Frauenpolitik

Gender Pay Gap: Augen auf bei der Berufswahl?

Symbolbild für Einkommensungleichheit und Gender Pay Gap

"Selbst schuld, wenn sich Frauen die schlecht bezahlten Berufe aussuchen“? So und ähnlich tönt es rund um den Equal Pay Day: Der Tag, der die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen aufzeigt. Doch mit der Berufswahl kann man der Lohnlücke kein Schnippchen schlagen.  

Heuer arbeiten Frauen in Österreich 45 Tage gratis. Ausgerechnet der Valentinstag markiert diesmal den Equal Pay Day. Statistisch haben Frauen bis zu diesem Datum gratis gearbeitet. Frauen bekommen im Schnitt 12,4 Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Wir bezahlen gleichwertige Leistung unterschiedlich, je nachdem ob die Leistung von einem Mann oder einer Frau erbracht wird. In kaum einem anderen Land in der EU bekommen Frauen um so viel weniger Lohn als die männliche Kollegschaft. Das liegt aber nicht daran, dass die Arbeit von Frauen tatsächlich weniger wert ist, sondern daran, dass ihr gesellschaftlich weniger Wert zugeschrieben wird. Es ist schließlich kein Naturgesetz, dass ein Automechaniker im ersten Dienstjahr 400 Euro brutto pro Monat mehr Gehalt bekommt als eine Altenpflegerin.  

Augen auf bei der Berufswahl?

Gegen den enormen Einkommensunterschied soll eine kluge Berufswahl helfen. “Frauen rein in die gut bezahlten Männerbranchen und MINT-Fächer”. Wenn alle Frauen in die IT oder ins Ingenieurwesen wechseln, wer übernimmt ihre Jobs? Irgendwer muss schließlich Alte pflegen, Kindern lesen beibringen und den OP-Saal putzen. Selbst wenn wir ausklammern, dass wir händeringend mehr Leute in der Pflege und Kinderbetreuung suchen – Stichwort Mangelberuf – schließt ein Wechsel der Branche die Lohnlücke für Frauen nicht. In traditionell männlich dominierten Berufsfeldern ist die Lohnlücke mitunter am größten.  

Entwertung weiblicher Arbeit

Geht eine Frau nach ihrem Masterabschluss in die Branche “Ingenieurwesen, verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe” bekommt sie schon nach eineinhalb Jahren um 17,5 Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Selbst wenn sie einen Master absolviert hat und die männlichen Kollegen nach dem Bachelorabschluss in den Job gestartet sind, bekommt sie um 11 Prozent weniger Gehalt trotz höherem Bildungsabschluss. Studien zeigen einen weiteren Effekt: Drängen vermehrt Frauen in eine Branche, dann sinkt im Schnitt der Lohn. Sobald der Frauenanteil über 60 Prozent ausmacht, setzt die Lohnentwertung in dieser Branche ein. Frauen bringen ihre traditionell geringe Bezahlung auch in neu erschlossene Branchen mit. Übernehmen hingegen Männer den Laden, dann steigt das Ansehen des Berufs - und das Gehalt. Daraus resultiert, dass es deutlich mehr gut bezahlte Männerbranchen und -berufe gibt als Frauenbranchen. Von 36 gut bezahlten Branchen, sind 29 männlich dominiert, nur in sieben haben die Frauen die Nase vorn. Anders gesagt: Auf jede gut bezahlte Frauenbranche kommen 4 Männerbranchen.  

Transparenz-Vorbild Island

Ein wesentlicher Hebel gegen ungleiche Bezahlung kommt in Österreich kaum zum Einsatz. Für Lohndiskriminierung braucht es Intransparenz. Ein Blick nach Island zeigt, wie es anders geht. Um die Lohnlücke gänzlich zu schließen, führte Island 2018 das verpflichtende “Equal Pay Zertifikat” ein. Zahlt ein Betrieb gleiche Leistung von Männern und Frauen nicht gleichwertig, werden tägliche Strafzahlungen fällig. Eine gute Blaupause für die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz. Österreich muss diese bis 2026 umsetzen. Höchste Zeit, dass wir hier richtig Meter machen. Mit dem aktuellen Tempo braucht es sonst noch 300 Jahre, bis gleichwertige Leistung von Männern und Frauen gleich gut gezahlt wird.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Tageszeitung 'Die Presse'.

Weibliche Altersarmut: Fehler im System

Hände einer älteren Frau als Symbolbild für Altersarmut bei Frauen

Diesen Freitag ist Equal Pension Day in Österreich. Er markiert den Tag, ab dem Frauen rein rechnerisch bis zum Jahresende keine Pension mehr bekommen. Grund dafür ist der Gender-Pension-Gap, sprich der Unterschied bei den Pensionsbezügen zwischen Männern und Frauen. 2023 klafft diese Lücke in Österreich bei 40,5 Prozent auseinander. Im Schnitt bekommen Frauen also pro Jahr fünf Monate weniger Pension als Männer.  

Warum schuften Frauen ihr ganzes Leben und kommen in der Pension dann nur mit Ach und Krach über die Runden? Ein Konstruktionsfehler im System. Denn unser Pensionssystem ist für Männer gebaut. Wer eine ordentliche Pension möchte, muss das ganze Leben lang Vollzeit und gut bezahlt arbeiten. Die Lebensrealität von Frauen sieht aber meistens anders aus. Bis zum ersten Kind arbeiten sie Vollzeit. Knapp 70 Prozent der Mütter bleiben in Teilzeit, bis die Kinder 14 Jahre alt sind. Sind die Kinder flügge pflegen sie die Eltern, später dann oft noch den Partner. Neben dieser jahrelangen unbezahlten Sorgearbeit gehen sie auch noch einer Erwerbstätigkeit nach. Aber meist nur Teilzeit, anders geht es sich eben nicht aus.

