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/ 4. April 2022

Die Zeit der Corona-Wirtschaftshilfen ist vorbei. Mit mehr als 40 Milliarden Euro hat die öffentliche Hand eingegriffen. Dank der entschlossenen Reaktion ist Österreichs Wirtschaft schnell aus der Krise gekommen. Vom Steuergeld profitiert haben auch große Unternehmen und deren Eigentümer:innen, vielerorts sprudeln die Gewinne. An der Rückzahlung der dafür aufgenommenen Verbindlichkeiten beteiligen sich aber ausgerechnet die Reichsten viel weniger stark, als sie sollten. Ein Grund: Das Steuersystem.

Steuersystem verstößt gegen Grundsätze der Steuergerechtigkeit

Was haben der reichste Mensch Österreichs und eine angehende Kindergartenpädagogin gemeinsam? Sie zahlen beide etwas mehr als ein Viertel ihres Einkommens an Steuern und Abgaben. Der Grund dafür liegt in der Struktur unseres Steuersystems. Es behandelt Kapitaleinkommen äußerst schonend.

Doch das muss nicht so sein. Aus theoretischer Sicht sollte ein Steuersystem zwei Grundsätze erfüllen: Erstens, gleich hohe Einkommen sollten gleich besteuert werden, egal ob sie aus Arbeit oder aus Vermögen stammen. Zweitens, höhere Einkommen sollten stärker besteuert werden, weil sie mehr zur Gemeinschaft beitragen können. Ein solches Steuersystem würde als progressiv bezeichnet werden und hätte Umverteilung zur Folge.

In Österreich wird gegen beide Grundsätze verstoßen. Progressiv besteuert wird nur Arbeitseinkommen: Ein Existenzminimum bleibt steuerfrei, ab einer Million sind 55 % fällig, dazwischen steigt der Steuersatz stufenweise an. Kapitaleinkommen wird hingegen mit einer „Flat-Tax“ von 27,5 % besteuert, am Sparbuch 25 %. Einerlei, ob 20 Cent oder 200 Millionen. Nur wer sehr wenig verdient, hat die Möglichkeit, den Einkommensteuersatz zu bezahlen.

Kapitaleinkommen wird von Steuersystem geschont

Für ein Jahreseinkommen von 100.000 Euro aus Arbeit sind knapp 39.000 Euro an Steuern und Abgaben zu bezahlen. Für das gleiche Vermögenseinkommen – Gewinne aus Aktienspekulation, Ausschüttungen von Unternehmen, Zinsen aus der Geldanlage – werden nur 27.500 Euro abgezogen. Eine Erbschaft oder Schenkung ist fast steuerfrei. Bei Ausschüttungen der Unternehmen wird gerne entgegnet, dass zuvor auf Unternehmensseite die Körperschaftsteuer anfalle. Doch bei weitem nicht alle Vermögenseinkommen stammen aus Unternehmensgewinnen, viele aus dem Ausland, in denen sie oft niedriger oder gar nicht besteuert werden. Zudem haben weder Arbeitnehmer:innen noch EPUs die Möglichkeit, fast die Hälfte ihrer Steuerschuld jahrelang aufzuschieben und zwischenzeitlich für sich arbeiten zu lassen.

Um die progressive Wirkung des Abgabensystems einzuschätzen, darf man weiters nicht auf Sozialversicherungsbeiträge und Konsumsteuern vergessen. Bezieht man sie mit ein, tragen Menschen mit höheren Einkommen relativ kaum mehr bei als jene mit niedrigen: im Schnitt rund 47 % vom Einkommen. Niedrigverdiener:innen bezahlen zwar weniger Lohnsteuer. Sie müssen aber von ihrem Einkommen mehr zum Leben ausgeben, womit sie die Mehrwertsteuer stärker trifft. Bei den allerreichsten Österreicher:innen wiederum ist beinahe ausschließlich die niedrige Kapitalertragsteuer relevant.

Bis 1983 wurden Kapitaleinkommen übrigens mit der Einkommensteuer progressiv besteuert. Der Haken war das Bankgeheimnis, die Folge ein niedriges Steueraufkommen. Es spräche im Zeitalter der Digitalisierung wenig dagegen, Informationen zu Kapitaleinkommen automatisiert an das Finanzamt weiterzuleiten, wie es bei Arbeitseinkommen selbstverständlich ist. Man müsste freilich wollen. Unser Steuersystem so zu gestalten, dass auch sehr hohe Kapitaleinkommen einen gerechten Steuerbeitrag leisten, ist eine politische Entscheidung. Aus ökonomischer Sicht spricht nichts dagegen.

 

Dieser Text von Ökonom und Momentum-Fellow Mattias Muckenhuber erschien zunächst in der "Presse".

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