Steuerbild
/ 16. Dezember 2021

Im Oktober 2021 präsentierte die türkis-grüne Bundesregierung ihren Entwurf einer „öko-sozialen“ Steuerreform. Nun hat die Bundesregierung „last minute“ noch einige Änderungen im Ministerrat vorgenommen, bevor es an den Beschluss im Parlament geht. Wie sehen die Änderungen im Detail aus und wie sinnvoll sind sie?

Erhöhung des SV-Bonus statt Senkung der KV-Beiträge

Im ursprünglichen Entwurf der Reform war geplant, mittels einer Senkung der Krankenversicherungsbeiträge (KV-Beiträge) Menschen mit niedrigen Arbeitseinkommen zu entlasten. Dieser Plan wird nun nicht umgesetzt. Stattdessen sollen niedrige Einkommen über eine Erhöhung des Sozialversicherungsbonus (SV-Bonus) entlastet werden. Das ist eine bessere Lösung.

Geplant war ursprünglich eine Senkung der KV-Beiträge um 1,7 Prozentpunkte, die ab einem Einkommen in Höhe der Geringfügigkeitsgrenze zu wirken beginnt (derzeit 475,86 Euro brutto im Monat). Die Senkung hätte sich bis zu 2.500 Euro brutto Monatsverdienst stufenweise auf 0 Prozent reduziert. Der Grundgedanke ist, gezielt Menschen mit niedrigen Einkommen zu begünstigen, die eine reine Steuersenkung gar nicht erreichen kann. Denn erst ab rund 1.300 Euro Bruttolohn im Monat beginnt man, Lohnsteuer zu zahlen.

Ersetzt wird dieses Vorhaben durch eine Erhöhung des SV-Bonus. Dieser soll um 250 Euro steigen, von bisher 400 Euro auf maximal 650 Euro im Jahr. Die Konstruktion des SV-Bonus mittels Einschleifregel bewirkt, dass ihn Menschen mit einem steuerpflichtigen Einkommen ab 16.000 Euro (bisher 15.500 Euro) in einem immer geringeren Ausmaß in Anspruch nehmen können. Ab nun 24.500 Euro (bisher 21.500 Euro) endet der Anspruch. Der SV-Bonus kann also zumindest teilweise von Menschen mit etwas höherem Einkommen in Anspruch genommen werden. Auch für Pensionist:innen gibt es Änderungen: Der Pensionistenabsetzbetrag wird um 225 Euro erhöht (von bisher 600 Euro auf 825 Euro), der erhöhte Pensionistenabsetzbetrag um 250 Euro (von bisher 964 Euro auf 1.214 Euro).

Die Erhöhung des SV-Bonus ist aus mehreren Gründen positiv zu beurteilen: Er belässt ebenso wie die KV-Beitragssenkung niedrigen Einkommen mehr netto von ihrem Bruttoeinkommen, erreicht aber auch Menschen, die nur phasenweise im Jahr beschäftigt sind. Das liegt daran, dass für die KV-Beitragssenkung der monatliche Lohnzettel als Bemessungsgrundlage dient, beim SV-Bonus ist jedoch das Jahreseinkommen ausschlaggebend. Diese Erhöhung des SV-Bonus ist demnach treffsicherer und trägt zu einer gerechteren Verteilung bei. Bei sehr kleinen Einkommen knapp über der Geringfügigkeitsgrenze wirkt sie sogar etwas stärker als die KV-Beitragssenkung.

Außerdem bleiben der Krankenversicherung mit einem SV-Bonus ihre eigenen Einnahmen erhalten, ganz im Gegensatz zu einer KV-Beitragssenkung. Zwar sah der ursprüngliche Entwurf den Ersatz der fehlenden Beiträge durch die Bundesregierung vor. Die standen jedoch „unter Budgetvorbehalt“. Wäre der schlagend geworden und die Bundesregierung nicht gezahlt, dann hätte die Krankenversicherung auf einen Schlag ein Zehntel ihrer Einnahmen verloren. So bleibt die bisher gut funktionierende Selbstverwaltung der Krankenversicherung durch die Beitragszahler:innen (Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen) bestehen, indem sie sich weiterhin mit ihren eigenen Beiträgen selbst erhalten und finanzieren kann.

Teuerungsausgleich von 150 Euro

Außerdem wurde im Nationalrat ein so genannter „Teuerungsausgleich“ beschlossen: Eine Einmalzahlung von 150 Euro soll vorwiegend Gruppen mit wenig Einkommen für die gestiegenen Preise entschädigen. Das hilft Menschen, die arbeitslos sind, Mindestpension oder Sozialhilfe beziehen, oder nur mit Studienbeihilfe studieren können. Allein 2020 stiegen allerdings die Ausgaben der Haushalte im untersten Einkommenszehntel inflationsbedingt um 300 Euro. Von diesem Anstieg wird also nur die Hälfte kompensiert. Für 2021 werden die Kosten der betroffenen Haushalte vermutlich noch stärker steigen, da die Inflation zuletzt höher war als im Vorjahr.

Rund 875.000 Menschen dürften von der Einmalzahlung profitieren: Aktuell sind rund 370.000 Menschen arbeitslos, rund 260.000 Personen erhalten die Mindestsicherung, sowie ca. 200.000 Pensionist:innen mit sehr niedriger Pension und 46.000 Studierende, die Studienbeihilfe beziehen oder ein Mobilitätsstipendium erhalten. Insgesamt dürfte die Maßnahme wohl rund 110 Mio. Euro kosten.

Angesichts der steigenden Energiepreise ist die Einmalzahlung sehr willkommen. Aber reichen 150 Euro aus? Im Vorjahr (2020) stiegen die Lebenshaltungskosten für das Zehntel der Menschen mit den niedrigsten Einkommen um rund 300 Euro. Die Teuerung 2020 fiel für Menschen mit niedrigen Einkommen höher aus (1,7%) als die allgemeine Inflationsrate (1,5%). Dieses Jahr wird die Teuerung generell um einiges höher ausfallen. Wenn sie für niedrige Einkommen genauso ausfällt wie für hohe Einkommen, bedeutet das 2021 eine Kostenbelastung von 480 Euro für die Menschen mit den niedrigsten Einkommen. Zusätzlich zur Einmalzahlung des Teuerungsausgleichs muss man jedoch die Erhöhung der Ausgleichszulage über der Inflationsrate bei den Pensionist:innen und Sozialhilfe-Bezieher:innen berücksichtigen. Im Endeffekt fällt der Teuerungsausgleich bei den verschiedenen Gruppen daher unterschiedlich aus. Für Arbeitslose gab es solche Erhöhungen nicht – sie werden daher wohl trotz Teuerungsausgleich nur unzureichend kompensiert.

Hier geht's zur Analyse der ursprünglich präsentierten ökosozialen Steuerreform: Schnelleinschätzung Steuerreform 2021

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