Die Coronakrise

Die wichtigsten Geschichten über die Folgen der Corona-Pandemie auf unser Leben.

Wer hat, dem wird gegeben

Euronoten

Im März 2020 wurde die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH – kurz Cofag – aus dem Boden gestampft. Ohne Dokumentation, ohne Einbindung der Finanzbeamten, Millionen an Beratungshonoraren, wie der Rechnungshof später harsch kritisierte. Als private Gesellschaft war die COFAG der parlamentarischen Kontrolle entzogen. Praktisch - und verfassungswidrig, wie die Höchstrichter:innen später urteilten. Doch der Schaden war schon passiert. Bis zu 19 Milliarden wurden an Unternehmen verteilt.   

Gegen finanzielle Hilfe für Unternehmen, denen durch Covid das Wasser bis zum Hals steht, ist nichts einzuwenden. Dass Konzerne dank der staatlichen Hilfen mehr Gewinn gemacht haben als vor der Pandemie, zeigt aber, dass es in vielen Fällen keine Hilfe war sondern eine Gewinnspritze bezahlt mit Steuergeld.  

Während ÖVP-Finanzminister Brunner noch von “Einzelfällen” sprach, haben über zwei Drittel der ausgewerteten Unternehmen 2020 mehr Geld bekommen als coronabedingt nötig. 2021 waren es knapp 85 Prozent. Je größer der Laden, desto größer auch die Gewinnspritze. Für das Signa-Konzerngeflecht von René Benko sind fast 19 Millionen Euro geflossen. Allein für sein Luxusapartment Chalet N – offiziell ein Hotel – 1,1 Millionen Euro.  

Gleichzeitig hat die Signa-Gruppe 2020 300 Millionen an Aktionär:innen ausgeschüttet. Wer trotz Corona Gewinne schreibt, braucht kein Steuergeld. Wir sind es jetzt, die auf der Rechnung sitzen bleiben. Der Finanzminister hätte die Corona-Übergewinne wieder reinholen können. Stattdessen senkte er gerade die Gewinnsteuern für die größten Konzerne im Land und nimmt dafür einen Steuerausfall von über 1 Milliarde Euro in Kauf. Auf Sparflamme schaltet die Regierung lieber anderswo. Erst jüngst wurde wieder der Vorschlag aufgewärmt, doch für arbeitslose Menschen die Unterstützung zu kürzen. Ein deutliches Signal dafür, welche Interessen politisch wichtig genommen werden.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Kleinen Zeitung.

COFAG und Signa: Lehren aus dem Doppeldesaster

Eine Grafik zeigt einen Mann im Anzug, der vor einem riesigen Büschel Geldscheinen auf dem Boden sitzt. Während er enspannt an einer großen Münze lehnt, verschränkt er seine Hände hinter dem Kopf und schließt die Augen.

Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, dass am 5. Mai 2023 die Covid-19-Pandemie in Österreich offiziell für beendet erklärt wurde. Noch lange beschäftigen wird uns aber die politische Aufarbeitung des Pandemie-Managements. Jenseits medizinischer und sozialer Fragen verdienen dabei auch ökonomische Maßnahmen besondere Aufmerksamkeit: Nichts war so teuer, wie die von der eigens gegründeten COFAG ausgeschütteten, üppigen Unternehmenshilfen.

Einer der größten Kritikpunkte an der COFAG war von Beginn an die fehlende Transparenz. Als private Gesellschaft der parlamentarischen Kontrolle entzogen, wurden bis zu 19 Milliarden Euro an Corona-Hilfen ausgeschüttet. Gegen rasche Hilfe für Unternehmen, die durch Lockdowns zum Schließen gezwungen wurden, spricht nichts. Doch die Hilfsgelder wurden so aufgesetzt, dass Millionen Euro an Unternehmen ausgeschüttet wurden, die damit mehr Gewinn schreiben konnten als vor der Pandemie. Mit Steuergeld wurden in vielen Fällen üppige Unternehmensgewinne bezahlt.

Auf der Liste der Förderempfänger findet sich ein weiteres Beispiel gelebter Intransparenz: die Signa-Gesellschaften von René Benko. Insgesamt sind an das Konzerngeflecht rund 19 Millionen Euro geflossen. Allein für sein Luxusapartment Chalet N – offiziell ein Hotel – 1,1 Millionen Euro.

Aber auch seine Handelsunternehmen wurden üppig bedacht. In Österreich die Möbelhäuser Kika/Leiner, in Deutschland Warenhäuser der Kette Galeria Karstadt Kaufhof. Beide mussten inzwischen Insolvenz anmelden.

Der Grund für die Insolvenzen war aber nicht zu geringe staatliche Förderung. Mit 9,1 Millionen Euro erhielt Kika/Leiner den größten Anteil am österreichischen Signa-Förderkuchen, in Deutschland flossen sogar 680 Millionen Euro an die Benko-Warenhäuser. 

Dass trotz dieser Summen eine Insolvenz nicht abgewendet werden konnte, lag vor allem an René Benko. Er hat in Vorkrisenzeiten die Mieten hochgeschraubt und sich geweigert, sie den neuen Marktumständen entsprechend abzusenken. Er hat im Interessengegensatz zwischen seiner Immobilien- und Kaufhaussparte zu Gunsten der Immobilien-Seite entschieden. Dank der hohen Mieten konnten seine Immobiliengesellschaften für das Corona-Jahr 2020 Dividenden in Höhe von mehr als 300 Millionen Euro ausschütten.  

Im Ergebnis haben es nur die staatlichen Hilfen Benko erlaubt, sein aufwertungsbasiertes Immobilien-Kartenhaus noch drei Jahre länger aufrecht zu erhalten. Eine lange Zeit, in der mutmaßlich genug Geld über Dividenden, Darlehen und Stiftungskonstruktionen beiseite geschafft wurde. 

Eine Lektion aus dem Doppeldesaster rund um COFAG und Benkos Signa-Gruppe ist, dass uns Intransparenz am Ende teuer zu stehen kommt. Wer der wirtschaftliche Eigentümer eines kompliziert konstruierten Firmengeflechts ist, ist eine Information, die bei der Vergabe von Förderungen unbedingt berücksichtigt werden sollte.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar im Kurier.

Koste es (uns), was es wolle

Ein Handschlag vor dem Hintergrund eines Geldkoffers.

