
Jeder Zweite, der zur Miete wohnt, fürchtet laut Sozialbarometer der Volkshilfe, dass er sich das Wohnen bald nicht mehr leisten kann. Die Sorge ist nicht unbegründet. Nun aber handelt die Bundesregierung. Das ist zu begrüßen, doch die Vorschläge gehen nicht weit genug.
Fast die Hälfte der Österreicher:innen lebt in einer Mietwohnung. Und genau dieser alltägliche Vorgang, das Bezahlen der Miete, ist Umverteilung von Arm zu Reich in unserem Land. Monat für Monat. Überweisung für Überweisung. Die wieder steigenden Preise verschärfen die Lage, sie hätten die Mieten weiter nach oben getrieben. Schließlich waren bisher die Mieterhöhungen mit den allgemeinen Preisen verheiratet. Eine haarsträubende Fehlkonstruktion: Immobilien sind schließlich Anlagegüter, keine Verbrauchsgüter. Wer eine Semmel kauft, isst sie sofort – sie wird mit der Zeit nicht wertvoller und muss immer wieder neu gekauft werden. Eine Wohnung hingegen wird man nicht aufessen, sie bleibt bestehen und kann vermietet werden. Über die Zeit gewinnt sie oft noch an Wert. Während also Konsumgüter verbraucht werden, also verschwinden, generieren Anlagegüter wie Immobilien kontinuierlich Einnahmen und sind zusätzlich eine Kapitalanlage. Die laufenden Preissteigerungen bei Konsumgütern reflektieren die steigenden Produktionskosten. Muss der Bäcker mehr für Strom zahlen, wird die Semmel teurer. Doch bei den Mieten bedeuteten sie bisher vor allem höhere Gewinne für Vermieter ohne direkte Mehrkosten.
Nun greift die Regierung endlich ein. Die geplante Neuregelung der Mietindexierung ist ein überfälliger Schritt. Es ist eine späte, aber wichtige Erkenntnis, dass die bisherige Regelung vor allem dazu geführt hat, dass Wohnraum für viele unleistbar wird. Die Regierung plant nun eine Begrenzung der Mietanpassungen. Für heuer wird die Indexierung ausgesetzt, danach begrenzt und schließlich 2028 durch einen neuen Wohnraum-Index ersetzt. Dieser Schritt nimmt die härtesten Spitzen aus den Mieterhöhungen heraus und sorgt dafür, dass sich Mieten nicht mehr völlig unkontrolliert verteuern.
Jahrzehntelang wurden die Rechte der Vermieter:innen systematisch gestärkt, während jene der Mieter:innen auf der Strecke blieben. Mit der automatischen Indexierung der Mieten sicherten sich Immobilienbesitzende eine inflationsgeschützte Einnahmequelle, während Mietende immer weniger reale Kaufkraft zur Verfügung hatten. Auch in das Dickicht der Lagezuschläge, ein beliebtes Instrument, um auch im gut geschützten Altbau die Mieten nach oben zu treiben, will die Regierung mehr Transparenz bringen. Ob auf die Evaluierung gesetzliche Maßnahmen folgen, bleibt abzuwarten.
Ebenfalls positiv: Befristete Mietverträge werden erschwert, die Mindestbefristung wird auf fünf Jahre angehoben. Gut so, denn bisher mussten Mieter:innen immer wieder umziehen, weil sie nach wenigen Jahren aus ihrer Wohnung gedrängt wurden. Doch echte Sicherheit gibt es erst mit der weitgehenden Abschaffung befristeter Verträge. Die Regierung bleibt hier auf halbem Weg stehen.
Zusätzlich muss das Mietrecht an die Realität angepasst werden. Die aktuelle Regelung schützt Mieter:innen im Altbau besonders gut, ihre Miete muss sich am Richtwert orientieren. Aber die Zahl der richtwertgebundenen Wohnungen nimmt mit der Zeit ab, da Richtwertwohnungen vom Markt verschwinden, wenn Häuser abgerissen werden. Das führt langfristig dazu, dass immer weniger Wohnungen unter den Mietschutz fallen und der Anteil frei vermieteter (teurerer) Wohnungen steigt. Eine dynamische Grenze wäre gerechter: Alle Gebäude, die älter als 50 Jahre sind, könnten automatisch ins Richtwertsystem überführt werden. Nur dann bliebe der Bestand an geschützten Wohnungen stabil, und der Bestand würde sich laufend erneuern.
Wohnen ist ein Grundbedürfnis, kein Luxus. Die Reformansätze der Regierung sind ein Schritt in die richtige Richtung, um die Umverteilung von unten nach oben zu stoppen. Die neue Bundesregierung hat die Chance, den Mietmarkt gerechter zu gestalten. Wer meint, die „Sorgen der Menschen“ ernst zu nehmen, muss genau das tun.
Dieser Text erschien zunächst als Kolumne im Profil.