Es ist mal wieder so weit: Heute ist Equal Pay Day. Das bedeutet, dass Frauen in Österreich von Jahresbeginn bis zum heutigen 15. Februar 2022 statistisch gesehen unbezahlt gearbeitet haben. Seit Jahresbeginn sind insgesamt 46 Tage vergangen, an denen Frauen aufgrund des Gender Pay Gaps, also des Einkommensunterschieds zwischen den Geschlechtern, rein rechnerisch gratis gearbeitet haben. Der Equal Pay Day stellt also symbolisch jenen Tag dar, ab dem Frauen wieder für ihre geleistete Lohnarbeit bezahlt werden.
Im Jahr 2021 wurde der Equal Pay Day am 21. Februar ausgerufen – im Vergleich zum Vorjahr ist der Tag also um sechs Tage nach vorne gerückt. Allerdings werden für die Berechnung des Equal Pay Days nur die Einkommensunterschiede von Vollzeitbeschäftigten herangezogen – Teilzeitbeschäftigte, die noch dazu größtenteils weiblich sind (rund 47 % im Jahr 2020), sind in dieser Rechnung nicht inkludiert. Die „unbereinigte“ Einkommensschere verzerrt das Bild enorm: Der errechnete Gender Pay Gap von 12,7 % wird künstlich kleingerechnet – die wahre geschlechtsspezifische Einkommenslücke liegt eigentlich bei satten 36 %, wenn Teilzeitbeschäftigte und auch nicht ganzjährig Beschäftigte inkludiert werden. Somit wird auch der Equal Pay Day viel zu früh ausgerufen. Rechnet man Teilzeitbeschäftigte dazu, fällt der „echte“ Equal Pay Day nämlich erst auf den 10. Mai 2022.
Die regionalen Unterschiede sind eklatant. Es kommt in Österreich stark darauf an, in welchem Bundesland frau lebt und arbeitet. Während Wienerinnen dieser unbereinigten Rechnung nach „nur“ 15 Tage unbezahlt arbeiten (Pay Gap von 4,2 %), sind es bei Vorarlbergerinnen bei einem Einkommensunterschied von 22,2 % gegenüber Männern bereits 81 Tage seit Jahresbeginn, die sie gratis gearbeitet haben. Nach einer um Teilzeitbeschäftigte bereinigten Kalkulation stehen sich der Westen und der Osten des Landes mit Pay Gaps von 18 % in Wien und knapp 47 % in Vorarlberg gegenüber.
Nicht nur beim Erwerbseinkommen werden die Unterschiede zwischen den Geschlechtern deutlich. Frauen in Österreich verlieren eigentlich in allen Bereichen: Sie bekommen um 8 % weniger Arbeitslosengeld, besitzen um knapp 30 % weniger Vermögen, erben um 36 % weniger als Männer und mit 38 % weniger Pensionsgeld steigen Frauen auch bis ins hohe Alter um einiges schlechter aus. Die sogenannte Teilzeit-Falle, in der sich viele Frauen befinden und der große Unterschied bei Pensionszahlungen haben verheerende Auswirkungen auf das Lebenseinkommen von Frauen. Schon durch kurze Teilzeit-Phasen verliert eine Frau, die im Vollzeit-Job 2.500 Euro brutto verdient, nach einer fünfjährigen Teilzeitphase mehr als 48.000 Euro an Lebenseinkommen – durch entgangenes Gehalt und geringere Pensionszahlungen. Je nach Dauer der Teilzeit-Phase und monatlichem Bruttogehalt kann dieser Verlust auf bis zu 200.000 Euro an verlorenem Lebenseinkommen ansteigen.
Sucht man nach Gründen für dieses Lohngefälle, wird häufig das Teilzeit-Argument herangezogen. Was dabei jedoch gern unter den Tisch gekehrt wird, sind die wahren Gründe für die hohe Teilzeitquote von Frauen in Österreich. Ein Hauptgrund für die hohe Teilzeitquote der Frauen und die damit verbundenen Gehaltseinbußen ist, dass in Österreich hauptsächlich Frauen für Kinderbetreuung verantwortlich sind. Vergleicht man die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen in den einzelnen Bundesländern lässt sich auch ein leichter Zusammenhang ablesen: Dort wo es längere Öffnungszeiten gibt, ist auch die Einkommenslücke geringer.
Neben mangelnder Kinderbetreuungsangebote ist auch Karenz ein Thema: Väter gehen – wenn überhaupt – nur sporadisch in Karenz (lediglich 1 % der Väter geht länger als 6 Monate in Karenz).
Das sind die wahren Gründe, warum Frauen so häufig Teilzeit beschäftigt sind und daher enorme Gehaltseinbußen in Kauf nehmen müssen. Die höhere Teilzeitquote von Frauen führt auch nicht nur zu niedrigeren Gehältern, weil dadurch weniger Stunden gearbeitet wird – auch pro Stunde sind Teilzeitjobs niedriger entlohnt. Außerdem zahlen Branchen, in denen vermehrt Frauen arbeiten, niedrigere Gehälter als jene, in denen eher Männer beschäftigt sind. Frauen erreichen auch seltener Führungspositionen als Männer. Schlussendlich spielt auch reine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts eine nicht zu vergessende Rolle für den Gender Pay Gap.
Wenn Österreich im bisherigen Tempo weitermacht, gegen die finanzielle Ungleichheit zwischen Frauen und Männern anzukämpfen, dann werden selbst unsere Ur-Ur-Ur-Enkelinnen im Jahr 2362 noch nicht gleichgestellt und -bezahlt sein. Österreichs Gender Pay Gap hat sich in den letzten 20 Jahren um sagenhafte 2 Prozentpunkte verringert.
Ein Blick in andere Länder lohnt sich, um das Tempo anzukurbeln und treffsichere Maßnahmen zu schaffen: Gesetzliche Verbote, gleiche Arbeit ungleich zu bezahlen, verpflichtende Väterkarenz und Arbeitszeitverkürzung à la 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich gibt es in Island. Kostenlose und flächendeckende Kinderbetreuung führen in Skandinavien zu höheren Kinderbetreuungsquoten. Auch die Mindestpensionen müssen erhöht werden – um nur ein paar Ideen zu nennen. Es wird also Zeit für die Politik, sich von den Equal Pay Day-Glocken aufwecken zu lassen und dafür zu sorgen, dass Frauen keinen Tag länger unbezahlt arbeiten.