Viele dieser weiblich geprägten Teilzeitjobs sind überdurchschnittlich anstrengend, aber unterdurchschnittlich bezahlt. Im Ergebnis zahlen Frauen für die Kombination aus unbezahlter Sorge- und Teilzeitarbeit einen hohen Preis. Arbeitet eine Frau mit mittlerem Bruttoeinkommen von 2.900 Euro 10 Jahre lang in Teilzeit, verzeichnet sie einen Verlust bei ihrem Lebenseinkommen in der Höhe von 200.000 Euro. Arbeitet sie 15 Jahre in Teilzeit, sind es bereits 310.000 Euro. Einkommen, das später am Pensionskonto fehlt: Jede fünfte Frau über 60 lebt unterhalb der Armutsgrenze von 1.392 Euro pro Monat.

Hinzu kommt: Frauen können sich mangels Betreuungsinfrastruktur kaum frei für Vollzeit entscheiden. Das Betreuungsziel für unter 3-Jährige verfehlt Österreich seit über zwei Jahrzehnten. Jeder vierte Kinderkrippen- und -gartenplatz außerhalb Wiens ist mit Vollzeit nicht vereinbar. Wenn niemand auf die Kinder schaut, ist Vollzeitarbeit aber ein Ding der Unmöglichkeit. Bei der Altenpflege sieht es nicht viel anders aus: Acht von zehn Pflegegeldbezieher:innen werden zu Hause gepflegt. Überwiegend von Frauen, die ihnen nahestehen.

Dabei haben wir schon ein ganzes Rezeptbuch zusammen, um Altersarmut zu bekämpfen. Allen voran sollten Zeiten für Kinderbetreuung und Altenpflege ordentlich bei der Pension angerechnet werden. Ein Karenzmodell, das die Karenzzeiten zwischen Mutter und Vater verpflichtend fair verteilt, würde ebenfalls helfen. Geht der Papa in Karenz wirkt sich das positiv auf den Wiedereinstieg der Mama aus. Damit wir Frauen nicht mit der Pflege von älteren Angehörigen allein lassen, braucht es eine Personaloffensive und den Ausbau der Pflegeinfrastruktur. Und zu guter Letzt muss die Regelarbeitszeit sinken. Dann ist Vollzeit leichter möglich und wir schicken Frauen nicht länger mit Anlauf in die Altersarmut.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar im "Kurier".

Equal Pension Day 2023

Alte Frau schaut aus dem Fenster – Symbolbild für den Equal Pension Day

Am 4. August ist Equal Pension Day – der Tag ab dem Frauen rein rechnerisch bis zum Jahresende keine Pension mehr erhalten. Der Grund dafür ist der Gender-Pension-Gap: Der geschlechtsspezifische Unterschied bei den Pensionsbezügen beträgt in Österreich im Jahr 2023 immer noch 40,5 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr ist das nur eine minimale Verbesserung. 2022 waren es noch 41,1 Prozent, der Equal Pension Day fiel damals auf den 3. August – die Situation hat sich also lediglich um einen Tag „verbessert“.

Schreibt man das Tempo dieser Entwicklung fort, werden Frauen erst im Jahr 2115 gleich hohe Pensionen wie Männer beziehen. Fünf Generationen von Frauen (das sind etwa 100 Jahre) müssen darauf also noch warten.

In absoluten Zahlen wird die klaffende Lücke zwischen den Geschlechtern noch deutlicher: Frauen in Österreich erhalten eine durchschnittliche Bruttopension von gerade einmal 1.285 Euro, das liegt deutlich unter der Armutsgefährdungsschwelle von 1.392 Euro (EU-SILC 2022) für einen Ein-Personen-Haushalt. Die durchschnittliche Bruttopension von Männern beträgt 2.162 Euro. Das ist ein Unterschied von knapp 900 Euro pro Monat (genau: 877 Euro).

Hohe Gender-Pension-Gaps im Westen Österreichs

Die geringste Pensionslücke zwischen den Geschlechtern findet man in Wien. Selbst dort beträgt der Gender-Pension-Gap 30 Prozent. Der Equal Pension Day für Wien fällt damit auf den 13. September. Im Westen Österreichs, dort wo Frauen bis zur Hälfte weniger Pension erhalten als Männer, haben die Equal Pension Days der jeweiligen Bundesländer bereits im Juli stattgefunden. Satte 173 Tage im Jahr – sprich fast die Hälfte – stehen Frauen in Vorarlberg statistisch gesehen ohne Pensionszahlungen da.

Österreich ist europäisches Schlusslicht

Auch im europäischen Vergleich kann sich Österreich in punkto Gleichstellung üblicherweise nicht mit guten Ergebnissen rühmen – so auch bei den Pensionen: Laut Eurostat-Daten aus dem Jahr 2021 (die Datenbasis ist eine andere, weshalb auch der Gender-Pension-Gap etwas geringer ausfällt) landet Österreich auf Platz 3 der Länder mit den höchsten Pensionslücken zwischen Männern und Frauen und liegt damit auch noch deutlich über dem EU27-Durchschnitt von 27 Prozent.

Verlorenes Lebenseinkommen durch Teilzeitarbeit

Die Gründe für den immer noch immens hohen Gender-Pension-Gap sind bekannt: Frauen werden immer noch wesentlich schlechter bezahlt als Männer. Ein Grund dafür ist Teilzeitarbeit: Frauen arbeiten häufiger und länger in Teilzeit, weil sie den Löwenanteil der unbezahlten Sorgearbeit (Hausarbeit, Kinderbetreuung und Pflege) übernehmen. Das fehlende Vollzeiteinkommen mindert den Beitrag auf dem Pensionskonto und lässt damit das Lebenseinkommen stark schrumpfen. Längere Teilzeitphasen verschärfen diesen Verlust zusätzlich. So entsteht bei einer Frau mit mittlerem Bruttoeinkommen von 2.890 Euro pro Monat und einer 10-jährigen Teilzeitphase bereits ein Lebenseinkommensverlust von etwa 200.000 Euro.

