Symbolbild für Verteilung im Fokus-Verteilungsgerechtigkeit
/ 3. April 2023

Das ökosoziale Momentum Institut präsentiert die Ergebnisse einer neuen repräsentativen SORA-Studie. Die Datengrundlage ist eine Befragung von 2.000 Menschen ab 16 Jahren mit Wohnsitz in Österreich im Zeitraum Juli bis September 2022. Für die Durchführung der Befragung wurde ein standardisierter Fragebogen entwickelt. Abgefragt wurden:
-    Die Haltung der Menschen zur Einkommens- und Vermögensverteilung
-    Ihre Bewertung ausgewählter politischer Vorhaben in den Politikfeldern Steuern, Arbeit und Soziales
-    Soziodemografische Merkmale, um (ökonomische) Ungleichheit auch innerhalb der Befragten abbilden zu können. Die Befragten wurden in drei Klassen  (obere, mittlere, untere) kategorisiert.

Zentrale Erkenntnisse

  • Drei Viertel der Menschen in Österreich finden, dass das politische System nicht funktioniert.
  • 7 von 10 Menschen in Österreich sind davon überzeugt, dass bei uns Einkommen und Vermögen ungerecht verteilt sind. Diese Einschätzung zieht sich durch alle Klassen. In den unteren Klassen fällt dies noch einmal deutlich stärker aus als in den oberen.
  • Zwei Drittel der Bevölkerung befürworten die Einführung einer Vermögenssteuer. Auch die Erhöhung der Steuern auf Unternehmensgewinne wird von der Mehrheit gewünscht.
  • 8 von 10 Menschen sind für die Senkung der Steuer auf Lebensmittel.
  • Knapp 9 von 10 Menschen sprechen sich für Lohnerhöhungen in Branchen mit niedriger Bezahlung und für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in besonders anstrengenden Berufen aus.
  • 4 von 5 Personen befürworten Richtlinien und Angebote für Unternehmen, damit Ältere bis zur Pension gesund arbeiten können.
  • Die Angehörigen der unteren Klasse befürworten häufiger eine dauerhafte Erhöhung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld.
  • Eine deutliche Mehrheit befürwortet die Stärkung von Bildungschancen (81%) und den Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Armut (77%).

Die gesamte SORA-Studie zum Download

7 von 10 kritisieren Verteilung von Vermögen und Einkommen als ungerecht

Mit jeweils rund 70% ist die überwiegende Mehrheit der Menschen in Österreich davon überzeugt, dass Einkommen und Vermögen ungerecht verteilt sind. Diese Einschätzung zieht sich durch alle Klassen, wobei das Urteil in den unteren Klassen noch einmal deutlicher ausfällt als in den oberen. Die untere Klasse umfasst mit den unteren 50 Prozent der Einkommen die Hälfte der Bevölkerung (über 16 Jahren). 73% empfinden Einkommen in Österreich als ungerecht verteilt, dem stimmen 58% der oberen Klassen zu. Hinsichtlich der Verteilung von Vermögen fällt der Unterschied etwas geringer aus.

Spannend ist der Zusammenhang mit dem Vertrauen in das politische System: Wer die Einkommens- und Vermögensverteilung als ungerecht ansieht, zweifelt häufiger an der Funktionsfähigkeit des politischen Systems. Ein naheliegendes Urteil, da 84% die Verantwortung für die Verringerung bestehender Einkommensunterschiede bei der Politik verorten. Hier sehen mehrheitlich über alle Klassen hinweg die Politik in der Verantwortung.

Steuern: Deutliche Mehrheit für Vermögenssteuer

Mit jeweils vier Fünftel (80%) spricht sich eine deutliche Mehrheit für eine Senkung der Steuer auf Lebensmittel und für Steuersenkungen für Beschäftigte aus. Die Einführung einer Vermögenssteuer befürworten zwei Drittel. Auch die Erhöhung der Steuern auf Unternehmensgewinne wird von der Mehrheit (55%) unterstützt.

