Wer schließt in Österreich maximal die Pflichtschule ab und wer geht den Bildungsweg bis zum Doktorat? Wie verteilen sich die Geschlechter auf die verschiedenen Bildungsniveaus? Wie verhält es sich mit Einkommen im Vergleich zum eigenen (höchsten) Bildungsabschluss und wie abhängig ist der eigene Bildungsgrad und die Einkommensperspektiven, die einen erwarten vom sozioökonomischen Hintergrund und Bildungsstand der Eltern? Diese Fragen werden im Bildungsreport in drei Teilen aufgearbeitet und anhand von EU-SILC Daten für Österreich analysiert. Der Fokus liegt dabei auf den Verknüpfungen von Bildung, Einkommen und Geschlecht in Österreich. Das Fazit des Bildungsreports: Ein Pay Gap kommt selten allein. Neben dem „klassischen“ Gender Pay Gap, gibt es viele weitere dieser (Einkommens)lücken – etwa auf Bildungsstand, Einkommen, Erwerbsstatus, Geschlecht oder Elternbildung bezogen.
Den detaillierten Bildungsreport gibt es als Download.
Das Bildungsniveau der österreichischen Bevölkerung ist in den letzten 50 Jahren deutlich angestiegen: Der Anteil jener mit maximal Pflichtschulabschluss ist stark zurückgegangen und der Anteil der Studierten mit Hochschulabschluss hat sich seit 1970 verfünffacht. Der häufigste höchste Bildungsabschluss in Österreich ist die Lehre, etwa ein Drittel der 25-64-Jährigen in Österreich hat einen Lehrabschluss als höchsten Bildungsgrad. Immerhin 12 Prozent der Bevölkerung hat maximal die Pflichtschule abgeschlossen, etwa ein Fünftel hat einen Universitäts- oder FH-Abschluss.
Bei der Verteilung der Bildungsabschlüsse in Österreich sind deutliche Geschlechterunterschiede erkennbar. Eine Lehre absolvieren fast doppelt so viele Männer wie Frauen. Frauen hingegen haben häufiger die Matura und schließen die Mehrheit der FH- und Universitätsabschlüsse ab – sie sind also höher gebildet.
Trotz des im Zuge der Bildungsexpansion erhöhten Bildungsniveaus in Österreich, ist die Bildungsbeteiligung der österreichischen Bevölkerung im internationalen Vergleich eher gering. Vor allem im Elementarbereich und bei der Bildungsbeteiligung der 15-19-Jährigen herrscht großer Aufholbedarf. Das EU-Kinderbetreuungsziel für unter 3-Jährige verfehlt Österreich seit Jahren. Bei der Bildungsbeteiligung der 15-19-Jährigen ist Österreich bei den EU-Schlusslichtern dabei. Auch das EU-Benchmark „lebenslanges Lernen“, bei dem der Fokus auf der Aus- und Weiterbildung der 25-64-Jährigen liegt, hat Österreich erneut verfehlt.
Gerade im Elementarbereich sowie auch im Primar- und Sekundarbereich wäre daher eine treffsichere Finanzierung notwendig. Diese bleibt allerdings aus, denn Österreichs Bildungsausgaben stehen seit Jahren still. Im Zeitverlauf betrachtet haben sich die Ausgaben für die jeweiligen Bildungseinrichtungen kaum verändert. Nur die Ausgaben für Kindertagesheime und Universitäten sind anteilig an den Bildungsausgaben des jeweiligen Jahres in den letzten 20 Jahren gestiegen. Besonders schlecht steht es um die Ausgaben für Berufsschulen: diese sind in den letzten zwei Jahrzehnten immer weniger geworden – und das, obwohl der Lehrabschluss der häufigste höchste Bildungsabschluss in Österreich ist.
Wer höher gebildet ist, hat auch mehr Einkommen. In engem Zusammenspiel mit Bildung und Einkommen steht auch der Faktor Geschlecht. Frauen in Österreich schließen häufiger hohe Bildungsgrade ab als Männer – trotzdem verdienen sie weniger, auch wenn sie gleich oder sogar höher gebildet sind. Der zweite Teil des Bildungsreports gibt Aufschluss über die Verknüpfungen von Bildung, Einkommen bzw. Erwerbstätigkeit und Geschlecht in Österreich.
Personen mit niedrigem Einkommen haben seltener hohe Bildungsabschlüsse. Während im reichsten Einkommensfünftel 41 Prozent der Personen einen Universitäts- oder FH-Abschluss haben, sind es im ärmsten Fünftel nur 15 Prozent. Mit höherer Bildung kommt auch mehr Einkommen. Der Einkommensunterschied zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Bildungsgrad – also einem Pflichtschulabschluss und einem Universitätsabschluss – liegt im Schnitt bei rund 60 Prozent.
Der „Education Gender Pay Gap“ (Education-GPG) liegt in Österreich zwischen 17 und 40 Prozent. Auch bei tertiären Bildungsabschlüssen liegt der Education-GPG zwischen 10 und 38 Prozent. Denn auch nach einem Universitäts- oder FH-Abschluss verdienen Frauen etwa 31 Prozent weniger als Männer mit dem gleichen Ausbildungsgrad.