Altersarmut ist weiblich

Da Frauen deutlich geringere Pensionen erhalten, sind sie im Alter auch häufiger von Armut betroffen: Etwa ein Fünftel der Pensionistinnen ist armutsgefährdet (18 Prozent). Bei Männern sind es hingegen nur 13 Prozent. Zudem ist die Armutsgefährdung unter Pensionist:innen zuletzt wieder merklich angestiegen: Während etwa 10 Prozent der Pensionisten und 14 Prozent der Pensionistinnen im Jahr 2016 armutsgefährdet waren, sind es 2022 mit 13 Prozent bzw. 18 Prozent deutlich mehr.

Angleichung des Pensionsantrittsalters: Frauen zahlen zurzeit doppelt drauf

Wir wissen also: Frauenpensionen sind weitaus niedriger als jene der Männer. Eine Maßnahme, die von der Politik eingeführt wurde, ist die Angleichung des Pensionsantrittsalters von Frauen an das der Männer. Das Pensionsantrittsalter liegt in Österreich bei 60 Jahren für Frauen und 65 für Männer. Ab dem 01.01.2024 wird das Antrittsalter von Frauen pro Jahr um sechs Monate erhöht und damit bis 2033 an jenes der Männer herangeführt. Der Grundgedanke dahinter: Wer länger arbeitet, erhält auch eine höhere Pension, da man länger ins Pensionssystem einzahlt. Die Schlussfolgerung „Wenn Frauen länger arbeiten und Pensionsbeitragszahlungen leisten, verschwindet auch der Gender-Pension-Gap schneller“ ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. Denn durch diesen Anpassungsmechanismus zahlen Frauen zurzeit doppelt drauf.

Während der Erwerbstätigkeit werden unsere Beitragszahlungen auf das Pensionskonto (die Kontogutschrift bzw. der Pensionsanspruch) jährlich mit der Einkommensentwicklung aufgewertet. Da die durchschnittlichen Einkommen für beispielsweise das Jahr 2023 erst im Laufe des Jahres 2024 bekannt sind, und die Ansprüche mit Jahresende aufgewertet werden, kann die Einkommensentwicklung von 2023 erst für die Kontoaufwertung 2025 herangezogen werden. Damit ist die Aufwertung de facto um zwei Jahre verzögert. Auf lange Sicht ist das kein Problem, da sich die Preise und die Einkommen einigermaßen parallel entwickeln. Die Aufwertung der Ansprüche mit der Einkommensentwicklung ist ein wichtiger Mechanismus im Pensionskonto. In Zeiten der massiven Teuerung, wie wir sie derzeit erleben, ist dieser Mechanismus allerdings problematisch. Das Hinterherhinken der Aufwertung um zwei Jahre führt vor allem bei jenen Frauen, die ihre Pension erst in der zweiten Jahreshälfte 2024 antreten können zu massiven Pensionsverlusten: Ihre Pensionsbeiträge werden nach aktuellen Schätzungen lediglich mit 3,5 Prozent aufgewertet – aufgrund der hohen Teuerung ist der aktuelle Kaufkraftverlust aber deutlich höher. Die laufenden Pensionen werden auf Basis der durchschnittlichen Inflation von August 2022 bis Juli 2023 erhöht – das werden ca. 9,7 Prozent sein.

Dadurch wird die Anhebung des Frauenpensionsalters nun zusätzlich zum Verhängnis: Alle Frauen, die in der ersten Jahreshälfte 1964 geboren wurden, gehören zum ersten Geburtenjahrgang, der nun von der schrittweisen Anhebung des Frauenpensionsalters betroffen ist – sie können erst mit 60,5 Jahren ihre Pension antreten (mit 1. Juli 2024). Das Versprechen der Bundesregierung: Wenn sie auch ein halbes Jahr länger arbeiten und Pensionsbeiträge zahlen, werden sie auch mehr Pension bekommen. Aufgrund der verzögerten Aufwertung des Pensionskontos tritt das allerdings so nicht ein.

Ein Beispiel: Eine Frau, die am 1. Jänner 1964 geboren wurde, kann erst mit 60,5 Jahren ihre Pension antreten und muss daher noch bis 1. Juli 2024 arbeiten. Das zusätzliche Einzahlen in die Pensionskassa für ein halbes Jahr bringt ihr aber in diesem Fall weniger als die Pensionserhöhung, die sie mit Jahresbeginn 2024 bekommen hätte, wenn sie einen Monat früher geboren worden wäre und dadurch ihre Pension noch im Jahr 2023 hätte antreten können. 2024 bedeutet das 104 Euro weniger Pension pro Monat für jene Frauen, die erst im Juli 2024 ihre Pension antreten können, verglichen zu jenen, die bereits mit Ende 2023 in Pension gehen können. Der gesamte (kumulierte) Pensionsverlust beträgt auf 20 Pensionsjahre gerechnet rund 54.000 Euro. Einfach gesagt bedeutet das für viele Frauen: Sie müssen länger arbeiten, können erst später (und insgesamt kürzer) in Pension gehen und bekommen dafür auch noch niedrigere Pensionen als jene, die bereits ein halbes Jahr früher ihre Pension antreten konnten und nicht mehr arbeiten mussten.

Dass Frauen länger arbeiten und dadurch eine niedrigere Pension bekommen hängt mit dem derzeit großen Unterschied zwischen der Aufwertung der Gutschrift am Pensionskonto und der laufenden Pensionen zusammen. Für Zeiten wie der jetzigen empfiehlt das Momentum Institut eine Schutzklausel, wonach die Aufwertungen der Pensionsgutschrift in den letzten beiden Jahren vor Pensionsantritt zumindest so hoch sein müssen wie die Anpassung der laufenden Pensionen.

