Das Bild zeigt eine Demonstration für Klimaschutz.
/ 3. Dezember 2022

„Ich persönlich bevorzuge einen liberalen Diktator gegenüber einer demokratischen Regierung, der es an Liberalismus mangelt.“ Friedrich Hayek hat das gesagt, bekennender Fan des chilenischen Diktators Pinochet, bis heute Säulenheiliger marktradikaler Ökonom:innen. Sehnen sich alle Marktradikalen nach einer Diktatur vom Zuschnitt Pinochets? Franz Schellhorn, Chef einer marktliberalen Denkfabrik, würde die Frage lautstark verneinen und sich gegen den Untergriff wehren. Er selbst hatte keine Skrupel, anderen genau das zu unterstellen. Die Demokratie abschaffen wollen sie, die Klimaretter, warnt er allen Ernstes in einem Gastkommentar von letzter Woche. 
Zum Beweis zitiert er einen (!!) Ökonomen als Kronzeugen einer gruseligen demokratiefeindlichen Klimabewegung, die es in Wahrheit weder gibt noch braucht. 
 
Vielmehr ist die Klima-Bewegung ein zivilgesellschaftliches Bündnis, eng vernetzt mit unzähligen Klimawissenschaftler:innen. Ihrem Einsatz ist es zu verdanken, dass es Klimaschutz in die Schlagzeilen und ins öffentliche Bewusstsein geschafft hat. Ihre Arbeit sorgt dafür, dass es für konsequente Klimapolitik breite gesellschaftliche Mehrheiten gibt, wie Studien belegen. Besonders hoch ist die Zustimmung, wenn Klimapolitik auch sozial gerecht gestaltet ist, etwa wenn jene mit weniger Einkommen zielgerichtet unterstützt werden. Bürger:innen-Räte weltweit zeigen, dass, wer eigenverantwortlich Politik gestalten kann, weit konsequentere Klimaschutz-Maßnahmen vorschlägt, als sich in einem durchschnittlichen Regierungsprogramm finden lassen.
 
Wer die Feinde der Demokratie finden möchte, sollte ins Lobbyregister schauen. Es waren mehr Lobbyisten für fossile Brennstoffe auf der Klimakonferenz in Ägypten anwesend als alle Delegierte der zehn am stärksten von der Klimakrise betroffenen Länder zusammen. Das Ziel der Lobbys ist den Ausbau der Ölindustrie zu ermöglichen. 500 der 900 größten Öl- und Gaskonzerne wollen bis 2030 über 230 Milliarden Barrel Öl erschließen. Umgerechnet ist das die Menge an Treibhausgasen, die die gesamte EU ausstößt – in 30 Jahren. Klimaaktivist:innen haben diese Gefahr erkannt und tragen sie europaweit mit spektakulären Aktionen in die Öffentlichkeit. Politik und Journalismus fordern sie wegzusperren, Think Tank-Chefs wie Schellhorn beschwören das Ende der Demokratie.
 
Das Phänomen der öffentlichen Schuldumkehr ist gut erforscht. Von der Anti-Apartheid- bis zur Frauenbewegung: Wer sich für Veränderung einsetzt, der stört den Alltag jener, die davon erst mal nichts haben. Die Übersäuerung der Weltmeere, das Abschmelzen der Polkappen, das Massensterben der Arten – doch nicht in unserem Garten. Wer sich bislang vor der Klimakrise schützen kann, dank gutem Einkommen oder Haus im Grünen, dem fällt es schwer zu sehen, dass Vorteile, die er selbst genießt, auf Kosten des Wohlergehens anderer gehen – heute und in Zukunft. Unbehagen löst nicht die Klimakrise oder das klimapolitische Versagen der letzten Jahrzehnte aus. Zum “eigentlichen Problem” werden die Klima-Proteste und die Aktivist:innen gemacht: Die spalten die Gesellschaft und zerstören die Demokratie. Wahr ist das Gegenteil: Wir alle profitieren vom Konflikt der Klima-Aktivist:innen mit jenen, die das Ausmaß der Klimakrise verdrängen und den Status quo verteidigen. Sozialer Fortschritt wird immer gegen Widerstand durchgesetzt. Egal, was wir von den Klima-Aktivist:innen halten, jeden Millimeter Klimaschutz haben wir ihnen zu verdanken. 

Dieser Text erschien zunächst am 03.12.2022 in der Tageszeitung "Die Presse".

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