Nach Studienfeldern aufgeschlüsselt gibt es ebenfalls enorme Education-GPGs: Es gibt kein Ausbildungsfeld, in dem Frauen nach Abschluss besser als Männer bezahlt werden bei gleichem Bildungsgrad. Ebenso verhält es sich bei den Bildungslevel-übergreifenden Education-GPGs: Eine Frau mit Masterabschluss verdient in der Sozialwissenschafts-, Journalismus- und Informationsbranche etwa 9 Prozent weniger als ein Mann mit Bachelorabschluss im gleichen Studienfeld.
Dass Frauen- und Männereinkommen ungleich verteilt sind, sieht man bereits an der Betrachtung der Geschlechterverteilung in den Einkommenszehnteln: 60 bis 70 Prozent der Personen in den ärmsten Einkommenszehnteln sind weiblich. Das reichste Einkommenszehntel besteht zu 80 Prozent aus Männern. Gereiht nach Einkommenszehnteln werden die Einkommensunterschiede zwischen erwerbstätigen Männern und Frauen größer, je reicher das Zehntel. An der Spitze der Einkommensverteilung (reichste 10%) verdienen Frauen um rund 32 Prozent weniger.
Unabhängig vom Bildungsgrad arbeiten Frauen häufiger Teilzeit als Männer. Jene wenigen Männer in Teilzeit verdienen trotzdem besser als Frauen in Teilzeit. Besonders wenn die Matura der höchste Bildungsabschluss ist und die Person Teilzeit-beschäftigt ist, ist der Gender Pay Gap gewaltig: Eine Frau verdient in diesem Fall um etwa 40 Prozent weniger. Auch bei Universitäts- oder FH-Teilzeitbeschäftigten wird eine geschlechtsspezifische Einkommenslücke deutlich: Frauen in Teilzeit verdienen nach diesem Bildungsabschluss etwa 25 Prozent weniger als Männer in Teilzeit.
In Österreich dauert es etwa fünf Generationen, bis eine Person aus der niedrigsten Einkommensgruppe in die Mittlere aufsteigt. Grund dafür ist mitunter die Tatsache, dass Bildung in Österreich noch immer sehr stark vererbt wird. Der eigene Bildungsweg und die damit zusammenhängenden Einkommensperspektiven sind abhängig vom sozioökonomischen Hintergrund der Eltern. Dieses Phänomen nennt man geringe „soziale Mobilität“, in Österreich ist diese Bildungsvererbung stark ausgeprägt. Auch bei der Vererbung von Bildung spielt Geschlecht eine Rolle. Der dritte Teil des Bildungsreports beschäftigt sich mit sozialer Mobilität in Österreich, mit den eigenen Bildungs- und Einkommensperspektiven in Abhängigkeit vom Einkommen und Bildungsstand des Elternhauses.
Rund 60 Prozent der Kinder aus Akdemiker:innen-Haushalten schließen selbst ein Hochschulstudium ab, während nur etwa 12 Prozent der Kinder aus Nicht-Akademiker:innen-Haushalten ein Hochschulstudium erfolgreich absolvieren. Besitzen die Eltern maximal einen Pflichtschulabschluss dreht sich das Bild um. 17 Prozent der Kinder von Nicht-Akademiker:innen-Eltern erreichen selbst nur einen Pflichtschulabschluss. Bei Akademiker:innen-Kindern sind es nur 4 Prozent die den Pflichtschulabschluss als maximalen Bildungsgrad absolvieren. Das heißt: Kinder von Akademiker:innen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit selbst einen tertiären Abschluss zu machen.
Je höher die Eltern gebildet sind, desto höher das eigene Einkommen. Kinder von Akademiker:innen verdienen selbst einmal besser, als Kinder von Nicht-Akademiker:innen. Der „Nicht-Akademiker:innen-Pay Gap“ liegt damit bei rund 12 Prozent.
Generell erreichen nur etwa 20 Prozent der Kinder von Nicht-Akademiker:innen selbst einen tertiären Bildungsabschluss. Allerdings haben diese wenigen Bildungsaufsteiger:innen auch höhere durchschnittliche Monatseinkommen als Akademiker:innen-Kinder mit Hochschulabschluss.
Der Vererbung von Bildung wird in Österreich außerdem von zwei Faktoren verstärkt. Zum einen führt die frühe Selektion von Schüler:innen (im Alter von 10 Jahren) in verschiedene Bildungswege und Schultypen zu einem stark differenzierten und selektiven System. Die Chancengleichheit und -gerechtigkeit im Bildungssystem leidet darunter. Zum anderen spielt das Geldbörserl der Eltern eine bedeutende Rolle: Je weniger finanzielle sowie anderwärtige Unterstützung, wie etwa Nachhilfeunterricht, vom Elternhaus kommen muss und je mehr dies vom Bildungssystem selbst bereitgestellt wird, desto weniger abhängig ist der eigene Bildungsweg von den Ressourcen und dem sozioökonomischen Hintergrund der Eltern. Beiden Problemen könnte man mit einer Gesamtschule und dem Ausbau der Ganztagsschule entgegnen.