Corona-Pandemie

Zwei Jahre Corona

Corona

Die Corona-Pandemie hat die Welt seit dem Ausbruch vor zwei Jahren im Jahr 2019 in eine beispiellose Gesundheits- und Wirtschaftskrise befördert. Weltweit forderte das Virus mehr als 6 Millionen Tote und unzählige Menschen leiden nach wie vor an den (Langzeit-)Folgen einer COVID-19-Erkrankung. In Österreich wurden seit Ausbruch der Krise mehr als 14.000 Tote gemeldet, insgesamt wurden seit Februar 2020 rund 2,5 Millionen Menschen positiv auf das Virus getestet.

Auch die wirtschaftlichen Folgen der Krise waren verheerend: Zeitweise waren über eine halbe Million Menschen in Österreich arbeitslos, trotz Kurzarbeit. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im Jahr 2020 um 6,7 Prozent, Lockdowns und Lieferengpässe stellen Betriebe und Beschäftigte bis heute vor große Herausforderungen. 

Das Momentum Institut hat seit Ausbruch der Corona-Krise zahlreiche Berechnungen, Analysen und Grafiken erstellt, die die Auswirkungen von Corona auf die Gesellschaft, die Vielen, das Klima und die Wirtschaft verdeutlichen. Dieses Dokument bietet einen Überblick und liefert drei Learnings, was wir nach der Pandemie besser machen müssen. 

Diese Lücken hat uns Corona aufgezeigt: 

  • Die Reproduktionsarbeit hängt nach wie vor zum Großteil an Frauen: Schutz für Frauen und Ausbau der Kinderbetreuung wichtiger denn je

Kinderbetreuung und Homeschooling während der Schulschließungen, Pflege von Angehörigen und Reproduktionsarbeit im Allgemeinen – all das haben während der Pandemie mehrheitlich Frauen geleistet. Nicht zu vergessen der hohe Frauenanteil in den klassischen Systemerhalter:innenberufen. Kurz: viel Leistung für wenig Geld. Frauen haben die Krise mehrheitlich gestemmt, aber gleichzeitig mehr an Einkommen verloren. Diese Schieflage müssen wir nach der Pandemie endlich beheben. Dazu braucht es:

  • Sicherstellung von flächendeckender, umfassender und kostenloser Kinderbetreuung
  • Verpflichtende Väterkarenz
  • Ausbau der öffentlichen Beschäftigung in systemrelevanten und gesamtwirtschaftlich sinnvollen Bereichen bei einem Mindestlohn von EUR 1.800 brutto
  • Höhere Bewertung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten
  • Unternehmen wurde großzügiger geholfen als Arbeitslosen: Schutz vor Armut muss endlich gewährleistet werden

Die Devise „koste es was es wolle“ traf in den letzten beiden Jahren nur teilweise zu. Während es für Arbeitslose, trotz größter Arbeitsmarktkrise seit Jahrzehnten lediglich Einmalzahlungen gab, flossen mehr als EUR 12 Mrd. direkt an Unternehmen. Durch die schlechte Auskonzipierung der Hilfsinstrumente kam es so vielerorts zu Überförderung und Gewinnsubventionierung über Steuergeld. Demgegenüber stehen 18 Prozent der Menschen in Österreich, die an oder unter der Armutsgefährdungsschwelle leben. Um hier für einen besseren Ausgleich zu sorgen braucht es:

  • Erhöhung Arbeitslosengeld auf 70 Prozent Nettoersatzrate
  • Armutsfeste Sozialleistungen
  • Corona-Gewinnsteuer für Unternehmen, die trotz staatlicher Hilfe Gewinne erzielten
  • Benachteiligungen im Bildungssystem verdeutlicht: von gleichen Voraussetzungen sind wir weit entfernt

Lockdowns und Homeschooling haben verdeutlicht, wie ungleich die Voraussetzungen in unserem Bildungssystem sind. Von der Volksschule bis zur Universität: Wer einen stärkeren finanziellen Hintergrund hat, tat sich leichter, diese zwei schwierigen Jahre zu meistern. Sei es die mangelnde schulische Unterstützung zu Hause, der fehlende Lernplatz, oder der Wegfall des Nebenjobs – hier müssen wir künftig verstärkt denen unter die Arme greifen, die es nötig haben.