Policy Empfehlungen

  • Schutzklausel: die letzten beiden Aufwertungen im Pensionskonto dürfen nicht unter dem Anpassungsfaktor liegen
  • Sicherstellung von flächendeckenden, umfassenden und kostenlosen Kinderbetreuungsmöglichkeiten
  • Verpflichtende Väterkarenz
  • Ausbau der öffentlichen Beschäftigung in systemrelevanten und gesamtwirtschaftlich sinnvollen Bereichen bei einem Mindestlohn von EUR 2.500 brutto
  • Höhere Bewertung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten für die Pensionszeiten
  • Starke Erhöhung einer von Familienstand und Partner:inneneinkommen unabhängige Ausgleichszulage
  • Mehr Gehaltstransparenz und Durchsetzung des Verbots von ungleicher Bezahlung für dieselbe Tätigkeit
  • Gerechtere Verteilung der Arbeitszeit: Einführung einer 30-Stunden-Woche

Equal Pension Day 2023: Mit Anlauf in die Altersarmut

Equal Pension Day 2023 - man sieht eine ältere Frau von hinten. Sie trägt eine Brille und hat graues Haar.

Frau Huber ist nicht mehr die Jüngste. Ihr gegenüber sitzt ihr AMS-Berater. „Na gut“, seufzt er. „Die Lehre gemacht, drei Kinder bekommen, die Eltern gepflegt und jetzt den Mann.“ Er schaut sie fragend an. „Mit einem Wort, Sie haben in Ihrem Leben noch nie etwas gearbeitet?“

Die Karikatur ist mir vor Jahren untergekommen, aber sie hat nichts an Schärfe eingebüßt. Frauenleben haben sich kaum verändert: Frauen arbeiten bis zur Familiengründung voll. Aber dann übernehmen sie die Familienarbeit. Acht von zehn Frauen sind bis zum zweiten Geburtstag des Kindes nicht erwerbstätig. Noch zehn Jahre später verdienen sie im Teilzeitjob nur halb so viel wie vor der Geburt. Knapp 70 Prozent der Mütter bleiben in Teilzeit, bis die Kinder 14 Jahre sind. Und sie übernehmen den überwiegenden Teil der unbezahlten Sorgearbeit. Ganz automatisch.

Das beweist ein Blick auf die Arbeitsmarktdaten: Der Anteil der Frauen am Arbeitsmarkt wächst, aber der gesamte Anstieg seit den 1990er-Jahren entfällt auf Teilzeitjobs. Teilzeit, ein trügerisches Wort. Für Frauen heißt Teilzeit, dass sie nach ihrer bezahlten Erwerbsarbeit in die zweite – unbezahlte – Schicht wechseln. Jeden Tag. Sie arbeiten mehr Stunden als Männer, sie bekommen nur weniger Stunden bezahlt.

Wenn die Kinder endlich nicht mehr umsorgt werden müssen, kommen die Angehörigen. Acht von zehn Pflegegeldbezieher:innen werden zu Hause gepflegt. Von Frauen, die ihnen nahestehen. Pflege ist in Österreich eine private Angelegenheit. Die Frauen müssen einspringen, wo wir als Gesellschaft auslassen.

Und so springen sie kopfüber in die Armut, wenn die Ehe nicht hält. Das Pensionssystem ist für Männer gebaut: Wer eine ausreichende Pension haben will, muss sein Leben lang Vollzeit und gut bezahlt gearbeitet haben. Davon können die meisten Frauen nur träumen: Frauentypische Berufe sind überdurchschnittlich anstrengend und unterdurchschnittlich bezahlt.

Und zwar einfach nur deshalb, weil es eben „Frauenberufe“ sind: Ihrer Arbeit wird schlicht weniger Wert zugemessen. Der Journalist Robert Pausch formulierte treffend, dass paradoxerweise in der Unverzichtbarkeit der grundlegenden Arbeiten der Schlüssel für die fehlende Anerkennung liegt: „Die Arbeit, die Frauen leisten, ist so grundlegend, dass man sie nicht wahrnimmt. Die Böden wischen im Krankenhaus, Äpfelchen schneiden für Kindergartenkinder, den Alten die Füße waschen – was soll daran besonders sein? Es erscheint als selbstverständlich, dass diese Dinge erledigt sind. Zumal viele der Tätigkeiten denen ähneln, die Frauen zu Hause auch unbezahlt und scheinbar nebenbei erledigen: putzen, kochen, waschen, spülen, kümmern, sorgen, pflegen.“

Ganz selbstverständlich und nebenbei arbeiten sich Frauen kaputt: Neun von zehn Beschäftigen in der Altenpflege sind Frauen. Zwei von drei glauben nicht, dass sie diesen Job bis zum regulären Pensionsantritt durchhalten werden. Auch putzen gehen weit mehr Frauen als Männer, aber nur eine von vier Frauen wechselt direkt aus der Reinigungsbranche in die Pension. Die anderen drei aus der Arbeitslosigkeit.

Und mit der Pension beginnt das große Rechnen mit dem kleinen Geld: Frauen bekommen knapp 40 Prozent weniger Pension als Männer. Zum Vergleich: Auf ein Jahr umgerechnet ist das, als würde man den Frauen in Österreich ab dem 4. August einfach keine Pension mehr auszahlen. Jede fünfte Frau über 60 lebt unterhalb der Armutsgrenze, Tendenz dank Teuerungskrise steigend.

