Die Corona-Pandemie und die dadurch zusätzlich notwendige Kinderbetreuung drohen jahrzehntelange Fortschritte bei der Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen rückgängig zu machen. Bestehende Geschlechterrollen in Bezug auf die Aufteilung von unbezahlter Arbeit in Haushalten können dadurch verstärkt werden. Ein neuer Policy Brief des Momentum Institut untersucht, wie sich die Schulschließungen unterschiedlich auf die wöchentliche Arbeitszeit von Frauen und Männern ausgewirkt hat. Die Ergebnisse der Analyse werden in größerem Detail im Working Paper Hanzl und Rehm (2021) diskutiert.
Die Maßnahmen gegen die Corona-Krise haben den Bedarf an Kinderbetreuung zuhause deutlich erhöht: Schulen und Kindergärten wurden geschlossen, Großeltern können wegen des Gesundheitsrisikos nicht mehr aushelfen. Der Bürobetrieb hingegen wurde kaum eingeschränkt. Für Eltern führt das zu einer Mehrfachbelastung, denn neben der üblichen Erwerbsarbeit müssen nun auch die Kinder betreut werden. Aufgrund dieser Umstände blieb und bleibt arbeitenden Eltern oft nichts anderes übrig, als ihre Arbeitszeit anzupassen.
Daten zeigen, dass sowohl Frauen als auch Männer ihre Arbeitszeit vor allem in den ersten Monaten der Pandemie im Frühjahr 2020 stark reduzierten. Obwohl sich die Arbeitszeiten rund um Juli 2020 herum für alle Gruppen stabilisiert haben, steigt der Unterschied der Arbeitsstunden zwischen Müttern und Vätern in Zeiten von Schulschließungen besonders. Die Wochenarbeitszeit von Müttern sank zwischen März 2020 und März 2021 im Durchschnitt um 22 Prozent bzw. rund 6 Stunden, wenn Schulen geschlossen waren. Im Gegensatz dazu veränderten Väter ihre Arbeitszeit wegen der Schulschließungen nicht.
Die Ergebnisse dieser Analyse deuten stark darauf hin, dass die zusätzlichen Kinderbetreuungspflichten die bezahlte Arbeitszeit nach Geschlecht unterschiedlich beeinflusst haben. Mütter haben ihre Arbeitszeit reduziert, während die Arbeitszeit von Vätern nach der ersten Schockphase weitgehendunverändert blieb. Somit verstärkte die COVID-19-Pandemie vor allem mittelfristig die traditionelle Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit innerhalb der Haushalte in Österreich.
Für die ohnehin im internationalen Vergleich nachhinkende Geschlechtergerechtigkeit in Österreich kann diese Entwicklung zusätzliche negative Auswirkungen haben: Diese reichen von einer Erhöhung des Gender Pay Gaps über den Gender Pension Gap bis hin zur perpetuierten Unterrepräsentation von Frauen in Spitzenpositionen. Denn die geringere Arbeitszeit und häufigeren Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit von Frauen im Vergleich zu Männern haben sich durchwegs als wichtige Erklärungsfaktoren für all diese wirtschaftlichen Nachteile erwiesen. Die Ergebnisse legen nahe, dass die COVID-19-Maßnahmen in Österreich diese Trends verschärften. Durch Schulschließungen scheinen somit die politischen Entscheidungsträger:innen Frauen dazu gezwungen zu haben, zu Hause zu bleiben, um ihre Kinder zu betreuen.
Handlungsempfehlungen:
Den Policy Brief im Detail gibt es zum Download.