equal pay 2024
/ 12. Februar 2024

Der nächste Equal Pay Day steht bevor. Von Jahresbeginn bis zum 14. Februar 2024 arbeiten ganzjährig vollzeitbeschäftigte Frauen statistisch gesehen gratis. Grund dafür ist der Gender Pay Gap – das geschlechtsspezifische Lohngefälle beträgt in Österreich nämlich immer noch 12,4 Prozent. Nimmt man auch Teilzeitbeschäftigte in die Rechnung hinein, wächst die Lohnschere sogar auf 35 Prozent an. Der wahre Equal Pay Day fällt im Jahr 2024 also auf den 8. Mai. Nach 128 Tagen „unbezahlter Erwerbsarbeit“, werden alle teilzeit- und vollzeitbeschäftigten Frauen in Österreich also endlich wieder bezahlt.

Stillstand beim Gender Pay Gap

Verändert hat sich in den letzten Jahren wenig – der Gender Pay Gap hat sich in einem Vierteljahrhundert um nur 3 Prozentpunkte verringert. Schreibt man diese Entwicklung fort, haben wir erst in 300 Jahren (Jahr 2321) Einkommensgleichheit.

Auch in den Bundesländern steht es teilweise enorm schlecht um die gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Während der Wiener Equal Pay Day der vollzeitbeschäftigten Frauen bereits am 12. Jänner (Gender Pay Gap Vollzeit: 3 %) stattgefunden hat, müssen Vorarlberg’s vollzeitbeschäftigte Frauen heuer 77 Tage bzw. bis zum 18. März unbezahlt arbeiten (Gender Pay Gap Vollzeit: 21 %).

Das Märchen der Berufswahl

Sätze wie „Augen auf bei der Berufswahl“ oder „Frauen in die MINT-Berufe“ hört man hierzulande besonders häufig im Zusammenhang mit dem Gender Pay Gap. Würden Frauen die „richtigen“ Ausbildungsfelder wählen und sich für die “richtigen” Berufe entscheiden, dann würden sie auch nicht so schlecht bezahlt bekommen - am Gender Pay Gap sind die Friseurinnen mit ihrer Berufswahl eben selbst schuld. Das stimmt so nicht ganz. Gründe gibt es dafür mehrere:

Die Abwertungstheorie

Die sogenannte „Abwertungstheorie“ besagt, dass die Arbeit von Frauen einen niedrigeren Stellenwert hat – sie wird ökonomisch entwertet. In der Realität bedeutet das: Drängen mehr Frauen in einen Beruf oder eine Branche, dann sinkt dort der Lohn. Das führt dazu, dass Berufe, in denen überdurchschnittlich viele Frauen arbeiten, strukturell schlechter bezahlt werden als Berufe, in denen überdurchschnittlich viele Männer sind (Momentum Institut, 2023).

Gleichzeitig entsteht dadurch die bizarre Situation, dass es viel mehr gut bezahlte „Männerbranchen bzw. -berufe“ gibt, als gut bezahlte „Frauenbranchen“. Das zeigt der Vergleich der Frauen- und Männeranteile in den verschiedenen Branchen mit dem durchschnittlichen Bruttostundenlohn. Über alle Branchen hinweg liegt der durchschnittliche Bruttostundenlohn im Jahr 2022 bei etwa 23,40 Euro. Nun gibt es Berufe und Branchen, in denen der durchschnittliche Stundenlohn über diesem Mittelwert liegt, oder darunter und diese Branchen sind entweder männlich oder weiblich dominiert. Von 36 gut bezahlten Branchen, sind 29 männlich dominiert, lediglich sieben haben einen höheren Frauenanteil. Das Verhältnis der Geschlechter in gut bezahlten Branchen liegt also bei 80:20.

Hinzu kommt, dass die überdurchschnittlich bezahlten „Frauenbranchen“ nicht einmal so stark weiblich dominiert sind: In den Top-3 gut bezahlten „Frauenbranchen“ übersteigt der Frauenanteil die 50 %-Marke nur ganz knapp. Bei den Top-3 der am besten bezahlten „Männerbranchen“ liegt der Männeranteil zwischen 55 und 77 Prozent.

Die Warteschlangentheorie

Laut „Warteschlangentheorie“ holen sich Arbeitgeber:innen Personen mit höherem sozialen Status lieber und schneller in den Job. Gutbezahlte Stellen gehen also eher an Männer – Frauen müssen auf schlechter bezahlte Jobs ausweichen. Daher sind Frauen auch seltener in Führungspositionen vertreten. 2022 war nur ein Drittel der Führungskräfte weiblich.

Außerdem möchte man meinen: Durch einen Hochschulabschluss erhöht sich die Chance auf eine Führungsposition. Nicht bei Frauen: Nur 7 Prozent der weiblichen Uni-Absolvent:innen besetzen eine Führungsposition. Bei den männlichen Uni-Absolvent:innen sind es knapp 15 Prozent (Statistik Austria, 2022). Dabei gibt es bereits mehr weibliche Hochschulabsolvent:innen als männliche, da Frauen häufiger einen Hochschulabschluss machen (Bildungsreport, 2022). Führungspositionen bekommen sie dennoch deutlich seltener.

