Höhere Löhne wären auch hier gut: Man sieht die Arbeit im Bäckerei-Verkauf

Höhere Löhne: Die Arbeit in den Bäckereien ist hart.

/ 2. Juli 2021

Ist es wirklich so schwer, Arbeitskräfte zu finden? Nein. Der vermeintliche Arbeitskräfte-Mangel betrifft bei weitem nicht alle Branchen, auch nicht alle Betriebe einer Branche. Während manche Bäckereien höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen bieten, zahlen andere keinen Cent über dem Mindestlohn. Wer unzufriedene ArbeiterInnen hat, muss auch öfter nach MitarbeiterInnen suchen. Kündigungsfrist bei BäckereiverkäuferInnen: ein einziger Tag! Selbst nach 20 Dienstjahren. Dabei ist die Arbeit oft hart (im Fall der Bäckerei-VerkäuferInnen sprechen wir von permanentem Verkaufs-Stress und einem Arbeitsbeginn um fünf Uhr morgens) und bestenfalls mittelmäßig bezahlt. Umgang und Umgangston unterscheiden sich allerdings von Betrieb zu Betrieb. Ein Blick auf Stellen-Bewertungen im Internet legt die Vermutung nahe: Manche von denen, die nach Arbeitskräften schreien, dürften auch mit ihren Arbeitskräften schreien.

Arbeitssuchende kommen nicht zu Wort

Wir akzeptieren, dass Arbeitgeberinnen nach der besten, also: billigsten, bestqualifizierten, schnellsten Mitarbeiterin suchen (auch die „händeringend“ Suchenden nehmen nicht jeden und jede!). Daher sollten wir auch akzeptieren, dass Arbeitslose aus verschiedenen Angeboten das für sich Beste annehmen möchten. Für ungelernte Jobs im Handel heißt das wohl: lieber noch auf eine Antwort auf die Bewerbung bei der Supermarktkette warten, bei der 250 Euro mehr zu verdienen und die Bedingungen besser sind, als sofort beim Backfilialisten einzusteigen. Die Lohnunterschiede sind – zumal bei so niedrigen Gehältern – beträchtlich. Mutmaßungen von ArbeitgeberInnen, dass Bewerberinnen, die von ihrem Angebot nicht begeistert sind, lieber in der Arbeitslosigkeit verweilen, entbehren jeder Grundlage. Anders formuliert: Nur weil jemand nicht bei dir arbeiten will, heißt das nicht, dass diese Person gar nicht arbeiten will. Das könnten Arbeitskräfte oder Arbeitssuchende auch erzählen – sie kommen nur in der Debatte nicht zu Wort. So durfte eine Bäckerei-Ketten-Chefin zur besten Radio-Sendezeit darüber klagen, kein Personal zu finden. Dass danach eine Bewerbung bei ebendieser Kette wochenlang unbeantwortet blieb, darüber sprach niemand mehr, ist aber Realität für die rund 350.000 Arbeitslosen, die hunderte Bewerbungen schreiben, von denen viele unbeantwortet bleiben.

Oft wird in diesem Zusammenhang auch der vermeintlich geringe Abstand zwischen Arbeitslosengeld und Löhnen moniert – meist mit der Idee, das Arbeitslosengeld weiter zu senken. Österreichs Arbeitslosengeld ist mit einer Nettoersatzrate von 55% im Vergleich aber ohnehin niedrig. Aktuelle Hinweise aus dem US-Bundesstaat Missouri zeigen, dass Arbeitgeber, die zu wenig zahlen, selbst bei stark gesenkten Sozialleistungen immer noch Schwierigkeiten haben, MitarbeiterInnen zu finden. Tatsächlich zeigt sich das Problem des Abstands von Arbeitslosengeld und Löhnen doch in die andere Richtung: Die Löhne sind zu gering. Der Sozialpartner-Mindestlohn von 1500 Euro brutto liegt im Bereich der Armutsgrenze. Kann man davon leben? Sorgenfrei jedenfalls nicht.

Gesucht: gutes Gehalt, gute Bedingungen

Was also tun? Es sollte sich auch in den Niedriglohn-Branchen die Erkenntnis durchsetzen, dass mit gutem Gehalt und guten Bedingungen zu punkten ist. Verlangt man MitarbeiterInnen Überdurchschnittliches ab, sollte man auch überdurchschnittlich zahlen. Könnte das Preise in manchen Branchen erhöhen? Ja, aber nicht so stark wie gedacht: wenn bei einer 10-prozentigen Personalkostensteigerung für Bäcker das Handsemmerl um 3 Cent teurer wird, ist das für viele verkraftbar. Es ermöglicht aber vor allem, dass auch die, die die Semmeln herstellen und verkaufen, von ihrer Arbeit würdevoll leben können. 


Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in Der Presse.

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