Klima
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Eine kluge Steuerreform priorisiert Klimaschutz und Armutsbekämpfung

Mattias Muckenhuber
27. September 2021
Eine kluge Steuerreform priorisiert Klimaschutz und Armutsbekämpfung

Die aktuelle sowie zukünftige Regierungen stehen vor großen Herausforderungen: Einerseits erfordert die sich abzeichnende Klimakrise rasches und energisches Handeln. Andererseits braucht es nicht nur im Hinblick auf die alternde Bevölkerung einen stark ausgebauten Sozialstaat, der einen Ruhestand in Würde und eine gute Pflege für alle sicherstellt. Zusätzlich dazu hat die Corona-Krise auch noch viele Wirtschaftsbereiche hart getroffen.

Von geplanter Steuerreform profitieren vor allem hohe Einkommen

Die bisher bekannten Details der geplanten Steuerreform sind jedoch ernüchternd. Angesichts der Corona-Krise, die viele soziale Ungleichheiten noch verschärft hat, hätte man ein großes Reformpaket schnüren können, das so viele wie möglich über die Armutsgefährdungsschwelle hebt. Die Regierung hält aber unbeirrt am Regierungsprogramm fest.

Die Senkung der unteren drei Einkommenssteuersätze erreicht beispielsweise die niedrigsten Einkommensbezieher:innen gar nicht. Teilzeitbeschäftigte (vor allem Frauen sowie viele Systemerhalter:innen) und Saisonarbeitskräfte verdienen oft gar nicht genug, um von einer Steuersenkung zu profitieren. Gleichzeitig bescherte die bereits 2021 erfolgte Senkung des niedrigsten Steuersatzes von 25 auf 20 Prozent allen (einschließlich Manager-Millionengehältern), die genug verdienen, Einkommensgewinne. Die für 2022 geplante Senkung der höheren Steuersätze betrifft nur die obere Hälfte der Einkommensverteilung. Damit profitieren Menschen mit hohen Einkommen von allen Etappen der Steuerreform. Auch die ohnehin große Einkommenslücke zwischen Frauen und Männern wird durch die Reform verschärft: Männer profitieren mit durchschnittlich 60 Euro netto pro Monat doppelt so stark wie Frauen!

Geplante CO2-Steuer für Lenkungswirkung zu niedrig

Was bisher von der CO2-Steuer bekannt ist, deutet ebenso auf keinen großen Wurf hin. Eine CO2-Steuer von maximal 50 Euro würde die Preise auf Diesel und Benzin um rund elf Cent verteuern. Dass so Lenkungseffekte wirken, muss bezweifelt werden – auch vor dem Hintergrund einer Verkehrspolitik, die es verabsäumt hat, auf klimafreundliche Alternativen zum PKW-Verkehr zu setzen. Wie die Rückverteilung der CO2-Einnahmen aussehen wird, ist noch nicht bekannt. Ein sozial gestaffelter Ökobonus – eine Kopf-Pauschale, die vor allem Haushalten mit niedrigem Einkommen zugute kommen soll – wäre hierfür eine sinnvolle Basis. Zudem sollten besonders stark betroffene Haushalte ohne gute Öffi-Anbindung und Mieter:innen unterstützt werden. Denn letztere würden zwar CO2-Steuer zahlen, können aber nicht so einfach ihr Heizsystem tauschen, weil dafür die Vermieter:innen zuständig sind. Die Abschaffung von Diesel- und Dienstwagen-Privileg und eine sozial-ökologische Reform des Pendlerpauschale sollten ebenfalls angegangen werden.

Wo eine gelungene Steuerreform ansetzen müsste

Wie lassen sich die großen Herausforderungen der Zukunft meistern? Einerseits mit einer Steuerreform, die ihren Namen verdient und nicht nur die während der Corona-Krise ohnehin dicker gewordenen Sparbücher der Besserverdienenden stärkt. Andererseits braucht es eine Vielzahl an CO2-bezogenen Abgaben, die über eine reine Steuer hinausgehen.