Frauen in die Männerbranchen?

Wenn Frauen in weiblich dominierten Branchen schlechter bezahlt werden, dann sollten sie eher typische „Männerberufe“ ergreifen und MINT-Ausbildungen absolvieren, um der Lohndiskriminierung zu entgehen – so das Mantra.

Doch die Gender Pay Gaps sind in männerdominierten Berufsfeldern mitunter am höchsten. Eine Studie (Ransmayr & Weichselbaumer, 2022) erforscht die Lohnunterschiede zwischen jungen Uni-Absolvent:innen in Deutschland. Die Absolvent:innen sind so jung, dass großteils noch keine Kinder im Spiel sind - das alte Teilzeitargument also keine Rolle spielen kann beim Lohnunterschied. Plus: Frauen und Männer haben beim ersten Job ähnlich wenig Berufserfahrung, Beförderungen oder besonders geschickte Lohnverhandlungen sind auch noch kein Thema. Das Ergebnis: Je mehr Frauen einen Beruf wählen, umso niedriger sind die Löhne. Die Studie bestätigt also die Abwertungstheorie bei Uni-Absolvent:innen.

Die Studie zeigt auch, dass Frauen selbst in männerdominierten Berufen schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen. Der Gender Pay Gap ist in den technischen und naturwissenschaftlichen Berufen und Studienfeldern mitunter am größten – vor allem in der „Männerbranche“ Ingenieurwesen und Naturwissenschaften – ein Bild, das sich auch für Österreich bestätigt.

Vor allem die technischen Studienfächer sind bei Männern besonders beliebt, so liegt der Männeranteil der Technik und Montanistik-Absolvent:innen bei 71 bzw. 75 Prozent. Frauen dominieren bei den Uni-Abschlüssen eher die geisteswissenschaftlichen und künstlerischen Studienfächer.

Das bildungsbezogene Erwerbskarrierenmonitoring der Statistik Austria gibt Aufschluss über die inflationsbereinigten Medianeinkommen (2022) unselbständig erwerbstätiger Master-Absolvent:innen. Dabei werden ausschließlich unter 30-Jährige vollzeiterwerbstätige Frauen und Männer 18 Monate nach ihrem Master-Abschluss verglichen. Auch die österreichischen Daten sind damit auf Arbeitszeit bereinigt und Kinder spielen ebenso noch keine nennenswerte Rolle.

Die Daten zeigen: Bereits eineinhalb Jahre nach einem Master-Abschluss gibt es enorme geschlechtsspezifische Einkommensunterschiede. Insgesamt bekommen Frauen mit einem Master, Diplom-, Universitäts-, FH-, oder PH-Abschluss um etwa 13 Prozent weniger als Männer mit dem gleichen Bildungsabschluss. Frauen mit Master in der Studienrichtung „Ingenieurwesen, verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe“ werden so kurz nach ihrem Abschluss sogar um etwa 18 Prozent geringer entlohnt als Männer in diesem Studienfeld – und das bei Vollzeiterwerbstätigkeit. Interessant ist, dass der Gender Pay Gap im sehr stark weiblich dominierten Studienfeld „Pädagogik“ mit etwa 3 Prozent kaum vorhanden ist. Das würde darauf hindeuten, dass jene wenigen Männer, die in der „Frauenbranche“ Pädagogik tätig sind, weniger lohndiskriminiert werden als Frauen in den „Männerbranchen“.

Der Education-Gender Pay Gap verschwindet nicht

Dem Absolvent:innen-Tracking der Statistik Austria können wir entnehmen, wieviel Frauen und Männer drei Jahre nach einem Bachelor- oder Master-Abschluss in bestimmten Studienfeldern verdienen. Auch hier werden die Einkommen inflationsbereinigt (Preisniveau 2021) und es werden nur vollzeiterwerbstätige Personen, die zum Abschlusszeitpunkt unter 35 Jahren alt waren, betrachtet.

Drei Jahre nach einem Master-Abschluss liegt der Gender Pay Gap im Studienfeld „Ingenieurwesen, verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe“ immer noch bei 16 Prozent. Auch in der Informatik und Kommunikationstechnologie bekommen Frauen drei Jahre nach einem Master-Abschluss um 10 Prozent weniger gezahlt als Männer. Der Gender Pay Gap in der Pädagogik wächst in eineinhalb Jahren von drei auf satte 12 Prozent an. Das deutet darauf hin, dass die überwiegend weiblich dominierte Arbeit in der Pädagogik stärker abgewertet wird, als es noch kurz nach dem Abschluss der Fall ist.

Die ungleiche Bezahlung von Frauen gegenüber Männern reicht sogar so weit, als dass eine Frau mit einem Master-Abschluss in der Studienrichtung „Ingenieurwesen, verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe“ drei Jahre nach ihrem Abschluss etwa 11 Prozent weniger gezahlt bekommt als ein männlicher Bachelor-Absolvent der gleichen Studienrichtung. Der Gender Pay Gap ist also auch Bildungslevel-übergreifend vorhanden.