Etwas geringer ist die Zustimmung zu Erbschafts- und klimabezogenen Steuern: Jeweils knapp die Hälfte spricht sich dafür, jedoch auch ein (knappes) Drittel dagegen aus. Weniger eindeutig als bei Gewinnsteuern ist außerdem die Meinung gegenüber generellen Steuersenkungen für Unternehmen: Ein Drittel ist dafür, ein weiteres Drittel ist dagegen und ein Viertel gibt hierzu keine Meinung ab.

Unterschiedliche Einschätzungen nach Klassen

Auch in der Steuerpolitik zeigt sich klassenübergreifende Übereinstimmung. Die Klassen unterscheiden sich jedoch zum Teil im Ausmaß ihrer Zustimmung: Die unteren Klassen und die Mittelklassen – also die unteren 90% – votieren häufiger als die oberen Klassen (10%) für Steuersenkungen auf Lebensmittel und Steuererhöhungen auf Unternehmensgewinne. Die Mittelklassen unterstützen außerdem häufiger als die oberen Klassen die Einführung einer Vermögenssteuer.
 
In jeder Klasse unterstützen zumindest drei Viertel Steuersenkungen für Beschäftigte, zumindest zwei Drittel sprechen sich für eine Senkung der Steuer auf Lebensmittel aus und zumindest 60% votieren für die Einführung einer Vermögenssteuer. Auch das Vorhaben, Unternehmensgewinne stärker zu besteuern, findet in jeder Klasse eine Zustimmung von etwas über 50%.

 

Arbeit: Knapp neun von zehn Menschen für höhere Löhne in Branchen mit niedriger Bezahlung

Jeweils knapp neun von zehn Menschen in Österreich sprechen sich für Lohnerhöhungen in Branchen mit niedriger Bezahlung (87%) und für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in besonders anstrengenden Berufen (88%) aus. 84% unterstützen die Forderung nach Richtlinien und Angeboten für Unternehmen, damit diese alten- bzw. altersgerechte Arbeitsplätze schaffen können. Demgegenüber befürworten nur 27% strengere Bestimmungen für die älteren Arbeitnehmer:innen, 51% sprechen sich gegen solche aus.

In den Haltungen der Bevölkerung zeigt sich der Paradigmenwechsel beim Thema Arbeitslosigkeit. Sie wird weniger als Problem des Arbeitsmarktes, sondern als individuelles Defizit betrachtet. So befürworten 69% mehr finanzielle Mittel für Umschulungen, damit Menschen leichter eine neue Stelle finden, wenn ihr Arbeitsplatz aufgrund arbeitsmarktbezogener Entwicklungen verloren geht. Eine beinahe ebenso eindeutige Mehrheit von 62% befürwortet strengere Bestimmungen für arbeitslose Menschen – sie sollen schneller eine neue Arbeit annehmen müssen. Dass es demgegenüber mehr Unterstützung für Arbeitslose geben soll, damit diese nicht nur schnell einen neuen Arbeitsplatz, sondern auch eine für sie passende Arbeit finden, denkt rund die Hälfte der Bevölkerung (52%). Mit 56% spricht sich schließlich die Mehrzahl gegen das Vorhaben aus, Einwanderungsbestimmungen zu lockern, um neue Arbeitskräfte ins Land zu holen.

In jeder Klasse unterstützen jeweils zumindest vier Fünftel die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in besonders anstrengenden Berufen, Lohnerhöhungen in Branchen mit geringer Bezahlung und Richtlinien bzw. Angebote für Unternehmen, damit Ältere bis zur Pension arbeiten können.

Grundlegende Meinungsunterschiede zwischen den Klassen gibt es auch beim Thema Arbeit nicht. Die unteren Klassen und die Mittelklassen – also die unteren 90% – stimmen jedoch häufiger als die oberen Klassen für mehr Unterstützung für arbeitslose Menschen, für mehr Investitionen in Umschulungen, gegen strengere Regeln für ältere Beschäftigte und gegen eine Erleichterung der Einwanderungsbestimmungen. Außerdem unterstützen die Mittelklassen häufiger als die oberen Klassen Richtlinien und Angebote für Unternehmen zur Schaffung von altersgerechten Arbeitsplätzen, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in besonders anstrengenden Berufen und strengere Bestimmungen für arbeitslose Menschen. 