Und das alles, obwohl die Rezepte, um Altersarmut zu bekämpfen, alle auf dem Tisch liegen. Ein Karenzmodell, das die Karenzzeiten zwischen Mama und Papa verpflichtend fair verteilt, würde helfen. Väterkarenz wirkt sich positiv auf den beruflichen Wiedereinstieg der Mütter aus. Je länger auch die Väter zu Hause bleiben, desto besser sind die Wiedereinstiegschancen der Mütter. Gegen die Pensionslücke hilft auch, die Zeiten für Kinderbetreuung und Pflegeteilzeit bei der Berechnung der Pensionen ordentlich aufzuwerten. Denn wo es keine ganztägigen Kindergärten gibt, können Frauen nicht Vollzeit arbeiten. Österreich verpasst seit über 20 Jahren das EU-Ziel zur Betreuung von Kleinkindern. Jeder vierte Kinderkrippen- und -gartenplatz außerhalb Wiens ist mit Vollzeit nicht vereinbar. Wien bietet die meisten Vollzeitplätze an, mit Öffnungszeiten von über zehn Stunden täglich, kostenfrei. Das ist noch immer nicht genug, aber deutlich mehr als andere Bundesländer. Natürlich hat Wien damit auch den geringsten Gender-Pay-Gap und die kleinste Pensionslücke zwischen Männern und Frauen: 26,4 Prozent. In Vorarlberg, dem Land mit der größten Ungleichheit, ist die Lücke doppelt so groß. Hier bekommen Frauen fast um die Hälfte weniger Pension als Männer.

Helfen würde auch, wenn wir Frauen nicht weiter mit der Pflege von älteren Angehörigen allein lassen würden. Zum Beispiel mit einer massiven Personaloffensive und dem Ausbau der Pflegeinfrastruktur.

Und höchste Zeit wäre es, nicht erst seit Corona, wenn wir die Berufe und Branchen, die den Laden wirklich am Laufen halten, von den Supermarktkassierinnen bis zu den Kindergärtnerinnen, endlich besser entlohnen würden: Ein kollektivvertraglicher Mindestlohn von zumindest 1800 Euro netto würde Frauen schon ein Stück vor dem Köpfler in die Altersarmut schützen. Es ist schließlich kein Naturgesetz, dass Automechaniker besser bezahlt werden als Altenpflegerinnen.

Dieser Text erschien zunächst als Kolumne im Profil.

Gender Pension Gap: Raus aus der Teilzeitfalle

Altersarmut

Ab dieser Woche müssen Frauen in der Pension die Gürtel – rein rechnerisch – enger schnallen. Denn bis zum 3. August, dem Equal Pension Day, hat ein Mann im Schnitt schon jenes Pensionseinkommen bezogen, mit dem eine Frau das ganze Jahr lang auskommen muss. Nicht nur im Erwerbsleben verdienen Frauen wesentlich weniger als Männer. Auch ihre Pensionen sind um einiges geringer. Das beschreibt der Gender Pension Gap, also die Pensionseinkommenslücke zwischen Frauen und Männern.

Kaum Fortschritte in den letzten 25 Jahren

Eine Lücke, die sich kaum schließt: Nur zwei Tage ist der Equal Pension Day im Vergleich zum Vorjahr nach hinten gerückt. 1997 erhielten Frauen mit 46 Prozent etwa halb so viel Pension wie Männer. Inzwischen sind wir bei einem österreichweiten Gender Pension Gap von 38 Prozent angekommen. Viel getan hat sich in den letzten 25 Jahren also nicht, von Gleichstellung bei den Pensionen kann noch lange nicht die Rede sein. Zwischen den Bundesländern gibt es aber deutliche Unterschiede: So bekommen Frauen in Vorarlberg immer noch nur etwa die Hälfte eines Männer-Pensionseinkommens – in Wien liegt der Gender Pension Gap bei etwa 25 Prozent.

Besonders hoch ist die Pensionslücke in jenen Bundesländern, die auch bei den Kinderbetreuungs-Möglichkeiten hinterherhinken. Kein Zufall, denn ein springender Punkt für die Höhe einer Frauenpension ist die Erwerbsarbeitszeit. Und sind Kinderbetreuungsplätze nicht mit Vollzeitbeschäftigung vereinbar oder erst gar nicht vorhanden, sind es immer noch Frauen, die den Löwenanteil der Kinderbetreuung schultern – auf Kosten ihrer Vollzeitgehälter.

Hälfte der Frauen in Teilzeit

Fast die Hälfte der Frauen in Österreich arbeitet in Teilzeit, nur jeder zehnte Mann ist teilzeitbeschäftigt. Durch das niedrigere Einkommen hat Teilzeitarbeit schwerwiegende finanzielle Folgen, die sich bis in die Pension ziehen. Bereits eine dreijährige Teilzeitphase bedeutet einen Verlust von rund 58.200 Euro netto an Lebenseinkommen – Erwerbseinkommen und Pension zusammen – für eine ganzjährig beschäftigte Frau mit mittlerem Einkommen (rund 2.900 Euro brutto). Je länger die Teilzeit andauert, desto höher der Verlust. Mit 15 Jahren Teilzeit liegt der Verlust insgesamt bereits 308.600 Euro netto. Für die Pension bedeutet das: Pro Monat bekommt eine Frau mit mittlerem Einkommen nach fünf Jahren Teilzeit während der Erwerbszeit um etwa 180 Euro netto weniger. Nach 15 Jahren Teilzeit fehlen jeden Monat satte 560 Euro netto beim Pensionseinkommen.

Eine logische Ableitung aus dieser Rechnung: Frauen müssen raus aus der Teilzeitfalle. Ja, aber ohne flächendeckende, umfassende und kostenlose Kinderbetreuung wird es nicht gehen. Der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen ist in Österreich vor allem in jenen Bundesländern längst überfällig, in denen auch der Gender Pension Gap besonders hoch ist. Kinderbetreuung ist ein zentraler Schlüssel, um die Pensionslücke zu schließen. Geht es so weiter wie bisher, bleibt der Gender Pension Gap noch knapp 100 Jahre bestehen – etwa fünf Generationen an Frauen, die auf Gleichstellung bei den Pensionen noch warten müssten.