  • Längere Betreuungszeiten und Ausbau Kinderbetreuung generell
  • Bildungsbezogene Familienbeihilfen so gestalten, dass alle Einkommensgruppen profitieren
  • Aufwertung der Elementarpädagogik

Fazit: Die Krise bezahlen die Vielen

Die Coronakrise hat auf vielen Ebenen Ungleichgewichte erzeugt und bestehende verdeutlicht. Die staatliche Unterstützung erfolgte zwar rasch, setzte aber mitunter die falschen Schwerpunkte. Über die Hälfte der öffentlichen Hilfsgelder kamen bislang Unternehmen zugute. Frauen, Arbeitslose und Haushalte an oder unter der Armutsgefährdungsschwelle verloren hingegen sogar an Einkommen. Die Finanzierung der Hilfsprogramme erfolgt jedoch zu drei Vierteln über Steuern und Abgaben auf Arbeit und Konsum. Mittel- und langfristig gilt es an den Stellschrauben unseres Steuersystems zu drehen. Hier müssen endlich Vermögen und große Unternehmen einen stärkeren Beitrag leisten, um den Faktor Arbeit zu entlasten. Das galt bereits vor der Pandemie, ist für eine gerechte Verteilung der Krisenkosten aber umso unerlässlicher.

 

Lockdown für alle kostet 117 Millionen Euro täglich

Lockdown

Ein österreichweiter Lockdown für alle steht unmittelbar bevor. Nach einigen Tagen Lockdown nur für Ungeimpfte, der Österreich durch entgangene Wirtschaftsleistung geschätzt schon 41 Million Euro pro Tag gekostet hat, lassen hohe Corona-Fallzahlen, die Überlastung der Intensivstationen und die Ankündigung eines Lockdowns in Oberösterreich und Salzburg wenig anderen Handlungsspielraum. Der Lockdown für alle (geimpft + ungeimpft) kostet der österreichischen Wirtschaft rund 117 Millionen Euro täglich. Allein ein zweiwöchiger Lockdown verursacht bereits einen Verlust der Wirtschaftsleistung von rund 1,6 Milliarden Euro.

Bundesländer unterschiedlich stark von Lockdownkosten betroffen

Die einzelnen Bundesländer sind sehr unterschiedlich von den Lockdownkosten getroffen. Relativ zur regionalen Wirtschaftsleistung muss allein Tirol 17 Prozent an täglicher Wirtschaftsleistung einbüßen. Auch Salzburg wird durch einen harten Lockdown 15 Prozent der täglichen Wirtschaftsleistung verlieren.

Der Lockdown für alle trifft auch Branchen unterschiedlich stark

Ein bundesweiter Lockdown für alle trifft manche Branchen härter als andere. Dienstleistungen, sowie Beherbergung und Gastronomie müssen mit den höchsten Ausfällen von bis zu 67 Millionen Euro täglich rechnen, während die Industrie mit 4,9 Millionen Euro täglich nur eher geringfügig betroffen ist.

Die Ausfälle der einzelnen Branchen verteilen sich über die jeweiligen Bundesländer unterschiedlich stark. Beherbergung und Gastronomie in Tirol und Wien würde am stärksten leiden – dafür ist zum Teil der Tourismus verantwortlich. Hier würden knapp 12 Millionen Euro in Tirol und 8 Millionen Euro in Wien täglich fehlen. Der wirtschaftliche Schaden in dieser Branche fällt in Oberösterreich, der Steiermark und Niederösterreich hingegen eher gering aus, was am höheren Industrieanteil in diesen Bundesländern liegt.

Im Vergleich hätte ein Lockdown nur für Ungeimpfte 41 Millionen Euro täglich an österreichischer Wirtschaftsleistung gekostet. Wesentlich kostengünstiger und mit dem Potenzial, die Impfbereitschaft zu erhöhen, um Österreichs Durchimpfungsrate voranzutreiben (Stand 19.11.2021: 65,6 Prozent der Gesamtbevölkerung) ist eine Impfprämie von 500 Euro. Denn die Kosten einer 500-Euro-Impfprämie (die an den Zweit- bzw. Drittstich geknüpft ist) von insgesamt rund 4 Milliarden Euro fallen deutlich günstiger aus als ein langer Lockdown. Ein solcher würde mit 16,5 Milliarden Euro mehr als vier Mal so viel kosten.

