Raffinerie als Symbolbild für die Übergewinne, die Strom- und Mineralölkonzerne machen und die man mit einer Übergewinnsteuer abschöpfen sollte
/ 23. September 2022

Der UN-Generalsekretär will sie. Die Präsidentin der EU-Kommission ebenso. Sieben europäische Nachbarn haben sie: die Übergewinnsteuer. Die Kassen der Energieerzeuger scheppern. Krieg, Gasknappheit und verrückt hohe Energiepreise an den Börsen lassen ihre Geldspeicher übergehen. Das Wifo will sie trotzdem nicht besteuern, lediglich Sonderausschüttungen der staatlichen Energiefirmen nutzen. In der Debatte macht es seinem größten Geldgeber, dem Finanzministerium, die Mauer. Aber sind die inhaltlichen Argumente gegen die Steuer stichhaltig?

Argumentiert wird: Dem Wirtschaftsstandort füge die Steuer Schaden zu. Dieses wirtschaftsliberale Totschlagargument – jede Steuer ist schlecht – vergisst auf die andere Seite der Medaille. Fehlen dem Staat Einnahmen, stützt er strauchelnde Familien oder energieintensive Unternehmen nicht ausreichend. Das zerstört Kaufkraft und Wettbewerbsfähigkeit.

Viele Länder haben ihre Übergewinnsteuern zudem mehr als ausgezeichnet "überstanden". Während der Weltkriege gehörte die Steuer weltweit zum Standard. Selbst in Friedenszeiten waren Steuern auf übermäßige Zufallsgewinne keine Seltenheit. In den 1980er-Jahren erhob die konservative britische Premierministerin Margaret Thatcher eine Sonderabgabe von Energiefirmen und Banken. Auch Österreich hat eine Sonderabgabe auf Erdöl bis 1993 und eine Bankenabgabe nach der Finanzkrise problemlos "überlebt".

Überschaubare Leistung

Das Standortargument wirkt im Energiebereich zudem reichlich seltsam. Denn wie sähe eine Abwanderung der besteuerten Stromerzeuger überhaupt aus? Der Verbund verschiebt den Flusslauf der Donau nach Tschechien, und alle österreichischen Wasserkraftwerke gleich mit? Unplausibel bis unmöglich.

Würgt eine Übergewinnsteuer grüne Investitionen ab? Nein. Die Abgabe ist eine der effizientesten Steuern überhaupt, um Marktexzesse zu korrigieren. Keinem Energieunternehmen schadet heute eine zeitlich befristete Gewinnsteuer. Bis Investitionen von heute Gewinne abwerfen, ist die Abgabe längst Geschichte. Der Bau großer Anlagen, Wasserkraftwerke oder Windräder braucht bis zu einem Jahrzehnt. Sogar der Chef des britischen Öl- und Gasriesen BP sagte, er werde jedes seiner Investitionsprojekte fortführen – trotz Übergewinnsteuer.

Fehlt Geld für Erneuerbare?

Auch "bestraft" für vergangene Investitionen werden die Energieerzeuger nicht. Die vergangene unternehmerische Leistung für die Rekordgewinne heute war überschaubar. Krieg und Knappheit hatte niemand auf dem Radar. Die OMV hat vor dem Krieg keine zusätzliche Dieselraffinerie aufgebaut, um uns vor dem Ausfall russischer Lieferungen zu schützen. In Europa wurden während Corona Raffinieren rückgebaut. Ebenso wenig setzte der Verbund in seiner langen Geschichte deswegen auf Wasserkraft, weil er mit der Glaskugel einen Krieg im Jahr 2022 prophezeit hatte.

Fehlt mit einer Steuer das Geld für den Ausbau der erneuerbaren Energie? Am Geld lag es bisher nicht. Er scheitert exemplarisch daran, dass ein Tiroler Landeshauptmann stolz darauf ist, keine Windräder im Bundesland zu haben. Dass Genehmigung, Raumplanung, Bau und Netzanschluss bis zu einem Jahrzehnt dauern. Dass größere Energiekonzerne nicht wollen, dass Private Strom einspeisen. Jene Betreiber, die bauen dürfen, machen ein Bombengeschäft. Jahrelange staatliche Förderung ermöglichte technologischen Fortschritt, drückte die Kosten von Wind und Solar. Mittlerweile bieten sie den kostengünstigsten Strom. Zeit, dass auch die Allgemeinheit von der Energiewende etwas hat.

Heute reichen erneuerbaren Stromerzeugern 70 Euro pro Megawattstunde, um hochprofitabel zu wirtschaften. Mit mehreren Hundert Euro Börsenpreis für Strom wird jeder Windradbetreiber bald zum Millionär, jede Häuslbauerin mit Photovoltaik casht ab. Für sie als Privateigentümer läuft das Argument des Wifo ins Leere, Sonderdividenden der Staatsbetriebe reichten aus. Doch selbst bei Energieerzeugern, die teils im Staatseigentum sind: OMV und Verbund gönnten sich mit exorbitant hohen Preisaufschlägen alleine binnen eines halben Jahres 2,7 Milliarden Euro höhere Gewinne als zuvor. Schütten sie diese komplett als Sonderdividende aus, entgehen dem Staat bis zu 850 Millionen Euro, die er mit einer Übergewinnsteuer hätte abschöpfen können.

Zudem: Die Gewinne der Stromerzeuger werden nächstes Jahr erst so richtig abheben, weil Strom im Voraus verkauft wird. Kein Finanzminister sollte locker flockig auf diese Milliarden verzichten, will er sein Budget im Griff haben. Die Profitinteressen der Energiewirtschaft müssen da hintanstehen.

 

Dieser Text erschien zunächst als Replik auf einen Kommentar von Wifo-Ökonom:innen Margit Schratzenstaller, Michael Böheim und Michael Peneder im "Standard".

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