Dieser Text erschien zunächst in der Momentum-Kolumne "Ausgerechnet - die Wirtschaft" bei ZackZack.

Equal Pension Day: Frauenpensionen um fast 40 Prozent niedriger

Equal Pension Day

Am 1. August ist Equal Pension Day - ab diesem Tag erhalten Frauen im Vergleich zu Männern quasi keine Pension mehr. Nach den letzten verfügbaren Einkommensteuer-Daten aus 2019 liegen die Frauenpensionen immer noch um 39 % unter jenen der Männer. Die Geschlechter-Lücke schließt sich kaum: vor 24 Jahren (1997) waren es 46 %. Schreibt man diese Entwicklung fort, beziehen Frauen erst im Jahr 2128 gleich hohe Pensionen wie Männer.

Die viel niedrigeren Frauenpensionen haben ihren Ursprung bereits im geringeren Erwerbseinkommen von Frauen, wie das Momentum Institut schon anlässlich des Equal Pay Days analysiert hat. Einerseits sind dafür die niedrigeren Gehälter in weiblich dominierten Berufen verantwortlich. Aber auch längere Unterbrechungen durch Kindererziehungszeiten führen später zu niedrigeren Pensionseinkommen. Das führt dazu, dass das mittlere monatliche Pensionseinkommen der Frauen 2019 bei EUR 1.224 brutto (EUR 1.161 netto) liegt, während es bei Männern EUR 1.995 brutto (EUR 1.653 netto) sind - ein Unterschied von fast EUR 500 netto pro Monat.

Der Übergang vom Pensionsrecht-alt, bei dem vor allem die besten 15 Erwerbsjahre in die Berechnung der Pensionshöhe einflossen, zum Pensionsrecht-neu bringt für Frauen weitere Nachteile mit sich. Durch die Betrachtung von bis zu 40 Jahren zählen auch jene Phasen stärker, in denen durch Kinderbetreuung in Teilzeit oder mit niedrigerem Einkommen gearbeitet wurde. So „rächt“ sich Teilzeitarbeit im neuen Recht später stärker. Bei einer in Österreich oft üblichen, längeren Teilzeit-Phase von beispielsweise 13 Jahren reduziert sich die Pensionshöhe der Frau um mehr als ein Zehntel (11 %), wie eine Beispielrechnung zeigt. Die Umstellung vom alten auf das neue Pensionsrecht reduziert somit Anreize, in Teilzeit möglichst bald wieder auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren.

Bundesländer-Vergleich: Höchste Unterschiede im Westen

Ein Bundesländervergleich zeigt große Unterschiede beim Gender Pension Gap. Mit großem Abstand am niedrigsten ist der Geschlechterunterschied bei den Pensionen in Wien (26,4 %), am höchsten in Vorarlberg mit 46,4 % und Tirol mit 45,6 %.
 

Österreich sollte seine Anstrengungen im Bereich Frauen-Erwerbstätigkeit intensivieren, empfiehlt das Momentum Institut. Dazu gehört vor allem der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen – hier hat Österreich nun zum elften Mal in Folge das EU-Kinderbetreuungsziel für unter 3-Jährige verfehlt. Gerade abseits der Städte ist Vollzeit-Arbeit für viele Eltern aufgrund fehlender Infrastruktur kaum möglich. Die nicht armutsfesten Pensionen von Frauen sind eine Folge davon. Auch weitere geschlechtsspezifische Unterschiede im Gehaltsniveau sollten dringend angegangen werden.

Alexander Huber

Politikerinnen oft von Hassnachrichten betroffen

Frauenhass im Paralement: Man sieht die ÖVP-Abgeordnete Gaby Schwarz im Saal des Nationalrates.

Frauenfeindlicher, sexistischer Hass ist ein Problem für Politikerinnen. Das Momentum Institut und Autorin Ingrid Brodnig führten eine Befragung unter weiblichen Nationalratsabgeordneten durch: 73 Prozent der Abgeordneten, die an der Befragung teilnahmen, erhalten frauenfeindliche und sexualisierte Nachrichten. Für die Befragung wurden alle weiblichen Nationalratsabgeordneten kontaktiert, 30 Prozent – darunter Vertreterinnen aus allen Parteien - nahmen teil.

Jede dritte befragte Politikerin bekommt Hassnachrichten auch analog, etwa per Brief (36 Prozent). Ungefähr jede dritte Befragte hat schon einmal die Parlamentsdirektion oder die Polizei eingeschaltet (32 Prozent). Die betroffenen Abgeordneten werden, so berichten sie, als „Hure“, „Schlampe“ oder „hysterisch“ bezeichnet, erhalten „degradierende, ausschließlich aufs Sexuelle reduzierende Kommentare“, wie es eine Politikerin nannte. Der Körper der Politikerinnen wird auf unterschiedliche Weise herabgewürdigt: „blade Sau“, „du bist hübsch, such dir einen anderen Job“. Eine Abgeordnete gab als Beispiel an, dass ihr eine Fotocollage mit Szenen aus einem Pornoheft geschickt wurden und dazu Anmerkungen, dass Derartiges mit ihr gemacht gehöre.

 „Man merkt: Bei Politikerinnen geht es schnell unter die Gürtellinie. Es wird oft nicht unbedingt ihr politisches Schaffen kommentiert, sondern ihr Aussehen, sie werden mit Obszönitäten niedergemacht“, erläutert Brodnig.