Die Regierung hat Milliarden an Corona-Hilfen systematisch in die Gewinne der Unternehmen gepumpt. Jahrelang. Der Raubzug wurde am Parlament vorbei abgewickelt.

Schnell musste es gehen. Rasch und reichlich sollten sie fließen, die Corona-Gelder. Nur zwei Tage nach dem ersten Lockdown gibt der damalige Kanzler Kurz das Motto aus: Koste es, was es wolle. Logisch: Die ÖVP konnte Gejammer von Unternehmen, die unter dem Lockdown leiden, nicht brauchen. Binnen weniger Tage wurde die Finanzierungsagentur Cofag aus dem Boden gestampft. Ohne echte Dokumentation oder Einbindung der Finanzbeamten, wie der Rechnungshof in der Rückschau kritisiert.

Aber die fehlende Transparenz war nicht der “Fehler”, sondern das “Feature” der Cofag: Privat “ausgegründet”, war sie der parlamentarischen Kontrolle weitgehend entzogen. Genau diese Gründung war verfassungswidrig, haben später die Höchstrichter:innen geurteilt.

Aber für die Steuerzahler:innen kommt das zu spät: Die Staatskasse ist ausgeräumt, im Schutz der Intransparenz sind 21 Millionen in geheime Beratungshonorare geflossen. Die Geschäftsführung wurde mit knapp 20.000 Euro monatlich fürstlich entlohnt. Unglaubliche 19 Milliarden wurden an die Unternehmen ausgeschüttet.

Offiziell als Garantien und Hilfszahlungen. Gegen finanzielle Hilfe für Corona-gebeutelte Betriebe ist nichts einzuwenden. Dagegen, dass viele Profit damit gemacht haben, schon eher: Etliche Konzerne haben dank der Hilfen mehr Gewinn gemacht als im Jahr vor der Pandemie. Das heißt im Klartext: Zugesperrt haben diese Unternehmen mehr Gewinn gemacht, als wenn sie offen gehabt hätten. Wir haben sie nicht gerettet, wir haben einfach ihre Gewinne aufgefettet.

Was war passiert? Statt der tatsächlichen Verluste wurde den Unternehmen ein fiktiver Lockdown-Umsatz ersetzt. Aber: Gastro und Co. haben im Lockdown etliche Kosten nie gehabt. Keine Gäste, kein Einkauf, kein Personal. Aus unser aller Staatsbudget hat die Cofag Kosten ersetzt, die nie angefallen sind. Wir haben das Schnitzel bezahlt, das nie gekauft, gebacken oder serviert worden ist.

Gewinne aus dem Take-Away-Business durften die Hilfsbedürftigen ebenfalls behalten, nicht einmal die Kurzarbeit wurde gegengerechnet. Die Republik hat die Arbeitskosten also sogar doppelt ersetzt. 

Während ÖVP-Finanzminister Brunner noch von “Einzelfällen” sprach, haben Auswertungen des Momentum Instituts schon Anfang 2022 das bizarre Ausmaß offengelegt: Über zwei Drittel der ausgewerteten Unternehmen wurden 2020 zu üppig gefördert; haben also viel mehr Geld bekommen, als coronabedingt nötig. 2021 waren es sogar knapp 85 Prozent. Die Zahlen der Österreichischen Nationalbank haben das später bestätigt. Quer durch alle Sektoren zeigt sich: Die Vermögenswerte der Firmen sind 2020 trotz rückläufiger Umsätze um 4,4 Prozent gestiegen – stärker als im Jahr vor Corona. Die Bankguthaben und Bargeld-Reserven sind sogar um 17,5 Prozent nach oben geschnalzt. Das gilt freilich nur für die Großen: Die Einlagen der Unternehmen im kleinsten Fünftel sind stagniert oder sogar gesunken.

Je größer der Laden, desto mehr wurde ihnen aufs Konto geschaufelt: Wir haben diese Unternehmen nicht gerettet – wir haben sie gemästet. Ganz oben auf der Nehmer-Liste stehen alte Bekannte. Zum Beispiel die Signa von René Benko: Insgesamt sollen an das Konzerngeflecht fast 19 Millionen Euro geflossen sein. Allein für sein Luxusapartment Chalet N – offiziell ein Hotel – 1,1 Millionen Euro. Dem Pechspiel-Riesen Novomatic haben Steuerzahler:innen die Kosten für die Mitarbeiter:innen übernommen. Geholfen hat es nichts, trotzdem wurden 120 gekündigt. Gastronom Martin Ho hat mit allen Tricks die Corona-Regeln umgangen und trotzdem mehr als zwei Millionen von der Cofag bekommen. Koste es, was es wolle, eben. Damit hat Sebastian Kurz gemeint: “Meine Buberln kriegen, was sie wollen – egal, was euch das kostet.” Das hätte man verhindern können – wenn man gewollt hätte. Warum wurde die Kurzarbeit nicht wie in Deutschland mit anderen Hilfen gegengerechnet? Warum hat es bei so großen Summen keine Rückforderungsklausel gegeben? Wer trotz Corona Gewinne schreiben konnte, braucht kein Steuergeld. Dann wären die Unternehmenshilfen eine Art Versicherung gewesen.

Das wäre ein sorgsamer und fairer Umgang mit dem Geld der Steuerzahler:innen gewesen – mit unserem Geld. Denn knapp acht von zehn Steuer-Euros zahlen Arbeitnehmer:innen und Pensionist:innen. Mit ihren Steuern auf Arbeit und Konsum. Wir sind es, die auf der Rechnung für die sogenannten Staatshilfen sitzen bleiben. Der Finanzminister hätte die Corona-Übergewinne mit einer Sondersteuer wieder einfangen können; stattdessen senkte er gerade die Gewinnsteuern für die größten Konzerne des Landes. Damit fehlt im Staatshaushalt wieder mehr als eine Milliarde Euro im Jahr. Kompensiert wird das woanders. Die neueste Idee: Wer seinen Job verliert, soll künftig weniger Arbeitslosengeld bekommen. Koste es uns, was es wolle!

 

Dieser Text erschien zunächst als Kolumne im Profil.