Frauen verlieren immer

Frauen zu sagen, dass der Gender Pay Gap verschwindet, wenn sie häufiger MINT-Berufe wählen, ist also eine glatte Lüge. Ein grober Blick auf alle vollzeit- und teilzeiterwerbstätigen Frauen und Männer jeglichen Alters zeigt, dass es in den stark männlich dominierten Berufen auch die größten Gender Pay Gaps gibt.

Die Gender Pay Gaps sind auch dann noch riesig, wenn die Median-Bruttostundenlöhne von vollzeitbeschäftigten Frauen und Männern in verschiedenen Berufen laut ISCO08-Klassifikation betrachtet werden. Mit einem Männeranteil von 97 Prozent, verdienen Frauen im Elektriker:innen-Beruf etwa 27 Prozent weniger, als ihre männlichen Kollegen. Bei den Ingenieurtechnischen und vergleichbaren Fachkräften besteht auch nach Vollzeit-Bruttostundenlohn-Betrachtung immer noch ein Gender Pay Gap von 25 Prozent. Jene wenigen 7 Prozent Frauen, die in diesem Beruf tätig sind, verdienen also ein Viertel weniger als Männer. 

Frauen finden sich also in einer „lose-lose“ Situation: Sind sie in einer “Männerbranche bzw. -beruf” tätig, werden sie schlechter bezahlt als die dort tätigen Männer. Sind sie in einer “Frauenbranche bzw. -beruf”, bekommen sie auch weniger, da die "weibliche Arbeit" abgewertet wird.

Die Abwertungstheorie – also die Entwertung weiblicher Arbeit – beginnt übrigens schon bei der Lehre: Jene Lehrberufe, die häufiger von Männern ergriffen werden, sind auch wesentlich besser bezahlt. Die Top-3 Lehrberufe, die am häufigsten von Frauen gewählt werden: Bürokauffrau, Einzelhandel, Friseur:in/Stylist:in. Bei den Männern: Elektrotechnik, Metalltechnik und Kfz-Technik. Ein Blick auf die Einstiegsgehälter in diesen Berufen verrät, wie sich die ungleiche Bezahlung von verschiedenen Lehrberufen im späteren Erwerbsleben fortsetzt.

Das bildungsbezogene Erwerbskarrierenmonitoring hält fest, dass die Einkommensunterschiede von Frauen und Männern nach einem Lehrabschluss bereits 18 Monate nach Einstieg in den Arbeitsmarkt enorm sind: Weibliche Lehrberuf-Absolvent:innen bekommen etwa 23 Prozent weniger bezahlt als männliche. Dieser Gender Pay Gap ist mitunter von den deutlich schlechter bezahlten „Frauen-Lehrberufen“ getrieben: Nach Lehrabschluss müssen Friseur:innen oder Stylist:innen mit einem Einstiegsgehalt von rund 1.700 Euro brutto rechnen, Bürokauffrauen mit etwa 1.900 Euro brutto. Elektrotechniker:innen und Metalltechniker:innen hingegen können Einstiegsgehälter nach Lehrabschluss von etwa 2.500 bis 2.600 Euro brutto erwarten (AMS Gehaltskompass, 2022).

Was nun?

Die Lösung darf nicht länger lauten „Frauen in die MINT-Berufe“ oder „Vollzeit statt Teilzeit arbeiten“. Die Warteschlangen- und die Abwertungstheorie in Kombination mit der Beobachtung, dass Frauen in männerdominierten Branchen und Berufen mitunter die größte Lohndiskriminierung erfahren, sprechen für sich. Es braucht gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, vor allem für gleichwertige Arbeit. Viele Berufe, die weiblich und schlecht bezahlt sind, sind systemerhaltend. Der Gender Pay Gap wird nicht wie von Zauberhand verschwinden – veraltete Rollenbilder müssen aufgebrochen werden und der Wert von Arbeit bzw. der Mehrwert einer Tätigkeit für eine Gesellschaft diskutiert werden.

Das Momentum Institut empfiehlt:

  • Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung und Altenpflege, sowohl qualitativ als auch quantitativ.
  • Eine verpflichtende Väterkarenz kann dazu beitragen, dass Mütter wieder schneller in die Erwerbsarbeit zurückkehren.
  • Zusätzlich kann die verpflichtende Transparenz bei Gehältern Diskriminierung vorbeugen und dabei helfen, dass Frauen für die gleiche und gleichwertige Arbeit auch tatsächlich das gleiche Gehalt bezahlt bekommen.
  • Verpflichtende Frauenquoten auf allen Ebenen – sowohl in öffentlichen Einrichtungen als auch in der Privatwirtschaft, vor allem auch auf Vorstands- und Managementebenen und nicht nur in Aufsichtsräten
  • Außerdem ist es empfehlenswert die Löhne in Niedriglohnbranchen anzuheben, etwa durch die Einführung eines KV-Mindestbruttolohns von 2.500 Euro.

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