 

Eine Gefahr: Mehr Zurückhaltung in Debatten

Eine internationale Amnesty-International-Untersuchung in acht Ländern zeigte 2017, dass von Beleidigungen und Belästigungen betroffenen Frauen ihr Verhalten änderten. So äußerte jede dritte Befragte, zu gewissen Themen im Internet nicht mehr zu posten. Dass aggressive Kommentare eine Art Silencing bedeuten können, darauf deutet auch die Befragung der Spitzenpolitikerinnen hin: Jede vierte Parlamentarierin hat bestimmte Äußerungen schon einmal nicht öffentlich getätigt, weil sie ahnte „dass entsprechende Reaktionen/Drohungen kommen“ (27 Prozent) Das betrifft Themen wie Migration, Rassismus, Kindererziehung, Gendern und die Frauenquote.

„Wenn sogar Politikerinnen im Parlament angeben, sich zu manchen Themen nicht zu äußern, um Hassnachrichten zu vermeiden, zeigt das, wie stark Misogynie wirkt“, sagt Leonhard Dobusch, wissenschaftlicher Leiter des Momentum Instituts. Ein solcher Rückzug reduziere auch Sichtbarkeit, in der Politik eine der wichtigsten Faktoren. So ist es nicht überraschend, dass im österreichischen Parlament der Frauenanteil aktuell unter 40 Prozent beträgt. Viele politische Funktionen wurden noch nie von einer Frau ausgeübt.

Sexismus auch im Parlament

Genau jede zweite Abgeordnete gibt an, selbst auch Frauenfeindlichkeit oder Sexismus innerhalb des Parlaments erlebt. Genannt werden beispielsweise Zwischenrufe und despektierliche Kommentare. Nicht im Fokus der Befragung, aber dennoch auffallend waren Angaben zur Mehrfach-Diskriminierung, bei der Politikerinnen zusätzlich auch rassistischen, antisemitischen oder antimuslimischem Hass ausgesetzt sind.

„Was wir brauchen, ist auch eine bessere Statistik, wie groß das Problem des Frauenhasses ist: Zum Beispiel sollten Sicherheitsbehörden Straftaten mit frauenfeindlichem Hintergrund – von Hasskommentaren bis häuslicher Gewalt – als eigene Kategorie für Ermittlungen einführen", folgert Brodnig aus den Ergebnissen der Studie. Auch 77 Prozent der befragten Abgeordneten unterstützen den Vorschlag, misogyne Gewalt und Frauenhass als eigene Kategorie einzuführen.

Mehr Gerechtigkeit durch den Frühstarterbonus?

Mehr Gerechtigkeit durch den Frühstarterbonus?

Das Streichen der Hacklerregelung bedeutet eine Kürzung der Pensionsausgaben von 200 Millionen Euro alleine im Jahr 2022. Der stattdessen eingeführte Frühstarterbonus kostet im selben Jahr voraussichtlich gerade einmal rund 40 Millionen. Diese Pensionskürzung soll für mehr Gerechtigkeit im Pensionssystem sorgen. Vor allem für Frauen.

So gut wie keine Frau konnte die Hacklerregelung für sich in Anspruch nehmen. For men only, das kann doch 2021 nicht mehr sein. Dass Frauen, die heute Mitte 50 sind, in wenigen Jahren durch die Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen auf 65 von der “Hacklerregelung” genauso profitiert hätten, wird meist nicht dazu gesagt.

Stattdessen soll der Frühstarterbonus die Gerechtigkeitslücke im Pensionssystem schließen. Jeder und jede, der zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr gearbeitet hat, bekommt pro Arbeitsmonat zusätzlich einen Euro an Pension, maximal erhöht sich die Pension um 60 Euro im Monat.
Eine Gerechtigkeitslücke klafft zwischen Männern und Frauen im Pensionssystem tatsächlich. Denn Frauenpensionen sind beschämend niedrig. Frauen erhielten 2019 durchschnittlich um 41,9 Prozent weniger Pension als Männer. Während Männer also im Schnitt 1.811 Euro brutto pro Monat beziehen, bekommen Frauen gerade einmal 1.085 Euro. EU-weit liegen wir bei der Frauenpensionslücke auf dem traurigen vierten Platz. Dass man von netto 1.030 Euro schwer leben kann, liegt auf der Hand. Von Altersarmut sind Frauen folgerichtig dreimal häufiger betroffen als Männer.

Die höhere Pension von Männern erarbeiten die Frauen: Unbezahlt. Denn sie sind es, die zugunsten der Kinder ihre Berufstätigkeit aussetzen oder jahrelang Teilzeit arbeiten. Jedes Jahr, in dem deshalb nicht in die Pensionsversicherung eingezahlt werden kann, kostet den Frauen ihre Pension. Das gilt auch für jede Babypause. Weil Kinderbetreuungszeiten nur unzureichend angerechnet werden, liegt die Zahl der durchschnittlichen Beitragsjahre der neu zuerkannten Alterspensionen bei Frauen im Schnitt um zehn Jahre unter der von Männern. Eine Erwerbslücke von einem Jahr reduziert die spätere Monatspension um rund drei Prozent. Und weil Kinder auch nach der Karenz betreut werden wollen, und das in Österreich immer noch meist Frauensache ist, wächst das Pensionsminus mit der meist folgenden Teilzeitarbeit für Frauen weiter. Von den rund 1,88 Millionen erwerbstätigen Frauen in Österreich haben knapp 500.000 Kinder unter 15 Jahren. Etwa 77 Prozent von ihnen arbeiten Teilzeit, nur 23 Prozent Vollzeit.

Gerade bei Teilzeit-Zeiten anzusetzen, wäre einfach: Wenn heute jemand seine Arbeitszeit reduziert, um einen Angehörigen zu pflegen, kann er in Pflege-Teilzeit gehen. Der Bund springt ein, um die geringeren Pensionsbeiträge für den Betroffenen aufzufangen. Anders ist das für Eltern: Zwar können auch sie Eltern-Teilzeit beanspruchen, mit der dadurch entstehenden Pensionslücke lassen wir sie aber allein. Eine Regelung analog zur Pflege-Teilzeit würde Frauenpensionen nachhaltig erhöhen und darüber hinaus die Kinderbetreuung auch für Väter attraktiver machen.