Konstruktionsfehler im Budget kommen uns teuer

Budget 2022

Vergangenen Dienstag zog Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) Bilanz zum Budget des letzten Jahres. Die von den Krisen geprägten letzten beiden Jahre schlugen sich auf der Ausgabenseite des Budgets deutlich zu Buche. Corona-Hilfen und Teuerungsmaßnahmen waren ganz schön teuer. In Krisenzeiten greift der Staat steuernd ein und federt die schlimmsten sozialen Auswirkungen ab. Richtig und wichtig – in der Theorie. Ganz praktisch kam es bei der Konstruktion der Hilfsgelder aber zu schweren handwerklichen Fehlern. Die Rechnung tragen die Steuerzahler:innen.

Die Hilfszahlungen an Haushalte waren wichtig, sonst wäre der Anstieg der Armut noch rasanter verlaufen. Bei Unternehmen sah die Sache allerdings etwas anders aus. Corona-Hilfen sind eigentlich dazu gedacht Unternehmen durch die Krise zu helfen und ihr Überleben zu sichern. Allzu genau hat man da nicht hingesehen: Die mangelhaft konzipierten Hilfen führten zu einer Vielzahl an überförderten Unternehmen. Der Staat griff ihnen mit Steuergeldern nicht in größter Not unter die Arme, er finanzierte ihre Gewinne mit. Mindestens eine halbe Milliarde an Steuergeld floss als Corona-Hilfe in die Gewinne der Unternehmen. Die Milliarden, die an überförderte Unternehmen geflossen sind, hätte man stattdessen für jene Menschen ausgeben können, die besonders hart von der Teuerung getroffen sind. Die, die jetzt das Doppelte oder Dreifache für die Gasrechnung hinlegen oder denen in nur einem Jahr dreimal die Miete erhöht wurde. Die Einmalzahlungen halfen all diesen Menschen nur einmal. Die Entlastung ist heuer längst verpufft.

Sozialleistungen armutsfest machen und Preise bremsen

Wer jeden Euro dreimal umdreht, braucht nachhaltige und dauerhafte Sicherheiten. Ein Instrument dafür sind armutsfeste Sozialleistungen. Seit Jahresbeginn werden nun viele Leistungen, wie etwa die Familienbeihilfe, jährlich an die hohen Preise angepasst. Den Wertverlust der letzten Jahre hat die Regierung aber nicht wettgemacht. Arbeitslosengeld und Notstandshilfe werden gar nicht erst angepasst. Ein Blick auf die Armutsgefährdungsschwelle macht einem bewusst, was das für arbeitslose Menschen bedeutet. Im Durchschnitt fehlen ihnen monatlich 300 Euro, um nur über die Armutsgrenze zu kommen. Klug gesetzte Preisbremsen könnten hier helfen und die Teuerung für alle dämpfen. Die Strompreisbremse ist ein guter Start, Preise bremsen sollten wir aber auch beim Gas und bei den Mieten. Auch die langfristige Perspektive blieb im Budget außen vor: Die Bereiche Pflege, Kinderbetreuung und Bildung müssen dringend ausgebaut werden.

Mehr als zwei Jahre Pandemie haben das Pflegepersonal in die Knie gezwungen. Viele denken über einen Jobwechsel nach, gleichzeitig wollen viel zu wenige in die Branche hinein. Bis 2030 fehlen uns in der Pflege rund 90.000 Personen. Aber nicht nur dort fehlt uns das Personal. Seit mehr als einem Jahrzehnt verfehlt Österreich die EU-Ziele für Kleinkinderbetreuung. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Ohne ausreichend Betreuung können Frauen, die immer noch den Löwenanteil der unbezahlten Arbeit schultern, nicht voll arbeiten. Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind Betreuungsplätze ein zentraler Schlüssel. Stichwort Lehrkräftemangel: Uns fehlen Lehrer:innen im Land. Häufig unterrichten Lehrkräfte in Mittelschulen Fächer, für die sie gar nicht ausgebildet sind. Wenn ein Deutschlehrer auf einmal Physik unterrichten soll, braucht man sich eigentlich gar nicht fragen, ob wir mehr Budget im Bildungssektor brauchen. Die Teuerung zwingt Familien bei Bildungsausgaben zu sparen, so wird die Nachhilfe gestrichen, die gerade nach der Corona-Zeit und Distance Learning für viele so wichtig wäre, um wieder aufzuholen. Während uns also für den notwendigen Ausbau staatlicher Leistungen das Geld hinten und vorne fehlt, freuen sich Unternehmen über Milliardensubventionen und riesige Steuergeschenke.

Unternehmen: Milliardensubventionen und Steuerzuckerl

Dabei haben die wenig zu klagen: Die deutlichste Steigerung bei den Steuereinnahmen sehen wir mit rund 39 Prozent bei der Körperschaftsteuer, also der Steuer auf Unternehmensgewinne. Unternehmen verbuchten in den letzten Jahren also saftige Gewinne. Trotzdem senkt die Regierung nun die Körperschaftsteuer. Die Senkung reißt uns im Endausbau ein jährliches Loch von über 800 Millionen Euro in die Staatskasse.

Auch der Energiekostenzuschuss 2 wird teuer für uns: Sieben Milliarden Euro macht die Regierung für Unternehmen 2022 und 2023 locker. Ein gravierender Konstruktionsfehler zeichnet sich bereits ab: Verluste nachweisen müssen kleine und mittlere Unternehmen nämlich nicht. Darüber hinaus wird beim Zuschuss nicht kontrolliert, ob Unternehmen das Geld für höhere Energiekosten doppelt kassieren. Also einmal durch Preiserhöhungen für ihre Kunden, ein zweites Mal als Hilfszahlung vom Staat. Schon bei der ersten Auszahlungsrunde des Energiekostenzuschusses haben heimische Unternehmen nicht nur ihre gestiegenen Energiekosten an Konsumentinnen weitergegeben, sondern gleichzeitig auch ihre Preismargen erhöht. Ein Teil der Inflation ist somit hausgemacht.

Es macht den Anschein, als würde die Regierung aus den Fehlern der Corona-Hilfen nichts lernen. Selbstverständlich muss man Unternehmen in Krisenzeiten begleiten. Wer aber mit Steuergeldern unterstützt wird, gehört streng kontrolliert. Stellt sich heraus, dass ein Unternehmen die Hilfen gar nicht gebraucht hat, dann braucht es eine Rückzahlungspflicht. Bezahlt werden die Hilfen schließlich aus dem Portemonnaie von uns allen, den Steuerzahler:innen und Konsument:innen im Land.

