Leere Geldbörse als Symbolbild für Lohnzurückhaltung
/ 18. Juli 2023

Wer „Lohnzurückhaltung“ sagt, meint in Wirklichkeit Lohnkürzung. Wenn Löhne langsamer steigen als die Preise, verlieren Arbeitnehmer ihre Kaufkraft. Letztes Jahr geschah das unerwartet, weil Unternehmen die Preise im Stakkato erhöhten. Die Kaufkraft der Löhne sank um über 4 Prozent – der stärkste Rückgang seit Beginn der Aufzeichnungen. Das werde sich heuer wieder umdrehen, prognostizierten viele Wirtschaftsforscher. Mittlerweile ist man zurückgerudert: Der Kaufkraftverlust bleibt „picken“, frühestens 2024 könnten die Löhne wieder zu den hohen Preisen aufschließen. Sofern es ausreichende Lohnabschüsse gibt. Doch genau davor warnen wirtschaftsliberale Ökonomen seit Wochen.

Die Leiter der größten Wirtschaftsforschungsinstitute legten Vorschläge auf den Tisch, um die Kaufkraftverluste der Löhne einzuzementieren. Der designierte IHS-Chef Bonin will die Löhne nur mehr alle 2 Jahre erhöht wissen. Das käme den Beschäftigten teuer zu stehen: knapp 3.000 Euro weniger Lohn hieße das für einen Vollzeit-Arbeitnehmer in den nächsten zwei Jahren im Schnitt. WIFO-Chef Felbermayr setzte einen drauf. Er schlug vor, die österreichischen Lohnanstiege an jene Deutschlands zu koppeln. Das Land mit dem größten Niedriglohnsektor in Westeuropa als Vorbild? Wäre Österreich der deutschen Lohnentwicklung seit Beginn der gemeinsamen Währung vor 23 Jahren gefolgt: Ein durchschnittlicher Beschäftigter hätte umgerechnet 18 Monate gratis gearbeitet. Weniger Einkommen führt zu weniger Ausgaben. Die heimische Wirtschaft – vom Gasthaus bis zum Friseur – hätte gelitten.

Die Argumente für Lohnzurückhaltung stehen auf schwachen Beinen. Felbermayr sorgt sich um die preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Doch preissensible Massenware wurde längst nach Südostasien verlagert. Die heimische Industrie punktet mit Qualität, Technologie, Spezialisierung und guten Fachkräften. Lohnkosten spielen eine untergeordnete Rolle. Ein klares Indiz dafür ist die Produktionsmenge der heimischen Industrie. Seit 2015 lassen wir die Deutschen meilenweit hinter uns. Obwohl die sich seit Jahren in Lohnzurückhaltung üben.

Vor einem Jahr war die vorgebrachte Begründung für den geforderten Lohnverzicht in Österreich noch eine andere. Österreich sei ärmer geworden, hieß es. Einkäufe aus dem Ausland, wie russisches Gas, teurer. Das Argument ist überholt. Exportorientierte Firmen brachten die gestiegenen Energiekosten in den Verkaufspreisen unter. Die letzten Daten zeigen sogar: Österreichs Firmen verkaufen mehr Güter ans Ausland, als sie von dort beziehen. Überhaupt: Die Energiepreise fallen aktuell so schnell, wie sie gestiegen sind. Die befürchtete Verarmung? Zwei Drittel davon haben sich wieder in Luft aufgelöst, sagt die Nationalbank.

Zudem stellten die Ökonomen der Bank fest, dass die hausgemachte Teuerung überwiegend aus Unternehmensgewinnen herrührt. Der Energiesektor hat zugelangt und mit den Preisen sich selbst die Gewinne erhöht. Viele Betriebe verzichten – anders als die Beschäftigten letztes Jahr – nicht auf ihre eigenen Gewinne und geben die Kosten weiter. Die profitgetriebene Teuerung läuft mit Schwung weiter. Und trotzdem stimmten die Spitzen der Nationalbank in den Chor für niedrige Lohnabschlüsse ein. Nur: Wer ob dieser Diagnose Lohnzurückhaltung fordert, muss zuvor (!) Gewinnzurückhaltung einfordern. In Österreich werden Löhne im Nachhinein verhandelt – Monate, gar bis zu einem Jahr, nachdem Unternehmen ihre Preise erhöht haben. Wenn Unternehmen nun ab sofort auf Preiserhöhungen so gut als möglich verzichten, folgen niedrigere Lohnabschlüsse auf den Fuß – ganz automatisch.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Presse.

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