Mann mit leeren Hosentaschen
/ 13. Dezember 2023

Zwei Schlagzeilen, eine Story: René Benkos Signa Holding steht vor der Pleite. Das Vertrauen in die Demokratie geht in rasantem Tempo verloren. Hat das eine mit anderen zu tun? 

Ein Immobilien-Milliardär, der nach der größten Pleite in der Geschichte der 2. Republik weiter Multimillionär bleiben wird. Vielleicht sogar Milliardär. Der gescheiterte Unternehmer, der sein Büro ausräumt, nachdem er seine Konten prall gefüllt hat, das ist nicht die Ausnahme … das ist die Regel.

Geht ein Konzern pleite, sind die in den Jahren davor ausgeschütteten Rekordgewinne längst privatisiert. In Privatstiftungen geparkt – gut geschützt vor allen Ansprüchen.

Benko zum Beispiel hat den Möbelhaus-Riesen Kika/Leiner gekauft und nach nur fünf Jahren wieder abgestoßen, dabei soll er einen dreistelligen Millionenbetrag verdient haben. Schon kurz nach der Übernahme meldete der neue Eigentümer Benko 1.100 Beschäftigte beim AMS an. Auf den Sparkurs folgte die Insolvenz der Kette. Damit verloren weitere 1.900 Beschäftigte ihren Job und ihr Einkommen. 

Der Spekulant steigt mit hunderten Millionen Gewinn aus, die öffentliche Hand – also wir alle – darf die Weiterbildung oder Umschulung der MitarbeiterInnen zahlen, die er vor die Tür gesetzt hat. Ganz zu schweigen von den Kosten für das Arbeitslosengeld. Und natürlich hat die Signa zwischen dem Kauf und dem Verkauf von Kika/Leiner großzügig staatliche Corona-Hilfen angefordert und bekommen – dank Kurzarbeit und Energiekostenzuschüssen. 

Man könnte auch sagen: Die Gewinne wurden privatisiert und die Verluste sozialisiert. Auf denen bleiben wir sitzen. 

Das Insolvenzverfahren wird jedenfalls aufwändig: Denn die Signa ist so konstruiert, dass eine Kontrolle der Finanzgeschäfte fast unmöglich ist. Der Staat muss ordentlich Ressourcen aufbieten, steht er doch einer Armee von hochbezahlten Anwaltskanzleien und Steuerberatungen gegenüber.

Die Leute wissen das. Die 3.000 Angestellten, die für Kika/Leiner zum Teil seit vielen Jahren gearbeitet haben, haben Familien. Das Leben aller anderen wird härter – und die Reichen können es sich richten. Das merken die Leute. Der eine Ex-Kanzler (SPÖ), bekennt vor laufender Kamera freimütig, er habe sich zu Beginn seiner absurd gut bezahlten Tätigkeit für Benko mit Immobilien nicht einmal ausgekannt. Verdient hat er in einem guten Jahr trotzdem sechs Millionen Euro. 

Beim anderen Ex-Kanzler von der ÖVP, ist mit freiem Auge nicht unterscheidbar, wann er in seiner Zeit als Bundeskanzler als Regierungschef aufgetreten ist und wann er diplomatische Termine gleich genutzt hat, um Geschäfte für Benko einzufädeln. Die Reisen gingen in jedem Fall auf Kosten der SteuerzahlerInnen. Abkassiert hat er bei Benko so oder so. Wenn es ums Abcashen nach der Polit-Karriere geht, dann könnte man farbenblind werden, dann macht das Parteibuch keinen Unterschied.

Die Wut wächst, das Vertrauen in das politische System verkümmert. Der Demokratie-Monitor des Forschungsinstituts SORA erhebt regelmäßig, wie es um unsere Demokratie steht. Drei von vier Befragten im untersten Einkommensdrittel vertrauen unseren demokratischen Institutionen nicht mehr. Bei der letzten Befragung vor fünf Jahren sagten das nur halb so viele Menschen. Das Vertrauen schwindet dort am stärksten, wo die Teuerungskrise am härtesten gewütet hat. Die Armutskonferenz hat im Auftrag des Sozialministeriums gerade untersucht, wie es dem unteren Drittel derzeit geht. Die Ergebnisse sind erschütternd. Der Alltag heißt Rechnungen jonglieren und Löcher stopfen. “Ich esse schon seit längerem nur einmal am Tag, habe Kontakte eigentlich völlig abgebrochen und bleibe daheim, weil das einfach das Kostengünstigste ist,” erzählt einer der Befragten. Und wer jetzt meint, so schlimm könne das doch alles nicht sein, das ist doch sicher nur ein Einzelfall: Armut ist unsichtbar. Denn wer arm ist, versteckt sich. Zu groß ist die Scham, wenn das Geld für das Notwendigste nicht mehr reicht.

Spätestens nächsten Herbst steht die Nationalratswahl an. Das wird auch eine Abstimmung über das politische Vertrauen. Die demokratischen Kräfte würden gut daran tun, sich unzweifelhaft, in Worten und Taten, auf die Seite jener zu stellen, die das Vertrauen in ihr politisches System verloren haben.

Ein erster Schritt müsste sein, die Schmugglerrouten zu schließen, auf denen Konzerne wie Signa ihre Gewinne in Steuersümpfe verschieben. Und so ihre Steuerbeiträge lächerlich gering halten. Mindestens so wichtig wäre aber, direkt bei jenen anzusetzen, die in guten Jahren dank Gewinnausschüttungen riesige Vermögen anhäufen, die völlig unangetastet bleiben, wenn der  Konzern in die Pleite schlittert. Erbschafts- und Vermögenssteuern müssen dafür sorgen, dass wir nicht länger die Gewinne privatisieren und die Verluste als Gemeinschaft auffangen. Das wäre vor allem auch ein Schritt, um das Vertrauen in die Demokratie wieder herzustellen.

Dieser Text erschien zunächst als Kolumne im Profil.

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