 

Dieser Text erschien zunächst als Kommentar bei "ZackZack".

Coronahilfen: Bereits 600 Millionen Überförderung nachweisbar

corona restaurant

Die staatlichen Förderungen der COFAG waren dazu gedacht, während der Corona-Krise den Fortbestand von Unternehmen zu gewährleisten. Schlecht konzipierte Unternehmenshilfen führten für eine große Anzahl an Betrieben zu Überförderung: Obwohl sie für mehrere Wochen geschlossen blieben, schrieben viele Unternehmen aufgrund der staatlichen Subventionen in den Geschäftsjahren 2020 und 2021 Gewinne. Einige konnten ihre Gewinne im Vergleich zu 2019 trotz Teilschließung sogar noch steigern. Als Grundlage der Auswertung dient die neue Coronahilfen-Datenbank des Momentum Institut, bei der Hilfszahlungen aus der EU-Beihilfentransparenzdatenbank mit den Jahresabschlüssen der Unternehmen verschränkt wurden.

Die Kurz-Studie zur Überförderung durch die COFAG-Hilfen gibt es hier zum Download:

Die vom Momentum Institut erstellte Datenbank mit allen öffentlich gelisteten Zuschüssen gibt es hier.

Über zwei Drittel der Betriebe wurden 2020 überfördert

Die Auswertung der geflossenen Gelder belegt für die Jahre 2020 und 2021 eine Überförderung von 598 Millionen Euro bei 7.999 Fällen. Das entspricht mehr als der Hälfte der auswertbaren Fördersumme. Als Überförderungssumme zählt bei einem Unternehmen jener Teil des ausbezahlten Förderbetrags, ab dem das Unternehmen Gewinne macht. COFAG-Zahlungen, die bis zu diesem Punkt Verluste abdecken, zählen nicht dazu. Über zwei Drittel der ausgewerteten Unternehmen wurden 2020 überfördert, 2021 waren es sogar knapp 85 Prozent.

Nach Branchen entfallen 155 Millionen auf die Gastronomie mit 1.513 Fällen von Überförderung. In der Hotellerie findet man 547 Fälle von Gewinnsubventionierung, die in Summe 66 Millionen Euro ausmacht. Die dritte große Branche ist der Handel, in der in 1.444 Fällen eine Überförderung nachgewiesen werden konnte, die zusammen 147,5 Millionen Euro ausmachen. In den anderen Branchen (Kunst und Unterhaltung, Verkehr & Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen, andere) finden sich 2.390 Fälle mit einer Überförderungssumme von 230 Millionen Euro.

Die bisher bestätigte Überförderungssumme von 598 Millionen ist als absolute Untergrenze anzusehen. Eine komplette Vollauswertung aller geförderten Unternehmen bleibt weiterhin aus mehreren Gründen nicht möglich. Einerseits hält die Bundesregierung die Daten zur Kurzarbeit (abgewickelt durch das AMS) weiterhin geheim. Vor allem die Überförderung der Industriebetriebe, die stärker auf Kurzarbeit setzten, kann daher noch nicht analysiert werden. Andererseits haben manche Unternehmen einen Stichtag für ihren Jahresabschluss unterhalb des Jahres, nicht am Jahresende. Für eine sinnvolle Auswertung dieser Betriebe müsste die COFAG noch genauere Daten zu den Förderzeitpunkten zur Verfügung stellen.

Definitive Aussagen zur Unterförderung – dass Verluste durch die Hilfen nicht ausreichend abgedeckt wurden – lassen sich daher mit den vorhandenen Daten abschließend noch nicht treffen. Tendenziell unterfördert dürften jedoch vor allem Beherbergungsbetriebe in Wien sein. Auch in der „Bekleidung, Schmuck, Kosmetik“ wurde im Jahr 2020 eine relativ große Minderheit an Betrieben der Handelsbranche nicht ausreichend für ihre Verluste kompensiert.

Momentum veröffentlicht Datenbank zur Überförderung

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Wie das Momentum Institut bereits in vorangegangenen Auswertungen zeigte, kam es durch die Corona-Hilfen bei zahlreichen österreichischen Unternehmen zu Überförderung. Zuschüsse, die den Fortbestand und die Liquidität der Betriebe hätten sichern sollen, flossen vielerorts in Gewinne. Das Momentum Institut veröffentlicht nun eine frei zugängliche, verschränkte Datenbank, die sich aus der EU-Beihilfentransparenzdatenbank und Jahresabschlüssen einzelner Unternehmen zusammensetzt. Teil der Datenbank sind alle Unternehmen, die in den Jahren 2020, 2021 und 2022 Zuschüsse der COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) erhalten haben und zum Veröffentlichungszeitpunkt in der EU-Beihilfentransparenzdatenbank gemeldet waren. Die Datenbank besteht aus 28.575 Unternehmen. 2020 und 2021 kam bei knapp 74 Prozent der Fälle zu Überförderung.

 

Die Momentum-Datenbank zum Download:

Wie wird Überförderung definiert?

Im Gegensatz zu fälschlicherweise zu hoch ausbezahlten Hilfen, geht es bei Überförderung um Zuschüsse, die wirtschaftlich gesehen nicht notwendig gewesen wären. Unternehmen, die während Corona Gewinne erzielten und gleichzeitig staatliche Hilfsgelder bezogen, gelten im diesen Sinne als überfördert.

Wie ergibt sich die Höhe der Überförderung?

Als Größe für den Gewinn wird der Jahresüberschuss verwendet. Als überfördert gelten Unternehmen, deren Jahresüberschuss im Jahr des Bezugs von Zuschüssen positiv ausfiel. Wäre der Jahresüberschuss abzüglich der Zuschüsse negativ gewesen, wird nur der Anteil des Zuschusses der den Gewinn stützt als Überförderung gewertet. Wäre der Jahresüberschuss dennoch positiv gewesen, wird der gesamte Zuschuss als Überförderung gewertet.

Welche Daten werden verwendet?

In die Analyse gehen alle Unternehmen ein, die in der EU-Beihilfentransparenzdatenbank gelistet sind. Dass sind jene, die Hilfszahlungen von mindesten 100.000 Euro pro Jahr bekommen haben. Diese Unternehmen werden mit Jahresabschlussdaten verschränkt. Aus den drei Branchen Gastronomie und Hotellerie, Handel und Verkehr finden sich insgesamt 6.765 Unternehmen.

