Metallindustrie-Metallarbeiter-Lohnerhöhung
/ 17. November 2021

3,55 Prozent mehr Lohn für mehr als 130.000 Arbeitnehmer:innen in der Metallindustrie. Das ist das Eröffnungs-Ergebnis der diesjährigen Herbstlohnrunde, ausgehandelt nach gar nicht so langen, aber wohl besonders erbitterten Verhandlungen. Ja, derfen’s denn des? Der neue, frisch aus Norddeutschland eingetroffene Chef des Wirtschaftsforschungs-Instituts (WIFO) übte Kritik. Der Abschluss sei zu hoch.

Lohnquote heute niedriger als in 70er und 80er Jahren

Dabei gilt in Österreich seit Jahrzehnten die sogenannte „Benya-Formel“: ein Lohnabschluss soll die (vergangene) Inflation abgelten und einen Teil der gestiegenen Arbeitsproduktivität für die Einkommen der ArbeitnehmerInnen sichern. Durch effizientere Abläufe und bessere Maschinen wird der Kuchen größer – und von diesem Zuwachs sollten nicht nur die ArbeitgeberInnen profitieren. Dass es etwas zu verteilen gibt, ist unbestritten: die für den Abschluss relevante Inflation beträgt 1,9 Prozent, die Lohnerhöhungen liegen also um 1,65 Prozent darüber. Die Stundenproduktivität in der Industrie ist aber um 2,1 Prozent gestiegen.  Daraus ergibt sich ein gutes Ergebnis, aber sicher keines, das eine Lohn-Preis-Spirale anheizen würde oder an den Gewinnen der Unternehmen knabbern würde.

Zudem sollten wir nicht vergessen, dass Lohnverhandlungen bei aller Konsens-Orientierung der österreichischen Sozialpartnerschaft nicht einer ökonomischen Ideallinie folgen. Heuer ist es dank Verhandlungsmacht und Dynamik gelungen, einen ordentlichen Abschluss zu erreichen. Das ist aber nicht immer der Fall: in den letzten Jahren waren die Gewerkschaften auch oft zu schwach und die Arbeitslosigkeit zu hoch, um Abschlüsse zu erringen, die sich den Großteil der gestiegenen Produktivität holen. Ein Ergebnis davon ist, dass die Lohnquote heute niedriger liegt als in den 70er und 80er Jahren.  Und die Unternehmensgewinne höher.

Staat frisst die Lohnerhöhung nicht weg

Unsinn ist auch die Darstellung, „der Staat“ fresse die Lohnerhöhung weg. Nein, die ArbeitnehmerInnen zahlen sich ihren Sozialstaat selbst. Die Metall-Angestellte zahlt mit ihrem Lohn eben auch die Lehrerin ihrer Tochter, die Pension und Pflegeeinrichtung ihres Vaters, usw. Was soll daran skandalös sein? Dass dank Inflation und Produktivitätszuwachs auch die sozialstaatlich erbrachten Leistungen „teurer“ werden müssen, ist auch klar. Ein Blick in Nicht-Sozialstaaten wie die USA oder die Schweiz zeigt, dass auch dort eine Lohnerhöhung nicht in völlig frei verfügbares Einkommen fließt. Denn auch eine private Krankenversicherung oder ein privater Kindergarten werden logischerweise teurer. Dass der Metallarbeiterin mehr zum Leben bliebe, wäre nur der gierige Staat kleiner, ist eine Unwahrheit.

Wer wirklich höhere Netto-Löhne will, muss die Finanzierung des Wohlfahrtsstaats ändern. Tatsächlich ist es ein Problem, dass der Sozialstaat so stark von Arbeit und Konsum abhängig ist. Ganz lässt sich das nicht vermeiden, aber es ließe sich verringern. Wenn wir Unternehmensgewinne, Erbschaften, Grund und Boden und umweltschädliche Emissionen gescheit besteuern würden.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar im "Kurier".

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