Frauenfeindlicher, sexistischer Hass ist ein Problem für Politikerinnen. Das Momentum Institut und Autorin Ingrid Brodnig führten eine Befragung unter weiblichen Nationalratsabgeordneten durch: 73 Prozent der Abgeordneten, die an der Befragung teilnahmen, erhalten frauenfeindliche und sexualisierte Nachrichten. Für die Befragung wurden alle weiblichen Nationalratsabgeordneten kontaktiert, 30 Prozent – darunter Vertreterinnen aus allen Parteien – nahmen teil.
Jede dritte befragte Politikerin bekommt Hassnachrichten auch analog, etwa per Brief (36 Prozent). Ungefähr jede dritte Befragte hat schon einmal die Parlamentsdirektion oder die Polizei eingeschaltet (32 Prozent). Die betroffenen Abgeordneten werden, so berichten sie, als „Hure“, „Schlampe“ oder „hysterisch“ bezeichnet, erhalten „degradierende, ausschließlich aufs Sexuelle reduzierende Kommentare“, wie es eine Politikerin nannte. Der Körper der Politikerinnen wird auf unterschiedliche Weise herabgewürdigt: „blade Sau“, „du bist hübsch, such dir einen anderen Job“. Eine Abgeordnete gab als Beispiel an, dass ihr eine Fotocollage mit Szenen aus einem Pornoheft geschickt wurden und dazu Anmerkungen, dass Derartiges mit ihr gemacht gehöre.
„Man merkt: Bei Politikerinnen geht es schnell unter die Gürtellinie. Es wird oft nicht unbedingt ihr politisches Schaffen kommentiert, sondern ihr Aussehen, sie werden mit Obszönitäten niedergemacht“, erläutert Brodnig.
Eine Gefahr: Mehr Zurückhaltung in Debatten
Eine internationale Amnesty-International-Untersuchung in acht Ländern zeigte 2017, dass von Beleidigungen und Belästigungen betroffenen Frauen ihr Verhalten änderten. So äußerte jede dritte Befragte, zu gewissen Themen im Internet nicht mehr zu posten. Dass aggressive Kommentare eine Art Silencing bedeuten können, darauf deutet auch die Befragung der Spitzenpolitikerinnen hin: Jede vierte Parlamentarierin hat bestimmte Äußerungen schon einmal nicht öffentlich getätigt, weil sie ahnte „dass entsprechende Reaktionen/Drohungen kommen“ (27 Prozent) Das betrifft Themen wie Migration, Rassismus, Kindererziehung, Gendern und die Frauenquote.
„Wenn sogar Politikerinnen im Parlament angeben, sich zu manchen Themen nicht zu äußern, um Hassnachrichten zu vermeiden, zeigt das, wie stark Misogynie wirkt“, sagt Leonhard Dobusch, wissenschaftlicher Leiter des Momentum Instituts. Ein solcher Rückzug reduziere auch Sichtbarkeit, in der Politik eine der wichtigsten Faktoren. So ist es nicht überraschend, dass im österreichischen Parlament der Frauenanteil aktuell unter 40 Prozent beträgt. Viele politische Funktionen wurden noch nie von einer Frau ausgeübt.
Sexismus auch im Parlament
Genau jede zweite Abgeordnete gibt an, selbst auch Frauenfeindlichkeit oder Sexismus innerhalb des Parlaments erlebt. Genannt werden beispielsweise Zwischenrufe und despektierliche Kommentare. Nicht im Fokus der Befragung, aber dennoch auffallend waren Angaben zur Mehrfach-Diskriminierung, bei der Politikerinnen zusätzlich auch rassistischen, antisemitischen oder antimuslimischem Hass ausgesetzt sind.
„Was wir brauchen, ist auch eine bessere Statistik, wie groß das Problem des Frauenhasses ist: Zum Beispiel sollten Sicherheitsbehörden Straftaten mit frauenfeindlichem Hintergrund – von Hasskommentaren bis häuslicher Gewalt – als eigene Kategorie für Ermittlungen einführen“, folgert Brodnig aus den Ergebnissen der Studie. Auch 77 Prozent der befragten Abgeordneten unterstützen den Vorschlag, misogyne Gewalt und Frauenhass als eigene Kategorie einzuführen.
Die ganze Befragung gibt es zum Download.