Wecker als Symbolbild für Arbeitszeit
/ 13. März 2023

Arbeitsminister Martin Kocher bleibt bei seiner Forderung: Um mehr Menschen in Vollzeitbeschäftigung zu bringen, will er Teilzeitarbeit unattraktiver gestalten. Wie das konkret aussehen soll, ist ungewiss. Am besten aber durch finanzielle Anreize. Manchen Unternehmen fällt es derzeit schwer, offene Stellen zu besetzen - Stichwort: Arbeitskräftemangel. Die vermeintliche Lösung des Problems: Teilzeitbeschäftigte sollen durch finanzielle Anreize animiert werden, ihre Stunden aufzustocken. Was in der Debatte gerne ausgelassen wird: Bereits jetzt gibt es starke Anreize für eine Vollzeitbeschäftigung. Neben dem geringeren Lohn haben Teilzeitbeschäftigte bei allen einkommensabhängigen Sozial- und Versicherungsleistungen Nachteile. Sie bekommen jetzt schon eine kleinere Pension, weniger Arbeitslosen- oder Kinderbetreuungsgeld.

Drei von vier Teilzeitangestellten wollen eigentlich nicht Teilzeit arbeiten, müssen es aber. Vor allem Frauen machen sich keinen Lenz neben ihrem Teilzeitjob, sondern schupfen Haushalt, Kinder und Familie. Denn ihnen hängen wir immer noch das Gros der unbezahlten Sorgearbeit um. Zusätzliche Anreize werden sie nicht dazu bringen, auf eine volle Stelle zu wechseln, solange Kinder- und Altenbetreuung ihre Privatsache bleiben. Jene, die hingegen freiwillig weniger arbeiten, verdienen bereits sehr gut, wie die Einkommensstatistik zeigt. Sie können es sich leisten, auch weniger Stunden zu arbeiten. Wer gut verdient, verkraftet finanzielle Einbußen leichter. Auch in dieser Gruppe ginge die vom Minister gewünschte Anreizwirkung wohl eher gegen null.

Das veranschaulicht die verteilungspolitische Dimension der Arbeitszeitdebatte: Beschäftigte im reichsten Einkommenszehntel haben in den vergangenen sieben Jahren ihre Arbeitszeit um fast 7 Prozent reduziert. Das ist mehr als bei allen anderen Einkommenszehnteln und fast dreimal so viel, wie der Durchschnitt reduziert hat. Ärmere Einkommenszehntel hingegen würden gerne mehr Stunden arbeiten.

Bisher kaum beleuchtet wurde in der Debatte aber die Rolle der Unternehmen selbst. In einigen Branchen ist es fast schon Luxus, überhaupt eine Vollzeitstelle zu ergattern. Im Handel ist beispielsweise ein Drittel aller offenen Jobs nur als Teilzeitstelle ausgeschrieben. Viele Unternehmen setzen bewusst auf Teilzeit. So können sie kostengünstig auf die Nachfragespitzen, etwa am Samstag, reagieren. Es gibt vielen Gründe für Teilzeitarbeit. Wirkungsvolle Arbeitsmarktpolitik muss sich die Mühe machen, die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch differenziert zu betrachten.

Im Schnitt wollen aber die allermeisten ihre Arbeitszeit reduzieren. Kein Wunder, die letzte Stundenreduktion fand vor fast 40 Jahren statt, dabei haben Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer die Produktivität seither kontinuierlich gesteigert - siebenmal so viel wie im Jahr 1950 produzieren wir heute. Wo bleibt ihr Stück vom hart erarbeiteten Kuchen? Warum sollten die Produktivitätsgewinne nicht wie früher auch den Beschäftigten zugutekommen?

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Wiener Zeitung.

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