Unser Steuersystem missachtet derzeit zwei zentrale Grundsätze der Steuergerechtigkeit. Wer mehr Einkommen hat, trägt (in Prozent seines Einkommens) nicht mehr an Steuern und Abgaben bei. Mit knapp über 45 Prozent ist der Steuerbeitrag über weite Teile der Bevölkerung gleich hoch – er setzt sich nur aus unterschiedlichen Quellen (z.B: Mehrwertsteuer oder Lohnsteuer) zusammen. Außerdem werden Kapitalerträge schonender behandelt. Auf ein Bruttojahreseinkommen von 100.000 Euro, das erarbeitet wurde, werden knapp 39.000 Euro an Steuern und Abgaben fällig. Stammt es aus Vermögenserträgen, fallen darauf nur 27.500 Euro an Steuern an.

Daraus resultiert eine enorme Ungleichheit zwischen der Besteuerung von Arbeit und Kapital. Der Faktor Arbeit kommt in Österreich für acht, Vermögen nur für einen von zehn Steuereuros auf. Die Staatshilfen zur Rettung von Unternehmensvermögen werden also vor allem von Arbeitnehmer:innen bezahlt.

Vermögens- und Erbschaftssteuer längst überfällig

Eine Post-Corona-Steuerreform bietet die Chance einen fairen Beitrag von hohen Vermögen einzuheben. In etwa 1.250 Milliarden Euro besitzen die österreichischen Haushalte, 40 Prozent davon entfallen alleine auf das reichste Prozent. Eine moderate Vermögenssteuer würde daran wohl nicht einmal etwas ändern, könnte aber zumindest für etwas mehr Steuergerechtigkeit sorgen – eine Mehrheit der Österreicher:innen ist bereits dafür.

Ebenso könnte man mit der Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer einen historischen Fehler wiedergutmachen. Potenzial dafür gäbe es genug: In den nächsten drei Jahrzehnten sollen geschätzt knapp 600 Milliarden an leistungslosem Einkommen vererbt werden – und das komplett steuerfrei.

Auch Vermögenseinkommen, die noch konzentrierter sind als die Vermögen selbst, müssen fair besteuert werden. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Dividenden einer geringeren Besteuerung unterliegen sollen als das mittlere Bruttoeinkommen einer Vollzeit tätigen Arbeitskraft. Eine steuerliche Gleichbehandlung von Einkommen – egal aus welcher Quelle es stammt – wäre sichergestellt, wenn man alle Einkommensarten einer progressiven Besteuerung unterzieht.

Zuletzt ist es auch unverständlich, warum die Regierung gerade für Unternehmen, die mehr als die Hälfte der Corona-Hilfen erhalten haben, gleich doppelt die Steuern senken will. Einmal direkt durch eine Körperschaftssteuersenkung und zusätzlich indirekt durch eine fiktive Eigenkapitalverzinsung. Österreich darf hier die internationale Dumpingspirale bei Unternehmenssteuern nicht noch weiter befeuern.

Österreich braucht Klimainvestitionen statt Sparpolitik

Wenn der Finanzminister davon spricht, dass Österreich schnellstmöglich zum Schuldenabbau zurückkehren soll, gleichzeitig aber vor allem bei den Vermögendsten die Steuern gesenkt werden, dann kann die Lücke im Staatshaushalt nur durch niedrigere Sozialleistungen und geringere Klimainvestitionen finanziert werden. Diese Sichtweise ist aber katastrophal kurzsichtig. Denn gerade für die gerechte Transformation zu einer klimakompatiblen Gesellschaft braucht es jetzt große Ausgaben. Die Alternative, eine ungebremste Klimakatastrophe, wäre jedenfalls teurer als alles, was wir kennen.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Wiener Zeitung.

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