Die Pensionsreformen der letzten Jahre haben die Lage für Frauen zusätzlich erschwert. Wurden früher nur die besten 15 Jahre mit dem höchsten Einkommen zur Bemessung der Pension herangezogen, werden seither alle Berufsjahre dafür herangezogen. Im Vergleich zum alten Pensionssystem machen die Verluste für Frauen schon heute bis zu einem Viertel ihrer gesamten Pension aus.

Ein Maßnahmenbündel im Kampf gegen weibliche Altersarmut tut also durchaus dringend Not. Der Frühstarterbonus kann eine Maßnahme davon sein. Besonders wirkungsvoll ist sie nicht. Viel dringlicher wäre die höhere Anrechenbarkeit von Kinderbetreuungszeiten. Entscheidend wäre auch, die Anrechenbarkeit des Partnereinkommens beim Bezug der Ausgleichszulage zu streichen. Zwei von drei Menschen, die Ausgleichszulage erhalten, weil ihre eigene Pension unter 966,65 Euro liegen würde, sind Frauen. Eine vom Partner unabhängige Ausgleichszulage würde die Pensionen wie die Unabhängigkeit von Frauen nachhaltig erhöhen.

Wer Frauen vor Altersarmut bewahren und das Pensionssystem sozial gerechter gestalten will, kann an vielen Stellschrauben drehen. Das wird aber mehr, und nicht weniger kosten. Die Hacklerregelung, von der in wenigen Jahren auch Frauen profitieren würden, muss man dafür nicht abschaffen. Man kann natürlich der Meinung sein, dass 45 Arbeitsjahre nicht genug sind, um ohne Abschläge in Pension zu gehen. Dann sollte man aber auch den Mut haben, dass klar auszusprechen und sich nicht hinter den Frauen verstecken.

Ein Gender-Gap kommt selten allein

Die enorme Lohnschere zwischen den Geschlechtern verringert auch Pensionen, Arbeitslosengeld und Vermögen von Frauen.

Die Hälfte unserer Bevölkerung ist mit einer gravierenden Ungleichheit konfrontiert: Frauen verdienen im Mittel um 37 Prozent weniger als Männer. Daran hat sich auch in den letzten 20 Jahren kaum etwas geändert. Darüber diskutiert wird jedoch nur einmal im Jahr – am heutigen Equal Pay Day. Der enorme Unterschied beim Einkommen ist aber nicht nur ein Maßstab für die immer noch nicht erreichte Gleichberechtigung von Frauen, er zieht auch handfeste Nachteile in vielen Lebenssituationen nach sich. Die beschämend niedrigen Frauenpensionen sind nur ein Beispiel. Auch bei Jobverlust bekommen Frauen deutlich weniger als Männer. Darüber hinaus können sie auch viel schwieriger Vermögen aufbauen.

An dieser Stelle ein Blick auf die Zahlen: Die Hälfte der Frauen verdiente im Jahr 2018 weniger als 22.000 Euro brutto, die Hälfte der Männer weniger als 34.700 Euro. Bei der Differenz handelt es sich um den sogenannten „unbereinigten“ Gender Pay Gap. Er berücksichtigt nicht, dass Frauen oft Teilzeit arbeiten, in schlecht bezahlten Branchen tätig sind, oder seltener Führungspositionen innehaben.

Strukturelle Benachteiligungen

Nun wird gerne darauf verwiesen, dass die Lohnschere in Wahrheit ja gar nicht so groß sei, wenn man diese Faktoren berücksichtige. Der darum „bereinigte“ Gehaltsunterschied ignoriert aber einerseits die strukturellen Benachteiligungen von Frauen - Stichwort mangelnde Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Pflege von Angehörigen, gläserne Decke. Andererseits weist er den Frauen auch noch selbst die Schuld für die Misere zu. Dramatisch ist die Lücke bei den Pensionen: weniger Beitragsjahre kombiniert mit geringerem Einkommen ergeben einen Gender Pension Gap von satten 39 Prozent. Die Folge: Altersarmut und finanzielle Abhängigkeit vom Partner. Auch bei Arbeitslosigkeit bekommen Frauen im Mittel ganze acht Prozent weniger.

Die Benachteiligung von Frauen manifestiert sich aber noch woanders: Vergleicht man Singles, die geerbt haben, zeigt sich, dass Frauen im Mittel um 36 Prozent beziehungsweise 21.900 Euro weniger bekommen. Deutlich niedrigere Erbschaften und geringere Einkommen erklären, warum Frauen viel weniger Vermögen besitzen. Die Differenz zu den Männern beträgt auch hier ganze 29 Prozent oder 12.900 Euro.

Eine Welt ohne Gender-Pay-Gap bleibt Science-Fiction

Für die Überwindung der finanziellen Ungleichbehandlung von Frauen und Männern gibt es keine einfache Lösung. Solange wir aber unbezahlter Arbeit in den Bereichen Pflege, Erziehung und Kinderbetreuung nicht einen höheren gesellschaftlichen und monetären Wert beimessen, wird sich daran nichts ändern. Die Politik könnte aber zumindest die Rahmenbedingungen enorm verbessen: Mehr kostenlose Kinderbetreuungsmöglichkeiten, die stärkere Berücksichtigung von Erziehungs- und Pflegezeiten, die starke Erhöhung der Mindestpensionen sowie die Einführung einer 30-Stunden-Woche wären wichtige Schritte in diese Richtung. Denn geht es im bisherigen Tempo weiter, wird sich die finanzielle Gleichstellung der Frauen noch bis ins Jahr 2485 ziehen.