Am Donnerstag tritt der EZB-Rat zusammen. Er wird den EZB-Leitzins unverändert bei 4,25 Prozent belassen. Damit liegt der Zinssatz deutlich über der Inflationsrate und bremst somit die Wirtschaft. Dieser sogenannte reale Zinssatz liegt auf dem höchsten Stand seit 15 Jahren. Die österreichische Wirtschaft bleibt 2024 daher unter ihrem Potenzial. Das zeigt eine Auswertung des Momentum Instituts. Damit die europäische und österreichische Wirtschaft wieder vom Fleck kommt, wären raschere Zinssenkungen hilfreich.
Die EZB-Leitzinsen liegen mittlerweile seit mehreren Monaten über der österreichischen Inflationsrate. Aktuell liegt der EZB-Leitzins bei 4,25 Prozent. Die Inflation fiel laut Schnellschätzung der Statistik Austria im Juni 2024 deutlich niedriger aus mit 3 Prozent, jene der Eurozone noch niedriger mit 2,5 Prozent.
Anhaltend hohe Zinsen über der Inflationsrate sind eine große Belastung für Unternehmen und Haushalte, die ihre Kredite bei der Bank abbezahlen oder neue aufnehmen möchten. Denn Banken orientieren sich am EZB-Leitzins. Liegt der Zins über der Inflation, heißt das: Unternehmen können ihre Verkaufspreise kaum erhöhen, aber die Zinszahlungen für ihre Bankkredite schnalzen hinauf. Das schmälert die Gewinne. Sie investieren deshalb kaum in neue Fabriken, Anlagen oder Gebäude. Und sie gehen häufiger in Konkurs.
Die Belastung der Wirtschaft misst man mittels des „realen Zinssatz“ (der EZB-Leitzins minus der Inflationsrate des Landes). Je höher der reale Zins, umso schwieriger ist es für Unternehmen, ihre laufenden Kredite zu bedienen. Im Juni 2024 lag der reale Zinssatz für Österreich mit 1,3 Prozent am höchsten Stand seit fünfzehn Jahren. Zuletzt wurde im Juli 2009 ein höherer Wert erreicht.
Auch aufgrund der hohen Zinsen bleibt das Wachstum 2024 in der Eurozone um 0,4 Prozent unter seinem Potenzial, jenes in Österreich sogar um 1 Prozent unterhalb. Das zeigt ein Vergleich der tatsächlichen Wirtschaftsleistung 2024 mit der potenziell möglichen in diesem Jahr, folgt man den Prognosen der Europäischen Kommission für alle zwanzig Länder mit dem Euro als Währung. Noch stärker getroffen als Österreich ist Deutschland mit 1,2 Prozent Unterauslastung. Am schlimmsten trifft es Estland, das 5,6 Prozent unter seiner möglichen Wirtschaftsleistung bleibt. Kroatien hingegen ist am wenigsten betroffen, dort läuft die Wirtschaft sogar tendenziell zu „heiß“.
Kritiker werfen der EZB vor, dass sie die Zinsen zu langsam gegen die Inflation erhöht hat. Sie sollte nicht den gleichen Fehler noch einmal machen und die Zinsen nun zu zögerlich senken.
Geht man nach wirtschaftswissenschaftlichen Schätzungen, wo die EZB-Zinsen liegen müssten, kann man die sogenannte Taylor-Regel verwenden. Sie beschreibt das übliche Verhalten von Zentralbanken bei Setzen ihrer Leitzinsen. Umso höher die Inflationsrate und umso höher das Wirtschaftswachstum, umso höher sollten auch die Zinsen ausfallen. Mit den aktuellen Zahlen lässt sich errechnen, dass der EZB-Leitzins laut Taylor-Regel um die 2,3 Prozentpunkte liegen würde, und damit deutlich unter dem aktuellen EZB-Leitzins von 4,25 Prozent und dem EZB-Einlagenzins von 3,75 Prozent. Während man die Schätzung mittels einer Taylorregel nicht für bare Münze nehmen muss – es gibt diverse Unsicherheiten – so zeigt die Regel dennoch, dass die Zinsen insgesamt wohl zum jetzigen Zeitpunkt zu hoch sind für eine schwächelnde Wirtschaft in der Eurozone und in Österreich, deren Inflationsrate aber bereits nahe am angestrebten 2-Prozent-Ziel liegt.
Unternehmen und Haushalte spüren die hohen EZB-Zinsen stark. Die Wirtschaft verharrt nun schon ein Jahr lang in der Rezession. Im Wohnbau wird kaum mehr gebaut, weil Kredite für Wohnungen und Häuser mit hohen Preisen und hohen Zinsen für die meisten Menschen unleistbar geworden sind. Auch die Unternehmensinsolvenzen steigen rasant an.
Die hohen Zinsen wirken auch noch einige Zeit nach und dämpfen die Wirtschaftsleistung. Raschere Zinssenkungen können den Zustand der europäischen Wirtschaft verbessern und das Wachstum in Österreich zurückbringen.