Schüssel
/ 20. Mai 2022

So groß der Wirbel um die hohen Energiepreise berechtigterweise ist – eine entscheidende Facette der Teuerung findet kaum Beachtung: die Wohnkosten. Kriegsbedingte Preissprünge sehen wir akut bei Energie und Treibstoff. Der konstante Inflationstreiber der letzten 15 Jahre sind aber die Mieten. Im privaten Bereich stiegen sie seit 2010 um mehr als die Hälfte an, das allgemeine Preisniveau nur um ein Fünftel. Wer zur Miete lebt, ist stärker von der Teuerung betroffen – und damit von jährlichen Realeinkommensverlusten.

Warum steigen die Mieten so rasant? Zum einen werden immer mehr Wohnungen befristet vergeben, mit Neuverträgen die Mieten tendenziell erhöht. Die Preise steigen schneller. Das trifft besonders junge Haushalte, die öfter Wohnung wechseln. Sie haben im Schnitt das niedrigste Einkommen, zahlen aber auf den Quadratmeter gerechnet am meisten Miete.

Zum anderen sind die Mietpreise an die Inflation gekoppelt. Nachdem die Regierung die Indexierung der staatlich regulierten Mieten im Vorjahr Corona-bedingt aussetzte, wurden sie mit 1. April um fast sechs Prozent erhöht. Das betrifft fast eine Million Menschen in Alt- und Gemeindebauten. Aktuell ziehen private Vermieter:innen nach, durch sogenannte „Wertsicherungsklauseln“, die man oft in langfristigen Mietverträgen findet. Sie orientieren sich am Verbraucherpreisindex – der seit Mitte 2019 um über zehn Prozent gestiegen ist. Wer also Mitte 2019 einen Mietvertrag mit Wertsicherungsklausel von zehn Prozent oder darunter abschloss, den erwartet nun eine sprunghafte Mieterhöhung.

Die Mietpreisspirale

Mieten selbst haben mit 5,4 Prozent ein hohes Gewicht im Verbraucherpreisindex, sie beeinflussen die Teuerung maßgeblich. Steigen sie so wie heuer, treibt das die Inflation. Die ist wiederum Grundlage für die nächste Mietpreisanpassung - ein sich selbst verstärkender Prozess: die Mietpreis-Spirale. Diese Dynamik wird bemerkbar, sobald sich die Mieterhöhungen aus dem Frühjahr niederschlagen.

Die Mieter:innen zahlen doppelt

Eine von Energiepreisen getriebene Teuerung zahlen Mieter:innen doppelt: Sie tragen die höheren Kosten für den Energieverbrauch der Wohnung. Trotzdem schlagen Vermieter:innen mit Mieterhöhungen die Energie-Teuerung ein zweites Mal drauf. Das Ergebnis ist eine Umverteilung von unten nach oben: Das Fünftel der Menschen mit den geringsten Einkommen lebt überwiegend zur Miete. Sie geben dafür monatlich 250 Millionen Euro aus - Zahlungen an das reichste Zehntel der Menschen im Land. Sie halten über die Hälfte des Bruttovermögens und erhalten über 80 Prozent der privaten Mieteinnahmen.

Die letzten Jahre brachten zudem einen Spekulationsboom: Wohnraum wurde zur Wertanlage, Immobilien sind um ein Drittel überbewertet. In Wien entstehen zwar viele neue Wohnungen, interessant für Anleger:innen ist aber vor allem das Hochpreissegment. Hier kann entweder viel Miete verlangt werden, oder die Wohnung steht leer. Warum vermieten, wenn es vorrangig um Wertsteigerungsgewinne geht?

Dagegen wird derzeit eine Leerstandsabgabe diskutiert. Sie alleine würde die Probleme am Wohnungsmarkt nicht lösen. Treffsicher ausgestaltet kann sie aber einen Teil zur Eindämmung der Wohnraumspekulation beitragen. Um die Miet-Preis-Spirale zu bremsen, könnten Mieterhöhungen ausgesetzt werden – auch rückwirkend. Die Politik hat lange davor zurückgeschreckt, in den Wohnungsmarkt einzugreifen. Hier gilt die Abwägung zwischen dem Interesse der Eigentümer:innen und dem begrenzten Angebot an Grundstücken, die leistbares Wohnen als Grundrecht immer mehr erschweren. Beim Blick auf die Vermögensverteilung sollte sich der sozial verträgliche Weg schnell offenbaren.

Dieser Artikel erschien zunächst am 20.05.2022 als Gastkommentar in der Tageszeitung "Die Presse". Zu diesem Thema erschien außerdem der Momentum Institut Wohnreport.

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