Für die Schätzung der Lockdown-Kosten wird von der Annahme ausgegangen, dass nach der aktuellen Welle eine fünfte Welle ab Ende Dezember 2021 auftritt – vergleichbar mit Winter 2021/22. Dann würden erneut 7 Wochen harter und 7 Wochen leichter Lockdown notwendig. Die Schätzung beinhaltet den Verlust an Wirtschaftsleistung sowie die Kosten des Staates für Wirtschaftshilfen, die erst später zurückbezahlt werden müssen. Die volkswirtschaftlichen Kosten der teils chronisch Erkrankten und Toten sind in der Rechnung nicht enthalten.

Unsichere Corona-Situation zu Schulbeginn macht Sonderbetreuungszeit notwendig

Schulklasse-Corona-Situation-Sonderbetreuungszeit-Schulschließungen

Seit Anfang August steigt die Inzidenz insbesondere bei den Kindergarten- und Volksschulkindern wieder stärker an. Mangels zugelassener Impfung für Kinder unter 12 Jahren drohen infektionsbedingte Schließungen von Kindergartengruppen und Schulklassen im Herbst und Winter. Um Eltern in diesem Fall bei der Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen, empfiehlt das Momentum Institut die Wiedereinführung des im Juli ausgelaufenen Rechtsanspruchs auf Sonderbetreuungszeit.

Infektionszahlen steigen mit Schulbeginn

Während die 7-Tagesinzidenz in der Gesamtbevölkerung laut Daten des Gesundheitsministeriums aktuell rund 2,7-mal so hoch ist wie noch Anfang August, stieg sie in der Gruppe bei den 0–14-Jährigen im gleichen Zeitraum doppelt so stark an. Dieser Anstieg könnte sich zu Schulbeginn noch verstärken, wie ein Blick nach Deutschland zeigt. Dort hat in einigen Bundesländern die Schule bereits im August wieder begonnen. In ebendiesen Bundesländern zeigt sich im Vergleich zu den übrigen Bundesländern ein stärkerer Anstieg der Infektionszahlen bei Kindern. 

Schulschließungen korrelieren mit Inzidenz bei Kindern

In Österreich könnte sich die Situation ähnlich entwickeln. Damit dürften auch Gruppen- bzw. Klassenschließungen wieder ein Thema werden. Auch hier hilft ein Blick nach Deutschland, wo im Unterschied zu Österreich Daten zu coronabedingten Schließungen in Kinderbetreuungseinrichtungen (Kindergärten und Horte) verfügbar sind. Die Zahl der Schließungen korrelierte dort eng mit der Inzidenz der Kinder unter 14 Jahren.

Vor allem Mütter übernehmen Kinderbetreuung

Im Falle von plötzlichen Klassenschließungen müssen viele Eltern damit erneut ganztägig die Kinderbetreuung übernehmen. Die Betreuungsarbeit dürfte dabei vor allem wieder auf Mütter zukommen. Schon im letzten Jahr wurde die Betreuungsarbeit großteils von Müttern übernommen. Das spiegelt sich auch in der Arbeitszeit wider. Wie Studien zeigen, sank die Wochenarbeitszeit von Müttern um 22–30 Prozent, wenn die Kinder von Schulschließungen betroffen waren. Damit sinkt auch das Einkommen von Müttern.

Momentum Institut empfiehlt Sonderbetreuungszeit

Das Momentum Institut empfiehlt die Wiedereinführung der Sonderbetreuungszeit sowie des Rechtsanspruchs darauf. Wie schon im Vorjahr soll dies mit einer Lohn- und Gehaltsfortzahlung von 100 % einhergehen. Die Lohnkosten sollen den Arbeitgeber:innen dabei durch den Staat ersetzt werden.