Welche Abschlüsse können analysiert werden?

Über den Bilanzgewinn lässt sich in den Jahresabschlussdaten auf den Jahresüberschuss rückrechnen. Für 2020 werden Unternehmen analysiert, deren Bilanzstichtag zwischen 31.12.2020 und 31.3.2021 liegt. Somit sind bei allen betrachteten Betrieben zwei Lockdownperioden abgebildet. Für das Jahr 2021 können quantitativ nur jene ausgewertet werden, deren Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmt. Insgesamt verfügbar sind in 7.999 Fällen Jahresabschlüsse verfügbar.

Wie genau kann ausgewertet werden?

Bei Unternehmen, die Veränderungen beim gezeichneten Kapital oder der Kapitalrücklage aufweisen, kann aufgrund mangelnder Informationen nicht auf den Jahresüberschuss rückgerechnet werden. Daher wird für diese Fälle auch keine Über- oder Unterförderung berechnet. Bei Unternehmen mit unregelmäßigem Geschäftsjahr kann es zu einer Unterschätzung der Überförderungshöhe kommen. Der Grund dafür ist, dass die einzelnen Zuschüsse in vielen Fällen nur den Kalenderjahren, nicht aber den tatsächlichen Bezugsmonaten zugerechnet werden können. Hat ein Unternehmen beispielsweise am 31.3.2021 Bilanzstichtag, wird etwa der Ausfallsbonus im Jänner und Februar nicht berücksichtigt. Die Überförderung wäre in diesem Fall sogar noch höher als in der Analyse ausgewiesen. Es fließen also für das Geschäftsjahr 2020 Unternehmen mit Bilanzstichtag zwischen 31.12.2020 und 31.3.2021 in die Auswertung ein. Zuschüsse, die für einen Monat im Jahr 2021 ausgewiesen sind, werden jedoch nicht berücksichtigt. Für all jene, deren Geschäftsjahr beispielsweise von Mai bis Juni dauert, ist ein sinnvolles Gegenüberstellen von Zuschüssen und Gewinnen quantitativ nicht möglich. In Einzelfällen lassen sich jedoch Zuschüsse aus beiden Kalenderjahren einem Geschäftsjahr zuweisen (siehe nächster Absatz). 

Ist das bereits das volle Ausmaß an Überförderung?

Für Unternehmen mit unregelmäßigen Geschäftsjahren lassen sich die erhaltenen Zuschüsse aufgrund mangelnder Informationen in der EU-Beihilfentransparenzdatenbank oft nicht zweifelsfrei den einzelnen Geschäftsjahren zuschreiben. Dadurch kann für viele dieser Unternehmen auch keine Überförderungssumme in der Datenbank angegeben werden. Das heißt jedoch nicht, dass es zu keiner Überförderung kam. Ausgewiesen wird lediglich die bestätigte Untergrenze. 

Wurden 3/4 aller Unternehmen überfördert?

Die Zahl der auswertbaren Unternehmen ist zwar hoch, Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit der Unternehmen in Österreich sind allerdings nicht möglich. Viele kleinere Unternehmen, sowie Kommanditgesellschaften, offene Gesellschaften, Einzelunternehmen etc. müssen entscheidende Informationen aus den Jahresabschlüssen nicht veröffentlichen. Ob kleinere Unternehmen eventuell schlechter ausgestiegen sind, lässt sich somit nicht vollends analysieren. Die vorliegenden Daten entsprechen daher einer Vollauswertung der Unternehmen, die entsprechende Berichtspflichten zu erfüllen haben.

Haben die Unternehmen das Geld zu Unrecht erhalten?

Die ausbezahlten Zuschüsse sind rechtmäßig, unabhängig ob ein Unternehmen Gewinn oder Verlust geschrieben hat. Den Betrieben stand es zu, die Hilfen zu beantragen. Es stellt sich aber die Frage nach der wirtschaftlichen Notwendigkeit: Eigentliches Ziel der Hilfen war der Fortbestand der Betriebe, sowie die Sicherung von Arbeitsplätzen. Auch aus wettbewerbsrechtlicher Perspektive stellt sich die Frage, ob durch Überförderung einzelnen Unternehmen Vorteile entstanden sind, während andere nicht genügend für ihre durch die Pandemie erlittenen Verluste kompensiert wurden.

Wie hätte Überförderung vermieden werden können?

Das Problem ist vor allem die Ausgestaltung der Corona-Hilfen. Die meisten Zuschüsse orientierten sich am Umsatzentgang im Vergleich zum Jahr 2019. Dass durch Kurzarbeit und verringerten Wareneinsatz auch Kosten wegfielen, wurde nicht gegengerechnet. Überdies galten immer nur einzelne Monate als Betrachtungszeitraum. Auf das ganze Geschäftsjahr konnten viele Betriebe ihre Verluste aus den Lockdownmonaten wieder mehr als kompensieren. Diesem Umstand hätte man über eine Rückforderungsklausel Rechnung tragen können. Das hätte den Unternehmenshilfen mehr eine Art Versicherungscharakter gegeben.


Hinweis: Sollten Sie Ihr Unternehmen in der Liste finden und die Zahlen nicht mit dem tatsächlichen Ergebnis übereinstimmen, kann dies entweder an Übertragungsfehlern oder fehlerhaften Einträgen in den verwendeten Datenbanken liegen. Melden Sie sich in einem solchen Fall bitte unter kontakt@momentum-institut.at.

Arbeitslosigkeit: Aufschwung mit regionalen Unterschieden

Menschen, die einen Lebenslauf anschauen als Symbolbild für Arbeitslosigkeit

Der österreichische Arbeitsmarkt hat die Corona-Krise überwunden, etwa 33.000 Personen weniger waren im März 2022 - verglichen mit dem März 2019 vor der Pandemie - arbeitslos. Das ergibt ein Minus von 9 Prozent. Den Höchststand an Corona-Arbeitslosen verzeichnete Österreich im April 2020, damals waren fast 230.000 Personen aufgrund der Pandemie arbeitslos. Davon erholte sich der Arbeitsmarkt aber rasch, bereits seit September 2021 befindet sich die Arbeitslosigkeit unter dem Vorkrisenniveau.

