Bei Firmenpleiten wie bei KTM oder Kika/Leiner bekommen Beschäftigte ihre ausstehenden Löhne vollständig ersetzt, wenn sie das Unternehmen nicht mehr bezahlen kann. Zuständig dafür ist der Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF). Die Reserven im einst hervorragend gefüllten IEF sind um mehr als ein Drittel (-35,5 Prozent) geschrumpft. Das zeigt der Jahresabschluss 2023 des Fonds, der Ende November veröffentlicht wurde. Von 979 Millionen Euro an Eigenkapital mit Ende 2021 sind zwei Jahre später nur mehr 631 Millionen übrig. Das Jahr 2024 mit der größten Pleitewelle seit 16 Jahren inklusive Großpleiten wie Kika/Leiner und KTM ist da noch gar nicht abgebildet.
In den Fonds zahlen die Arbeitgeber:innen eine Abgabe, die sich anhand der Löhne bemisst. Der IEF dient somit als Versicherung, der im Falle einer Firmenpleite den Beschäftigten ihre berechtigten Ansprüche ersetzt. Im Jahr 2023 überstiegen die Auszahlungen an anspruchsberechtigte Arbeitnehmer:innen die Zuflüsse in den Fonds (Beiträge der Unternehmen). Die Einnahmen des Fonds fallen der Politik der Lohnnebenkosten-Senkungen zum Opfer. Sie sind deutlich gesunken in den letzten Jahren.
Eine Auswertung der Jahresabschlüsse des Insolvenz-Entgelt-Fonds seit 2010 stellt die Arbeitgeber:innen-Beiträge zum Fonds den Auszahlungen an die Arbeitnehmer:innen im Insolvenzfall gegenüber. 2022 waren Auszahlungen und Einzahlungen fast gleichauf. 109 Millionen Euro wurden an Beschäftigte ausbezahlt, demgegenüber stehen Unternehmens-Beiträge in Höhe von 130 Millionen Euro. 2023 haben die Auszahlungen an die Beschäftigten die Einzahlungen um 63 Millionen Euro überschritten (200 Millionen Euro Auszahlungen vs. 137 Millionen Euro Einzahlungen).
Bei der KTM-Pleite zeigt sich, wie stark Unternehmen im Fall der Insolvenz auf die Versicherungsleistung des Fonds angewiesen sind. Die KTM AG musste in den letzten zehn Jahren nur rund 2,6 Millionen Euro in den Insolvenz-Entgelt-Fonds einzahlen. An die Beschäftigten werden daraus nun allerdings mindestens 20 Millionen Euro gezahlt, um ihnen die Novembergehälter und das Weihnachtsgeld zu ersetzen.
Der Beitrag zum Insolvenz-Entgelt-Fonds ist ein Bestandteil der Lohnnebenkosten. Konkret ist der IEF-Beitrag der Arbeitgeber:innen ein prozentueller Zuschlag zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag. Die Höhe des Beitragssatzes legt der Bundesminister für Arbeit per Verordnung fest. Die Politik hat in den letzten Jahren die Lohnnebenkosten deutlich gesenkt. Dafür hat sie auch die Beitrags-Sätze der Unternehmen zum Insolvenz-Entgelt-Fonds zusammengestrichen: von einst 0,7 Prozent der Lohnsumme auf 0,1 Prozent. Vor zehn Jahren betrug der Beitrags-Satz noch 0,55 Prozent.
Nach weiteren fünf Senkungen sind die Einnahmen des Fonds auf zuletzt 137 Millionen Euro geschrumpft. Niedrigere Lohnnebenkosten haben Konsequenzen. Der Insolvenz-Entgelt-Fonds zehrt mittlerweile von seiner Substanz. Lediglich der Polster aus den letzten Jahren hält ihn über Wasser. Für eine anhaltende Rezession mit einer Serie großer Firmenpleiten ist er nicht mehr so gut gerüstet wie noch vor ein paar Jahren. Am Ende der derzeitigen Insolvenzwelle wird ein Großteil des Fonds aufgebraucht sein.
Die Auswertung erschien zunächst im Standard.