Frau, die sich die Arme vor den Kopf hält, als Symbolbild für Armut
/ 12. Oktober 2023

„Wer kein Geld hat, soll halt mehr arbeiten, oder?“ feixte der Bundeskanzler jüngst in seiner heftig umstrittenen Hamburger-Rede. Arbeit schützt vor Armut und Leistung muss sich lohnen: Mit der Realität der Frauen in Österreich haben diese Märchen der Konservativen nichts zu tun.  

Baustelle Kinderbetreuung und Altenpflege

Fakt ist, dass Österreich eine der höchsten Teilzeitquoten in Europa aufweist. Es sind die Frauen, die Teilzeit arbeiten – 8 von 10 Teilzeit-Beschäftigten sind weiblich. Jede zweite erwerbstätige Frau im Land arbeitet in Teilzeit, im europäischen Schnitt sind es nur knapp 3 von 10 . Fragt man warum, antworten 3 von 4 teilzeitbeschäftigten Frauen, dass es schlicht nicht anders geht: Sie haben Kinderbetreuungspflichten und pflegen Angehörige. Eine freiwillige Entscheidung ist das für sie keineswegs. Denn in Österreich sind nur 4 von 10 Kindergartenplätzen mit einer Vollzeitstelle vereinbar. Auch die Pflege ist Privatsache: 8 von 10 Menschen die Pflegegeld beziehen werden zu Hause gepflegt. Von Frauen, die ihnen nahestehen: die Mutter, die Töchter, die Ehefrau. Freiwillige Teilzeitarbeit? Das ist ein Privileg der Besserverdienenden mit den höchsten Stundeneinkommen, schließlich muss man sich das erst einmal leisten können.

Unbezahlte Sorgearbeit ‘muss sich lohnen’

Wenn für Frauen ihre bezahlte Teilzeit-Schicht endet, beginnt die unbezahlte Schicht der Sorgearbeit. Feierabend? Wochenende? Urlaub? Niemals. Beziffern wir die unbezahlte Sorgearbeit von Frauen in Euro, so verrichten sie im Jahr Sorgearbeit im Wert von unglaublichen 108 Milliarden Euro – das entspricht mehr als einem Viertel der österreichischen Wirtschaftsleitung. Dafür müssen Frauen auf Vollzeit-Erwerbsarbeit verzichten. Der Preis dafür ist hoch und wird wieder von den Frauen bezahlt: Mit einem geringen Einkommen, später mit einer mickrigen Alterspension.

Arm trotz Vollzeit-Arbeit

Doch selbst ein Vollzeit-Job ist keine Garantie mehr dafür nicht in Armut leben zu müssen. In manchen Branchen bekommt man so wenig bezahlt, dass der Lohn kaum zum Leben reicht. Insbesondere Frauenbranchen sind die Löhne niedrig. Berufe, die das Land am Laufen halten, haben vor allem Frauen: Im Supermarkt sind 7 von 10 Beschäftigten Frauen, im Gesundheitsbereich 8 von 10, ähnlich sieht es bei der Reinigung oder Altenpflege aus.  

Die Lösungen, um Frauen gut abzusichern und ausreichend Erwerbsarbeit zu ermöglichen, liegen seit Jahrzehnten am Tisch. Eine flächendeckende, kostenlose Kinderbetreuung, gerade auch am Land. Eine verpflichtende Väterkarenz, damit Frauen mit der Kinderbetreuung nicht länger alleine gelassen werden. Der Ausbau der Pflegedienstleistungen im Land. Die Erhöhung der kollektivvertraglichen Mindestlöhne auf ein Niveau von dem man leben kann. Und: Eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Woran es fehlt, ist der politische Wille. 

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar im Kurier.

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