Erfreulicherweise kommt der Aufschwung in fast allen Bevölkerungsschichten an, sowohl Akademiker:innen (-5,4 %) als auch Menschen mit Pflichtschulabschluss (-7,5 Prozent) profitieren von der derzeit guten Arbeitsmarktlage und verzeichnen sinkende Arbeitslosenquoten. Das Arbeitsmarktservice AMS errechnete sogar die niedrigste Arbeitslosenquote seit 14 Jahren. Allerdings gibt es die heutige Form der Corona-Kurzarbeit erst seit Pandemiebeginn, diese dämpft die Arbeitslosenzahlen. Im März 2022 waren immer noch rund 160.000 Personen zur Kurzarbeit angemeldet.

Aufschwung nicht in allen Bundesländern gleich stark

Außerdem spüren nicht alle Bundesländer den Aufschwung gleichermaßen. Zwar sinkt in allen neun Bundesländern die Anzahl der Arbeitslosen, in Wien, Vorarlberg und Tirol jedoch deutlich schwächer als etwa in Salzburg. Um Geflüchteten aus der Ukraine bestmögliche Chancen zu bieten, sollten diese regionalen Arbeitsmarkt-Unterschiede bei ihrer Verteilung berücksichtigt werden.

Langzeitarbeitslosigkeit bleibt Problemfeld

Das große Sorgenkind des österreichischen Arbeitsmarkts bleibt die Zahl der Langzeitarbeitslosen. Diese sinkt zwar von Monat zu Monat, befindet sich jedoch weithin über dem Niveau vor der Krise. Im März 2022 waren rund 140.000 Menschen langzeitarbeitslos. Im Jahr 2021 betrug der Anteil der Langzeitarbeitslosen an den Gesamt-Arbeitslosen bereits mehr als 40 Prozent.

Die nächsten Turbulenzen am Arbeitsmarkt zeichen sich ab

Während es dem österreichischen Arbeitsmarkt gut geht, stehen die nächsten Herausforderung bereits vor der Tür. Der Krieg in der Ukraine, die daraus resultierenden gestiegenen Energiepreise sowie Lieferschwierigkeiten in China, werden das Wirtschaftswachstum in den kommenden Monaten wahrscheinlich bremsen und damit auch den Arbeitsmarkt wieder unter Druck setzten. Nicht zuletzt reagiert der Arbeitsmarkt erfahrungsgemäß mit sechs Monaten Verzögerung auf eine schlechter laufende Konjunktur. Laut Wirtschaftsprognosen sind wir da schon mittendrin, sehen es aber nur noch nicht in den Arbeitsmarktzahlen.  

Das Arbeitsministerium ist also gefordert sich in der jetzt noch ruhigen Phase bereits auf die nächsten Turbulenzen am Arbeitsmarkt vorzubereiten. Das Instrument der Kurzarbeit, könnte durch die geopolitische Krise weiterhin benötigt werden. Und es braucht einen stärkeren Fokus auf Langzeitarbeitslose, das Beschäftigungsgarantie Projekt des AMS Niederösterreich dient sollte Vorbild für die gesamte Republik sein.

Zwei Jahre Corona

Corona

Die Corona-Pandemie hat die Welt seit dem Ausbruch vor zwei Jahren im Jahr 2019 in eine beispiellose Gesundheits- und Wirtschaftskrise befördert. Weltweit forderte das Virus mehr als 6 Millionen Tote und unzählige Menschen leiden nach wie vor an den (Langzeit-)Folgen einer COVID-19-Erkrankung. In Österreich wurden seit Ausbruch der Krise mehr als 14.000 Tote gemeldet, insgesamt wurden seit Februar 2020 rund 2,5 Millionen Menschen positiv auf das Virus getestet.

Auch die wirtschaftlichen Folgen der Krise waren verheerend: Zeitweise waren über eine halbe Million Menschen in Österreich arbeitslos, trotz Kurzarbeit. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im Jahr 2020 um 6,7 Prozent, Lockdowns und Lieferengpässe stellen Betriebe und Beschäftigte bis heute vor große Herausforderungen. 

Das Momentum Institut hat seit Ausbruch der Corona-Krise zahlreiche Berechnungen, Analysen und Grafiken erstellt, die die Auswirkungen von Corona auf die Gesellschaft, die Vielen, das Klima und die Wirtschaft verdeutlichen. Dieses Dokument bietet einen Überblick und liefert drei Learnings, was wir nach der Pandemie besser machen müssen. 

Diese Lücken hat uns Corona aufgezeigt: 

  • Die Reproduktionsarbeit hängt nach wie vor zum Großteil an Frauen: Schutz für Frauen und Ausbau der Kinderbetreuung wichtiger denn je

Kinderbetreuung und Homeschooling während der Schulschließungen, Pflege von Angehörigen und Reproduktionsarbeit im Allgemeinen – all das haben während der Pandemie mehrheitlich Frauen geleistet. Nicht zu vergessen der hohe Frauenanteil in den klassischen Systemerhalter:innenberufen. Kurz: viel Leistung für wenig Geld. Frauen haben die Krise mehrheitlich gestemmt, aber gleichzeitig mehr an Einkommen verloren. Diese Schieflage müssen wir nach der Pandemie endlich beheben. Dazu braucht es:

  • Sicherstellung von flächendeckender, umfassender und kostenloser Kinderbetreuung
  • Verpflichtende Väterkarenz
  • Ausbau der öffentlichen Beschäftigung in systemrelevanten und gesamtwirtschaftlich sinnvollen Bereichen bei einem Mindestlohn von EUR 1.800 brutto
  • Höhere Bewertung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten
  • Unternehmen wurde großzügiger geholfen als Arbeitslosen: Schutz vor Armut muss endlich gewährleistet werden

Die Devise „koste es was es wolle“ traf in den letzten beiden Jahren nur teilweise zu. Während es für Arbeitslose, trotz größter Arbeitsmarktkrise seit Jahrzehnten lediglich Einmalzahlungen gab, flossen mehr als EUR 12 Mrd. direkt an Unternehmen. Durch die schlechte Auskonzipierung der Hilfsinstrumente kam es so vielerorts zu Überförderung und Gewinnsubventionierung über Steuergeld. Demgegenüber stehen 18 Prozent der Menschen in Österreich, die an oder unter der Armutsgefährdungsschwelle leben. Um hier für einen besseren Ausgleich zu sorgen braucht es:

