muss allein Tirol 17 Prozent an täglicher Wirtschaftsleistung einbüßen. Auch Salzburg wird durch einen harten Lockdown 15 Prozent der täglichen Wirtschaftsleistung verlieren.

Der Lockdown für alle trifft auch Branchen unterschiedlich stark

Ein bundesweiter Lockdown für alle trifft manche Branchen härter als andere. Dienstleistungen, sowie Beherbergung und Gastronomie müssen mit den höchsten Ausfällen von bis zu 67 Millionen Euro täglich rechnen, während die Industrie mit 4,9 Millionen Euro täglich nur eher geringfügig betroffen ist.

Die Ausfälle der einzelnen Branchen verteilen sich über die jeweiligen Bundesländer unterschiedlich stark. Beherbergung und Gastronomie in Tirol und Wien würde am stärksten leiden – dafür ist zum Teil der Tourismus verantwortlich. Hier würden knapp 12 Millionen Euro in Tirol und 8 Millionen Euro in Wien täglich fehlen. Der wirtschaftliche Schaden in dieser Branche fällt in Oberösterreich, der Steiermark und Niederösterreich hingegen eher gering aus, was am höheren Industrieanteil in diesen Bundesländern liegt.

Im Vergleich hätte ein Lockdown nur für Ungeimpfte 41 Millionen Euro täglich an österreichischer Wirtschaftsleistung gekostet. Wesentlich kostengünstiger und mit dem Potenzial, die Impfbereitschaft zu erhöhen, um Österreichs Durchimpfungsrate voranzutreiben (Stand 19.11.2021: 65,6 Prozent der Gesamtbevölkerung) ist eine Impfprämie von 500 Euro. Denn die Kosten einer 500-Euro-Impfprämie (die an den Zweit- bzw. Drittstich geknüpft ist) von insgesamt rund 4 Milliarden Euro fallen deutlich günstiger aus als ein langer Lockdown. Ein solcher würde mit 16,5 Milliarden Euro mehr als vier Mal so viel kosten.

Für die Schätzung der Lockdown-Kosten wird von der Annahme ausgegangen, dass nach der aktuellen Welle eine fünfte Welle ab Ende Dezember 2021 auftritt – vergleichbar mit Winter 2021/22. Dann würden erneut 7 Wochen harter und 7 Wochen leichter Lockdown notwendig. Die Schätzung beinhaltet den Verlust an Wirtschaftsleistung sowie die Kosten des Staates für Wirtschaftshilfen, die erst später zurückbezahlt werden müssen. Die volkswirtschaftlichen Kosten der teils chronisch Erkrankten und Toten sind in der Rechnung nicht enthalten.

Gemeinsam statt kopflos

Die EU hat in der Coronakrise Lösungskompetenz bewiesen

Heute ist es soweit. Die EU-Arzneimittelbehörde wird früher als gedacht über die Zulassung der ersten beiden Corona-Impfstoffe entscheiden. Damit können EU-BürgerInnen voraussichtlich ab 27. Dezember geimpft werden. Das zeugt von einem erfolgreichen Paradigmenwechsel. Zu Beginn der Pandemie gingen in der Union noch überall die Schlagbäume hinunter und die europäische Politik suchte ihr Heil im Nationalen.

Nach diesem Schock gelobten die Gesundheitsminister Besserung. Die Europäische Kommission stellte hohe Summen aus dem EU-Forschungsbudget für die Bekämpfung der Pandemie und zur Impfstoffentwicklung zur Verfügung. Die Minister schlossen zusammen Verträge mit den Pharmafirmen ab. Das war nicht einfach, denn grundsätzlich fällt die Gesundheitspolitik in den Kompetenzbereich der Nationalstaaten. Die EU raufte sich aber zusammen und besann sich nach einigem Hin und Her darauf, ihre geballte Einkaufsmacht in die Waagschale zu werfen, um sich ausreichend Impfstoff für ihre 450 Millionen BewohnerInnen zu sichern. Die Verteilung zwischen den Mitgliedstaaten wurde nach einem fairen Schlüssel solidarisch und für alle zeitgleich organisiert.

Davon profitiert auch Österreich. Bei einem “Jeder-Gegen-Jeden” hätte die kleine Alpenrepublik im globalen Wettlauf um die begehrten Impfstoffe schlechte Chancen gehabt. Wenn es darauf ankommt, funktioniert die viel gescholtene Europäische Union also durchaus - solidarisch, auch im Interesse der kleinen Mitgliedstaaten. Das zeigt auch der historische Kompromiss am EU-Gipfel vor einer Woche über das 1,8 Billionen Euro schwere Haushalts- und Konjunkturpaket. Ohne Einigung wäre die EU nicht nur ohne Budget, sondern auch ohne 750 Milliarden Euro an Hilfen für den wirtschaftlichen Wiederaufbau dagestanden. Eine Hiobsbotschaft für von der Pandemie schwer getroffene Länder wie Italien oder Spanien.

Während das Krisenmanagement der EU mittlerweile funktioniert, herrscht in Österreich Planlosigkeit. Nachdem die Bundesregierung im Spätsommer wochenlang einem exponentiellen Wachstum bei den Neuinfektionen tatenlos zugesehen hatte, zog sie im November die Notbremse und verhängte einen zweiten harten Lockdown. Allerdings erst, als die Neuinfektionen pro Kopf den höchsten Wert weltweit erreicht hatten. Das vielbeschworene Contact-Tracing war zu diesem Zeitpunkt längst zusammengebrochen. Überstürzt organisierte und schlecht kommunizierte Massentests, an denen sich gerade einmal ein Viertel der Bevölkerung beteiligte, halfen bei der Aufklärung des Infektionsgeschehens wenig.

Nun stecken wir mitten in der zweiten Welle. Der Kanzler fabuliert bereits von einer möglichen dritten Welle und hat sehr kurzfristig einen neuen harten Lockdown ab dem 26. Dezember verkündet. Trotzdem gibt es über Weihnachten erneut Lockerungen der Regeln zu den sozialen Kontakten, die ohnehin nur mehr Experten überblicken. Von der Europäischen Union könnte Bundeskanzler Kurz jedenfalls eines lernen: Wie man trotz widriger Umstände diese Krise nüchtern und lösungsorientiert managt, indem man zusammen- statt gegeneinander arbeitet.