warming stripes

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/ 26. Februar 2021

Kommentar von Anna Hehenberger und Andreas Dimmelmeier (Economists for Future DE)

 

Christine Lagarde erkennt die Herausforderungen des Klimawandels für den Aufgabenbereich der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese setzt erste zaghafte Maßnahmen und schon erntet sie Kritik. Auch in Österreich. Tatsächlich folgt die EZB aber nur ihrem Mandat, wenn sie Risiken des Klimawandels für ihre Hauptaufgaben, nämlich Preisstabilität und Finanzmarktstabilität, beobachtet, beurteilt und letztlich zu managen versucht.

 

Dazu hat sie etwa ein „Klimawandelzentrum“ eingerichtet. Klingt sehr ambitioniert; de facto handelt es sich dabei um eine kleine Stabsabteilung, wie sie etwa in der deutschen Bundesbank oder der Banque de France bereits existieren.

Dass man sich in der EZB selbst daran stößt, dass durch das eigene Unternehmensanleihen-Kaufprogramm überdurchschnittlich große und schmutzige Industrien gefördert werden, weil diese am Kapitalmarkt überdurchschnittlich vertreten sind, ist dabei eine gute Nachricht. Ein Festhalten an einer Neutralität gegenüber einem selbst verzerrtem Markt macht keinen Sinn.

 

Dabei liegt eben Marktversagen dem Klimawandel zugrunde. Und man sollte nicht vergessen, dass schon bisher die Geldpolitik der EZB sowie aller anderen Notenbanken Gewinner und Verlierer erzeugt hat. Genau genommen fördert jede Geldpolitik ein Marktsegment zu Ungunsten eines anderen, indem sie die Zinsstrukturkurve verändert. Absolute Marktneutralität ist Fiktion. In der realen Welt haben wir es immer mit Zielkonflikten zu tun, die es abzuwägen gilt. In diesem Fall also Klimaneutralität mit Marktneutralität. Und noch einmal: es geht noch nicht einmal darum „grüne Anleihen“ zu fördern, sondern vorerst deren negative Diskriminierung hintanzuhalten. Kein Wunder also, wenn vielen NGOs die (erst mal nur diskutierten) „großen Schritte“ der EZB zu zaghaft sind.

 

Die Kritiker der EZB betonen oft deren Unabhängigkeit. Diese Unabhängigkeit wurde geschaffen, um die Inflationsbekämpfung von Zurufen der Tagespolitik zu schützen. Nun ist Inflation derzeit nicht das dringendste Problem, dennoch gilt es achtsam zu sein. Und eben achtsam wird die ganze Palette möglicher Einflussfaktoren analysiert: wirtschaftliche, gesellschaftliche oder eben auch der Klimawandel. Auch darin ist die Notenbank unabhängig. Aus der Unabhängigkeit aber abzuleiten, dass die Zentralbank vor der größten Herausforderung der Menschheitsgeschichte untätig daneben stehen soll, stehen muss, ist absurd.

 

Laut dem EU-Vertrag ist die Zentralbank ja sogar verpflichtet, die Wirtschafts- und Umweltpolitik der EU zu unterstützen, sofern sie damit ihre Hauptaufgaben (Preisstabilität) nicht vernachlässigt. Klimaneutralität ist nun mal Ziel der EU, mehr noch: die EU hat sich dazu im Pariser Abkommen gegenüber der Weltgemeinschaft verpflichtet. Und was spricht überhaupt gegen eine Re-Kalibrierung von Notenbank-Zielen? Schließlich war auch die Preisstabilität war nicht immer das einzige Ziel von Zentralbanken.

 

Natürlich sind auch die Regierungen der Mitgliedsstaaten und die EU selbst gefordert – auch bei einem CO2-Preis, der als verursachergerechte Antwort gegen das Marktversagen mangelnder Kostenwahrheit helfen soll. Ein perfekter CO2-Preis ist indes schwer zu ermitteln, geschweige denn durchzusetzen. Klimapolitik beschränkt sich sinnvollerweise auch nicht auf das bloße Dekretieren eines Eurobetrags pro Tonne CO2, sondern greift unterstützend ein, setzt zusätzliche Anreize, investiert in green jobs, verbietet extrem schädliche Entwicklungen.

 

Freilich können Zentralbanken dabei nur einen kleinen Beitrag leisten. Aber sie sind nicht außen vor. Sie sind Teil des öffentlichen Sektors und Teil des Problems. Sie können auch Teil der Lösung werden.

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