  • Erhöhung Arbeitslosengeld auf 70 Prozent Nettoersatzrate
  • Armutsfeste Sozialleistungen
  • Corona-Gewinnsteuer für Unternehmen, die trotz staatlicher Hilfe Gewinne erzielten
  • Benachteiligungen im Bildungssystem verdeutlicht: von gleichen Voraussetzungen sind wir weit entfernt

Lockdowns und Homeschooling haben verdeutlicht, wie ungleich die Voraussetzungen in unserem Bildungssystem sind. Von der Volksschule bis zur Universität: Wer einen stärkeren finanziellen Hintergrund hat, tat sich leichter, diese zwei schwierigen Jahre zu meistern. Sei es die mangelnde schulische Unterstützung zu Hause, der fehlende Lernplatz, oder der Wegfall des Nebenjobs – hier müssen wir künftig verstärkt denen unter die Arme greifen, die es nötig haben.

  • Längere Betreuungszeiten und Ausbau Kinderbetreuung generell
  • Bildungsbezogene Familienbeihilfen so gestalten, dass alle Einkommensgruppen profitieren
  • Aufwertung der Elementarpädagogik

Fazit: Die Krise bezahlen die Vielen

Die Coronakrise hat auf vielen Ebenen Ungleichgewichte erzeugt und bestehende verdeutlicht. Die staatliche Unterstützung erfolgte zwar rasch, setzte aber mitunter die falschen Schwerpunkte. Über die Hälfte der öffentlichen Hilfsgelder kamen bislang Unternehmen zugute. Frauen, Arbeitslose und Haushalte an oder unter der Armutsgefährdungsschwelle verloren hingegen sogar an Einkommen. Die Finanzierung der Hilfsprogramme erfolgt jedoch zu drei Vierteln über Steuern und Abgaben auf Arbeit und Konsum. Mittel- und langfristig gilt es an den Stellschrauben unseres Steuersystems zu drehen. Hier müssen endlich Vermögen und große Unternehmen einen stärkeren Beitrag leisten, um den Faktor Arbeit zu entlasten. Das galt bereits vor der Pandemie, ist für eine gerechte Verteilung der Krisenkosten aber umso unerlässlicher.

 

Impf-Anreize: Reicht das aus?

impflotterie

Das „Anreiz- und Belohnungspaket“ zur Steigerung der Impfquote in Österreich wurde heute kurz vor der bevorstehenden Abstimmung im Nationalrat über die Impfpflicht vorgestellt. Der Inhalt kurz auf den Punkt gebracht: ein finanzielles Anreizsystem für Gemeinden und eine Impflotterie sollen die notwendige Steigerung der Impfquote in Österreich bewirken.

Die Maßnahmen im Überblick

Impflotterie

Konkret soll mit der Impflotterie jede:r zehnte Geimpfte die Chance auf einen Gutschein-Gewinn im Wert von 500 Euro bekommen, unabhängig vom Zeitpunkt der Impfung. Außerdem geht mit jeder weiteren Teilimpfung auch eine weitere Möglichkeit auf einen Gewinn einher. Also lautet die Gleichung: drei Impfungen = drei Gewinnchancen. Die Lotterie startet am 15. März und fällt dadurch mit dem offiziellen Inkrafttreten der Impfpflicht-Kontrollen zusammen. Die Gutscheine können bei österreichischen Betrieben, wie etwa im Handel, der Hotellerie und Gastronomie oder auch in Kultur- und Sporteinrichtungen eingelöst werden.

Anreizsystem für Gemeinden

Zusätzlich zur Impflotterie wurde ein Anreizsystem für Gemeinden in Aussicht gestellt. Kann eine österreichische Gemeinde eine Impfquote von mindestens 80 Prozent vorweisen, erhält sie einen Basiszuschuss aus einem Pool von insgesamt 75 Millionen Euro. Die weitere Staffelung liegt bei einem Pool von 150 Millionen Euro Auszahlung bei einer 85-prozentigen Impfquote. Liegt die Impfquote höher als 90 Prozent, sollen insgesamt 300 Millionen Euro ausgezahlt werden. Ausgehend von einer durchschnittlichen Gemeinde mit 3.000 Einwohner:innen und einer Impfquote von 80 Prozent, ergibt das rund 30.000 Euro Zuschuss.

Für beide Maßnahmen des Anreiz- und Belohnungspakets zusammen sind 1,4 Milliarden Euro budgetiert. Davon ist eine Milliarde für die Lotterie vorgesehen und rund 400 Millionen Euro für das Anreizsystem für Gemeinden.

Was bringt’s und wem bringt’s was?

Ein kurzer Blick auf die Verteilung der Bevölkerungsschichten nach Impfstatus in Österreich, lässt bereits erahnen, was das eben präsentierte Maßnahmenpaket verabsäumt hat. Der Impfstatus aufgedröselt nach Merkmalen wie Alter, Einkommen und Wahlverhalten gibt Aufschluss darüber, wer sich bereits impfen hat lassen, wer nicht, wer zögert und wer überhaupt nicht bereit dazu ist, sich impfen zu lassen.

Aufgeschlüsselt nach Alter sind vor allem die 45- bis 54-Jährigen am impf-skeptischsten bzw. gar nicht impfbereit (Stand der Daten: Juli 2021). Insgesamt zeigen sich im Durchschnitt 15 Prozent der Befragten nicht impfbereit. Weitere 14 Prozent zögern, wobei Unsicherheit über die Impfentscheidung eher in den jüngeren Altersgruppen zu sehen ist, etwa bei den 14- bis 24-Jährigen und bei den 25- bis 34-Jährigen.

Auch bei der Aufschlüsselung nach Haushaltseinkommen zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Vor allem bei den mittleren bis unteren Einkommensschichten (Einkommen unter 1.500 Euro, bzw. Einkommen zwischen 1.500 Euro und 2.700 Euro) ist der Anteil jener, die nicht impfbereit sind oder starke Zweifel hegen am größten, während Haushalte mit Einkommen ab 2.700 Euro sich deutlich häufiger für die Impfung entscheiden.