Schulschließungen: Corona-Pandemie beeinflusst besonders Arbeitszeit von Müttern

Leeres Klassenzimmer_Schulschließungen

Die Corona-Pandemie und die dadurch zusätzlich notwendige Kinderbetreuung drohen jahrzehntelange Fortschritte bei der Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen rückgängig zu machen. Bestehende Geschlechterrollen in Bezug auf die Aufteilung von unbezahlter Arbeit in Haushalten können dadurch verstärkt werden. Ein neuer Policy Brief des Momentum Institut untersucht, wie sich die Schulschließungen unterschiedlich auf die wöchentliche Arbeitszeit von Frauen und Männern ausgewirkt hat. Die Ergebnisse der Analyse werden in größerem Detail im Working Paper Hanzl und Rehm (2021) diskutiert.

Rolle von Schulschließungen während der Corona-Pandemie

Die Maßnahmen gegen die Corona-Krise haben den Bedarf an Kinderbetreuung zuhause deutlich erhöht: Schulen und Kindergärten wurden geschlossen, Großeltern können wegen des Gesundheitsrisikos nicht mehr aushelfen. Der Bürobetrieb hingegen wurde kaum eingeschränkt. Für Eltern führt das zu einer Mehrfachbelastung, denn neben der üblichen Erwerbsarbeit müssen nun auch die Kinder betreut werden. Aufgrund dieser Umstände blieb und bleibt arbeitenden Eltern oft nichts anderes übrig, als ihre Arbeitszeit anzupassen.

Mütter reduzierten ihre Arbeitszeit während Schulschließungen stärker als Väter

Daten zeigen, dass sowohl Frauen als auch Männer ihre Arbeitszeit vor allem in den ersten Monaten der Pandemie im Frühjahr 2020 stark reduzierten. Obwohl sich die Arbeitszeiten rund um Juli 2020 herum für alle Gruppen stabilisiert haben, steigt der Unterschied der Arbeitsstunden zwischen Müttern und Vätern in Zeiten von Schulschließungen besonders. Die Wochenarbeitszeit von Müttern sank zwischen März 2020 und März 2021 im Durchschnitt um 22 Prozent bzw. rund 6 Stunden, wenn Schulen geschlossen waren. Im Gegensatz dazu veränderten Väter ihre Arbeitszeit wegen der Schulschließungen nicht.

Auswirkungen der Schulschließungen auf Geschlechtergerechtigkeit in Österreich

Die Ergebnisse dieser Analyse deuten stark darauf hin, dass die zusätzlichen Kinderbetreuungspflichten die bezahlte Arbeitszeit nach Geschlecht unterschiedlich beeinflusst haben. Mütter haben ihre Arbeitszeit reduziert, während die Arbeitszeit von Vätern nach der ersten Schockphase weitgehendunverändert blieb. Somit verstärkte die COVID-19-Pandemie vor allem mittelfristig die traditionelle Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit innerhalb der Haushalte in Österreich.

Für die ohnehin im internationalen Vergleich nachhinkende Geschlechtergerechtigkeit in Österreich kann diese Entwicklung zusätzliche negative Auswirkungen haben: Diese reichen von einer Erhöhung des Gender Pay Gaps über den Gender Pension Gap bis hin zur perpetuierten Unterrepräsentation von Frauen in Spitzenpositionen. Denn die geringere Arbeitszeit und häufigeren Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit von Frauen im Vergleich zu Männern haben sich durchwegs als wichtige Erklärungsfaktoren für all diese wirtschaftlichen Nachteile erwiesen. Die Ergebnisse legen nahe, dass die COVID-19-Maßnahmen in Österreich diese Trends verschärften. Durch Schulschließungen scheinen somit die politischen Entscheidungsträger:innen Frauen dazu gezwungen zu haben, zu Hause zu bleiben, um ihre Kinder zu betreuen.

Handlungsempfehlungen:

  • Sicherstellung von sicheren, flächendeckenden, umfassenden und kostenlosen Kinderbetreuungsmöglichkeiten
  • Rechtsanspruch auf Elternteilzeit bei vollem Lohnausgleich
  • Gerechtere Verteilung der Arbeitszeit: Einführung einer 30-Stunden-Woche