Soziales: Untere Klassen häufiger für höhere Sozialhilfe und höheres Arbeitslosengeld

In der Bevölkerung besonders hohen Zuspruch findet ein chancengerechteres Bildungssystem: Rund vier Fünftel (81%) befürworten Maßnahmen zur Verbesserung der Bildungschancen für Kinder mit schlechteren Startbedingungen. Ebenfalls breite Unterstützung findet die dauerhafte Aufstockung der finanziellen Leistungen für Familien (70%) und für die Mittelschicht (69%).

Der Großteil der Bevölkerung (77%) ist sich darüber einig, dass Menschen besser vor Diskriminierung aufgrund von Armut geschützt werden sollen. Bei dauerhaften Erhöhungen von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld gehen die Meinungen stärker auseinander. Menschen, die aufgrund ihres niedrigen Einkommens öfter auf Sozialleistungen angewiesen sind und Armutserfahrungen gemacht haben, sind eher für eine dauerhafte Erhöhung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld. Rund die Hälfte der Menschen (48%) aus der unteren Klasse sprechen sich für eine dauerhafte Erhöhung der Sozialhilfe aus. In der oberen Einkommenshälfte ist die Zustimmung dagegen geringer.

Dauerhaft mehr Unterstützung für Menschen mit hohen Einkommen und Vermögen wird dagegen von 77% der Befragten abgelehnt, wobei die Ablehnung in jeder Klasse mindestens 70% beträgt. Im Gegensatz dazu soll die Mitte der Gesellschaft gestärkt werden – in jeder Klasse unterstützen zumindest 60% dauerhaft mehr Geld für die Mittelschicht und für Familien.

Die Ökonom:innen des Momentum Instituts empfehlen auf Basis der Studienergebnisse folgende Maßnahmen

Die Reduktion von Ungleichheiten sollte stärker in den Fokus von Arbeits-, Sozial und Steuerpolitik rücken. Im Bereich der Steuerpolitik ist dabei nicht nur ein besseres Gleichgewicht zwischen arbeits- und vermögensbezogenen Steuern wichtig. Solide Steuereinnahmen bilden die Basis für Zukunftsinvestitionen und einen armutsfesten Sozialstaat. Eine Senkung von arbeits- und konsumbezogenen Steuern sollte daher über höhere vermögensbezogene Steuern gegenfinanziert werden. Konkret bedeutet das:

  • Einführung von Erbschafts- und Vermögenssteuern.  
  • Erhöhung der Steuern auf Unternehmensgewinne. Seit diesem Jahr wird sukzessive die Körperschaftsteuer gesenkt, das sollte revidiert werden und über das alte Niveau von 25 Prozent angehoben werden.


Zusätzlich zu einem fairen und soliden Steuersystem, sollten Ungleichheiten durch mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem, einem Abbau von Diskriminierungen und dem Schutz von Armut verringert werden. Gelingen kann das über ein besser finanziertes und anders strukturiertes Schulsystem und einen armutsfesten Sozialstaat. Das bedeutet konkret:

  • Flächendeckende Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr und Ausbau der Ganztagsschulen.
  • Mehr gemeinsame Schuljahre für alle Kinder, um die frühzeitige soziale Selektion im Schulsystem zu verringern.
  • Mehr finanzielle und personelle Ressourcen im Bildungssystem – vor allem für besonders stark geforderte Schulstandorte.
  • Sozialleistungen über die Armutsgefährdungsschwelle heben.
  • Umsatzsteuer auf Grundnahrungsmittel senken (jedenfalls für die Dauer der Teuerungskrise)


In Branchen mit besonders belastenden Berufen, insbesondere in den Schlüsselbereichen Pflege und Bildung, braucht es bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Konkret:

  • Flächendeckender kollektivvertraglicher Brutto-Mindestlohn von € 2.000 pro Monat.
  • Mehr Unterstützung bei der Arbeitssuche und Umschulungen
  • Altersgerechte hochqualitative Arbeitsplätze für gesundes Arbeiten bis zur Pension.

 

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