Verteilungswirkung der Maßnahme

Es sollte betont werden, dass nur jede zehnte Person, die geimpft ist oder sich impfen lässt, eine Chance auf Gewinn des 500 Euro-Gutscheins über die Impflotterie hat. Eine Impfprämie von 500 Euro pro vollständig geimpfter Person, wäre zwar teurer gekommen mit Kosten von rund 4 Milliarden Euro, aber hätte zumindest eine gleichmäßige Verteilung des monetären Anreizes bewirkt. Im Fall der Lotterie hat zwar jede Person, die gleiche Gewinnchance, aber nur, wenn auch das nötige Wissen, beispielsweise über die Anmeldung zur Impflotterie vorhanden ist. Bei einer Impfprämie wäre die monetäre Zusicherung zwar ebenso abhängig von einer vollständigen Impfung, ein fix zugesicherter monetärer Betrag ist allerdings ein stärkerer Anreiz als die bloße Chance auf einen Gewinn. Aus diesem Grund wäre wohl eine Impfprämie eine wirksamere Maßnahme zur Erhöhung der Impfquote.

Was sagt die Literatur dazu?

Die Literatur über Wirkungen und Anreizstärke von Impflotterien ist nicht sehr aussagekräftig und bestenfalls unsicher darüber, ob genannte Lotterien überhaupt den notwendigen Anreiz schaffen können, damit Menschen sich impfen lassen. Die Ergebnisse einer Studie aus den USA (Mai 2021) deuten darauf hin, dass Lotterieprogramme möglicherweise die Impfzögerlichkeit verringern können, dass das aber von Land zu Land und sogar Bundesstaat zu Bundesstaat verschieden sein kann. Studienergebnisse deuten ebenfalls darauf hin, dass Forschungsergebnisse gemischt, ohne Auswirkung bis eher negativ ausfallen und dass solche Lotterien deshalb mit anderen Maßnahmen kombiniert und ergänzt werden sollten, um etwas zu bewirken.

Ein spannender Aspekt in Bezug auf das Gemeinde-Anreizsystem ist ein Impflotterie-Design aus Philadelphia: dort haben jene Gemeinden mit sehr niedrigen Impfquoten zusätzliche Chancen auf Gewinn erhalten, um besonders dort viele Menschen zur Impfung animieren zu können. Zusätzlich wurde eine automatische Anmeldung zur Lotterie durchgeführt, auf Basis der Wohnadresse und nur mittels ‚Opt-Out-Option‘ konnte man sich als Teilnehmer:in aus der Lotterie ziehen.

Handlungsempfehlungen

  • Statt einer Impflotterie sollte eine fix ausgezahlte Impfprämie für dreifach oder zweifach geimpfte Menschen kommen. So gibt es von Anfang an die Sicherheit, dass bei erfolgter, ausreichender Immunisierung auch sicher eine Prämie ausgezahlt wird. Die Prämie wäre zwar teurer, allerdings wirkt sie besser und insbesondere auch eine bessere Unterstützung für von der Krise hart getroffene Haushalte mit niedrigem Einkommen bringen. Auch die Wirtschaft würde davon stärker profitieren.
  • Ob Impfprämie oder Impflotterie, die Maßnahme kann nur wirklich wirken, wenn besonders jene Zielgruppen angesprochen werden, die zurzeit noch zögerlich sind. Dazu braucht es gezielte Informationskampagnen bei jüngeren Leuten, sowie bei Haushalten mit niedrigem Einkommen und bei Menschen die zur Gruppe der Nicht-Wähler:innen gehören. Auch eine Umstellung von einem Opt-In auf ein Opt-Out Impfsystem wäre wünschenswert. Ein Beispiel dafür ist die automatische Impfanmeldung für ungeimpfte Wiener:innen. Dieses System sollte für ganz Österreich ausgerollt werden und mit Beratungsterminen verknüpft werden.

Mehr zum Thema Impfpflicht & Impfprämie hier.

Joel Tölgyes

Coronamaßnahmen: Vor der nächsten Welle? Nutzen wir die Zeit!

Omicron Coronamaßnahmen

Glaubt man den Expertinnen und Experten, steht uns – dank der Omikron-Variante – im Jänner eine neue Corona-Welle ins Haus. Die Hoffnung auf einen Irrtum der Expert:innen reicht als Vorbereitung bei weitem nicht. Spätestens bei Welle Nummer fünf sollten wir aus vergangenen Fehlern gelernt haben.

Schulen und Kindergärten sicher gestalten

Was fehlt? Etwa krisensichere Regeln für Schulen und Familien. Es ist originell, wenn der neue Bildungsminister sagt, die Schulen mögen so lange offenbleiben, wie möglich. Die Frage ist doch: Was tun wir dafür? Die Infektionen schulterzuckend in Kauf nehmen? Die Wahrheit ist: für offene Schulen braucht es entweder mehr Anstrengungen in anderen Gesellschaftsbereichen, um die Corona-Inzidenz an sich zu drücken  oder deutlich mehr Ressourcen in den Schulen selbst, etwa um Distance Learning zu ermöglichen. Die Kindergärten könnten wir bei der Entwicklung von Schutz-Konzepten anders als bisher endlich mitdenken.  

Am Arbeitsmarkt vorsorgen

Ein Jänner-Lockdown würde die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt erneut treffen. Auch hier kann man vorsorgen: Das erste Corona-Jahr hat Mütter allein wegen ihrer reduzierten Erwerbsarbeitszeit mehr als eine Milliarde Euro an Einkommen gekostet. Wer arbeitslos wird, fällt auf rund die Hälfte des Einkommens zurück, in Trinkgeld-Berufen auf noch weniger. Die Fixkosten laufen aber weiter. Während wir Unternehmen mit Fixkostenzuschuss und Co großzügig helfen, ist auch im bald dritten Jahr der Pandemie das Arbeitslosengeld nicht angepasst worden.

Das Land wieder zusperren allein reicht übrigens nicht: Dass PCR-Tests außerhalb von Wien immer noch ein seltener Luxus sind, wird mit jedem Tag gefährlicher. Auch bei der Impfung muss mehr weitergehen – eine Million Stiche jede Woche braucht es nach Berechnungen des Momentum Instituts, damit Anfang Februar alle geimpft sind. Derzeit sind es knapp 700.000. Noch ist Zeit – aber nicht mehr lange.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Kleinen Zeitung.