Foto von zwei alten Menschen auf einer Bank als Symbolbild für Pensionsantritt
/ 20. Dezember 2023

Die Debatte um unser Pensionssystems nimmt wieder an Fahrt auf. Wir werden immer älter. Damit steigen auch die Kosten unseres Pensionssystems, für Gesundheit und Pflege. Als angebliche Lösung kommt immer wieder der Vorschlag, das Antrittsalter zur Pension nach oben zu schrauben. Der Gedanke: Wer länger arbeitet, zahlt länger in die Pensionskasse ein und bezieht kürzer Pension. Doch transparent wird diese Debatte nicht geführt – einige entscheidende Aspekte werden unter den Tisch gekehrt. Wer bei dieser “Lösung” draufzahlt, wird nicht erzählt.

Länger arbeiten selten selbstbestimmt

Ältere Menschen haben es schwerer am Arbeitsmarkt: Unternehmen stellen sie ungern ein und sie werden häufiger gekündigt. Die Folge: Eine hohe Arbeitslosigkeit bei älteren Menschen vor der Pension. In keiner Altersgruppe ist die Arbeitslosenquote so hoch, wie bei den 60 bis 64-jährigen Männern, also kurz vor dem Pensionsalter von 65 Jahren.  Auch bei den Frauen ist die Arbeitslosigkeit hoch in der Altersgruppe der 55 bis 59-Jährigen – direkt vor dem aktuellen Frauen-Pensionsantrittsalter von 60 Jahren.

Österreich geht krank in Pension

Länger zu arbeiten ist für viele auch aus gesundheitlichen Gründen gar nicht machbar. Denn Österreich geht im Schnitt krank in Pension. Aktuell sind Männer bereits 3,5 Jahre krank, bevor sie ihre Pension mit 65 Jahren überhaupt antreten können. Frauen können momentan zwar noch gesund in Pension gehen und im Ruhestand etwa 1,3 gesunde Jahre verbringen. Doch mit 2024 wird das Antrittsalter von Frauen schrittweise auf das der Männer erhöht. Durch diese schrittweise Erhöhung des Antrittsalters schickt sie der Staat in Zukunft somit ebenfalls bereits krank in Pension. Im Schnitt sind sie dann 3,7 Jahre krank, bevor sie in den Ruhestand gehen können. Die Lebenserwartung in guter Gesundheit ist in Österreich übrigens deutlich niedriger als im EU-27-Durchschnitt. Vor allem bei Frauen ist der Unterschied drastisch. Frauen in Österreich können nur 61,3 Jahre in guter Gesundheit erwarten, im EU-27-Schnitt sind es um fast 3 Jahre mehr.

Lebenserwartung seit über 10 Jahren gleich

Ein Argument, der Befürworter:innen einer Anhebung des Pensionsalters: Die Lebenserwartung steigt kontinuierlich. Zwar wird die österreichische Gesellschaft insgesamt älter, doch die Lebenserwartung in Österreich stagniert für beide Geschlechter seit mehr als einem Jahrzehnt. Seit 2012 liegt die durchschnittliche Lebenserwartung in Österreich bei 81,1 Jahren. Während Frauen im Schnitt ein Alter von 83,5 Jahren erreichen, werden Männer nur 78,8 Jahre alt. Aus demografischer Sicht macht eine Anhebung des Pensionsantrittsalters derzeit also keinen Sinn. Und darüber hinaus, ist die Regierung ohnehin gerade dabei für die Hälfte der Bevölkerung das Antrittsalter um 5 Jahre anzuheben. Die Angleichung des Pensionsantrittsalters für Frauen an das der Männer ist 2033 abgeschlossen. Allein dadurch verlieren sie etwa 43.000 Euro an Pensionseinkommen. Würde das Antrittsalter für Frauen auf 67 Jahre angehoben, würden die Verluste bei Frauenpensionen noch deutlich größer ausfallen. Darf eine Frau, die zuerst Vollzeit arbeitet, mit dem ersten Kind in Karenz geht und danach für einige Jahre ihre Arbeitszeit reduziert, bevor sie wieder voll in den Arbeitsmarkt einsteigt, erst mit 67 Jahren in Pension gehen, wird ihre Pension insgesamt um etwa 74.000 Euro gekürzt.

Anstatt das Antrittsalter zu erhöhen, wäre es viel wichtiger, älteren Menschen vor der Pension eine aktive Teilnahme am Arbeitsmarkt zu ermöglichen und sie in Beschäftigung zu halten, vor allem bei Frauen. Derzeit geht nur rund jede zweite Frau aus dem Berufsleben in Pension. Hier sind Unternehmen in der Pflicht, Altersdiskriminierung bei der Jobvergabe zu verhindern und für altersgerechte Arbeitsplätze zu sorgen. Um Altersarmut einzudämmen, sollte die Mindestpension über die Armutsgefährdungsschwelle angehoben werden. Das wäre vor allem mit Blick auf den Gender Pension Gap von über 40 % und dem erhöhten Armutsgefährdungsrisiko für Frauen im Alter wichtig.
Auch aus Verteilungsperspektive hätte eine Erhöhung des Antrittsalters negative Effekte. Für ärmere Menschen liegt die Lebenserwartung deutlich niedriger als für Reiche. Während ein Mann aus dem obersten Fünftel der Einkommensverteilung durchschnittlich ein Alter von 83 Jahren erreicht, stirbt ein Mann aus dem untersten Fünftel im Schnitt mit 76 Jahren – um sieben Jahre früher. Würde das Pensionsantrittsalter von 65 auf 67 Jahre erhöht, sinkt das gesamte Pensionseinkommen von Menschen mit niedrigen Erwerbseinkommen daher um 13 Prozent. Menschen mit hohen Einkommen verlieren bei gleich langer Vollzeittätigkeit lediglich sechs Prozent der Pension. Schon jetzt haben arme Menschen deutlich weniger von ihrer Pension als Reiche. Wird das Pensionsantrittsalter angehoben, bedeutet das eine weitere drastische Kürzung der Pensionen für alle mit weniger Einkommen.

 

Dieser Text erschien zunächst in der Momentum-Kolumne "Ausgerechnet" bei ZackZack.

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