Begleitend mit den neuen Maßnahmen zum Zertifikatehandel sind daher Umverteilungsmaßnahmen notwendig, die die Kommission mit der Rückverteilung der Auktionseinnahmen und der Errichtung eines Sozialfonds installiert (Der Sozialfonds wird von dieser ersten Schnelleinschätzung nicht analysiert). Um negative Effekt auf Beschäftigung und ärmere Haushalte zu vermeiden, stellen vor allem Rückvergütungen als Pauschalbeträge (Lump sum payments) die verteilungspolitisch sinnvollste Maßnahme dar, auch wenn sie den das eigentliche Problem der Verteilungsungerechtigkeit nicht lösen (Cambridge Econometrics 2021).
Zudem steht das Emissionshandelssystem seit seiner Etablierung berechtigterweise unter Kritik. Wichtige Reformoptionen wie ein Mindestpreis oder schnellere Abschaffung der kostenlosen Zertifikate wurden nicht aufgenommen, was den Preis einige Jahre zu tief für große Lenkungseffekte blieben lies.
Was bedeutet „Carbon Border Adjustment Mechanism“?
Die Einführung einer CO2-Grenzabgabe macht durchaus Sinn. Sie zieht Unternehmen zur Verantwortung, die vor angemessenen nationalen (bzw. Europäischen) Klimazielen in Drittstaaten “fliehen”, um dort uneingeschränkt produzieren zu können. Eine Ausweitung auf weitere Sektoren, die etwaige Risiken von “Carbon Leakage” bergen, wäre jedoch angebracht. Die europäische Union darf nicht übersehen, dass sie mit dem Import, Konsum und allgemein der Nachfrage von energieintensiven Gütern indirekt für einen großen Teil der im Ausland “produzierten” Emissionen mitverantwortlich ist. Die Einbindung mehrere Sektoren abseits der oben genannten in das CBAM ist deshalb wünschenswert, laut Europäischer Kommission aber noch nicht konkret geplant.
Damit der CBAM funktioniert, müssen mit seiner Implementierung außerdem die Zuteilung kostenloser Emissions-Zertifikate (wie es bis dato mit einem Teil der Zertifikate pro Jahr gehandhabt wird) an Unternehmen der genannten Sektoren auslaufen; das CBAM würde die kostenlosen ETS-Zertifikate sozusagen ablösen. Damit der CBAM für sehr energieintensive, europäische Unternehmen den Anreiz schafft, Emissionen tatsächlich zu reduzieren, kann und darf er nicht mit der Austeilung von kostenlosen ETS-Zertifikaten parallel existieren. Stark zu kritisieren ist deshalb, dass der Gesetzesentwurf, obwohl kostenlose Zertifikate nun an Bedingungen geknüpft werden, kein genaues Datum des Auslaufens kostenloser ETS-Zertifikate vorsieht.
Fazit: Fit for 55 geht in die richtige Richtung, ist aber noch nicht beschlossen
Grundsätzlich ist das Fit for 55 ein adäquates und zu begrüßendes Paket an Maßnahmen für Emissionsreduktionen innerhalb der EU. Auch die angekündigte Einführung eines Sozialfonds und der Rückverteilung von Auktionseinnahmen aus dem Zertifikatshandel an Haushalte mit niedrigen Einkommen klingt dem Titel nach sinnvoll (eine Analyse ist ausstehend). Dennoch sind die Maßnahmen zum Beispiel mit der Ausweitung des ETS und der Einführung eines zweiten ETS stark auf den Marktmechanismus fixiert. Die Maßnahmen sollten jedoch nicht dazu dienen, Steuereinnahmen zu generieren – in erster Linie müssen sie Emissionen durch verändertes Handeln reduzieren. Sollte der Preis von Zertifikaten in einem freien Handelssystem nicht genug steigen, sind die notwendigen Lenkungseffekte in Frage gestellt.
Dazu kommt, dass das Paket Fit for 55 erst Vorschläge der Europäischen Kommission darstellen. Um diese in Umsetzung zu bringen, bedarf es der Zustimmung aller Mitgliedsländer und des Europäischen Parlaments. Es ist mit Gegenwind von einigen Staaten zu rechnen. Konflikte wird es zum Beispiel mit der Automobilherstellernation Deutschland geben, da die Vorschläge zur Transformation des Verkehrssektors auch das Nullemissionsziel (also der Abschaffung von Verbrennungsmotoren) umfassen. Dazu kommt Polen, das seine fossilen Kraftwerke weiterhin betreiben wollen wird.
Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich an das Fehlen eines konkreten Plans zur Erreichung des 1,5 Grad Ziels. Wird dieses Ziel nicht erreicht, werden irreversible Schäden für Mensch & Umwelt erwartet. Das Pariser Klimaabkommen verpflichtet deshalb alle teilnehmenden Länder, alles mögliche zu tun, um das Ziel zu erreichen. Der fehlende Kontext zum Ziel limitiert somit die Glaubwürdigkeit des Gesetzespakets.
Für alle, die sich selbst ein Bild machen wollen:
Die Gesetzesentwürfe und -änderungen sind ab heute hier zugänglich.
Zusammenfassungen und Fact-Sheets zu den einzelnen Sektoren sind hier downloadbar.