Am 29. September wird in Österreich ein neuer Nationalrat gewählt. Doch bei weitem nicht alle, die in Österreich leben und arbeiten dürfen auch wählen und somit ihre demokratischen Vertreter:innen bestimmen. In Österreich sind aktuell 18 Prozent der erwerbstätigen Personen nicht wahlberechtigt, in Wien sind es sogar 32 Prozent. Auch gibt es große Unterschiede nach Einkommen und Berufsgruppe dahingehend, wer überhaupt wählen darf. Das beeinflusst unsere Demokratie. Denn: Wenn ein großer Teil der schlechter bezahlten Arbeiter:innen nicht mitbestimmen darf, werden ihre Anliegen weniger wahrgenommen.
Gleichzeitig entsprechen auch die Parlamentarier:innen nicht dem Durchschnitt der österreichischen Bevölkerung. So sind auf den Listen der österreichischen Parteien überdurchschnittlich viele gut gebildete Menschen und Selbstständige. Auch das beeinflusst die Positionen, die vertreten werden. In diesem Policy Brief analysieren wir das Wahlrecht sowie die demokratische Vertretung jeweils im Zusammenhang mit Bildung und der Stellung auf dem Arbeitsmarkt jeweils anhand der Internationalen Standardklassifikation der Berufe (ISCO-08). Zur Analyse werden jeweils die Top 50 der Listen herangezogen, sind weniger auf der Liste, wurden alle miteinbezogen.
In Österreich leben und arbeiten viele Menschen, die nicht wählen dürfen, da sie keine österreichische Staatsbürgerschaft haben. Seit den 1970er Jahren ist dieser Anteil von knapp fünf Prozent auf rund 20 Prozent gestiegen. Jeder fünfte Mensch, der in Österreich arbeitet, darf demnach nicht an nationalen demokratischen Prozessen teilnehmen.
Eine Analyse anhand des Mikrozensus aus dem Jahr 2022 zeigt etwa, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Bruttostundenlohn und der Wahlberechtigung gibt. So besitzen im obersten Einkommenszehntel knapp 11 Prozent der Erwerbstätigen keine österreichische Staatsbürgerschaft, während es im untersten Zehntel rund 32 Prozent sind.
Neben dem Einkommen ist auch die Vertretung nach Berufsgruppen sehr ungleich. Analysiert man die Wahlberechtigung nach den ISCO-08 Hauptberufsgruppen, zeigt sich ein eindeutiges Bild: So ist etwa unter den Hilfsarbeitskräften fast die Hälfte nicht wahlberechtigt.
Auch bei den Bediener:innen von Maschinen und Anlagen dürfen fast 30 Prozent nicht wählen. Auf der anderen Seite ist der Anteil der Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft bei Techniker:innen, oder Führungskräften deutlich geringer, von ihnen dürfen nur 12 bzw. 16 Prozent in Österreich nicht wählen.
Die Analyse der aktuellen Listen für die Nationalratswahl 2024 zeigt zunächst: Auf den Listen der österreichischen Parteien sind überdurchschnittlich viele Menschen mit Studium vertreten. Mit 48 Prozent hat knapp die Hälfte studiert oder befinden sich zurzeit in einem Studium, während hingegen nur 21 Prozent der Bevölkerung studiert haben.
Betrachtet man die (akademischen) Titel, die auf den Listen angegeben wurden, so geben 33 Prozent der Kandidat:innen einen Titel an: 21 Prozent haben einen Bachelor bzw. Master-Abschluss, 12 Prozent ein Doktorat abgeschlossen. Im Unterschied dazu haben 20 Prozent der Bevölkerung einen Bachelor bzw. Master und nur 1 Prozent einen Doktor:innen-Titel.
Diese Schieflage setzt sich bei den Berufen der Kandidat:innen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung fort: Während 31 Prozent der Personen auf den Listen zur Nationalratswahl eine Führungsposition innehaben, sind es in der Bevölkerung lediglich 4 Prozent.
Weitere 37 Prozent der Kandidat:innen sind in akademischen Berufen tätig, in der Bevölkerung sind es nur 18 Prozent. Im Dienstleistungsbereich sind im Unterschied dazu nur 4 Prozent der zukünftigen Parlamentarier:innen tätig, in der Bevölkerung jedoch 20 Prozent. Auch in den Bereichen, Handwerk, Maschinenbedienung und Hilfsarbeit sind lediglich 4 Prozent der Kandidat:innen im Unterschied zu 32 Prozent der Gesamtbevölkerung erwerbstätig.
Weitere Analysen finden sich im PDF.