Die Berichterstattung in der Causa Kika/Leiner-Verkauf konzentriert sich vor allem auf mögliche politische Verstrickungen im Umfeld von René Benko und Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Es dreht sich um die bereits bekannten Korruptionsvorwurf von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid aus seiner Zeit als Generalsekretär im Finanzministerium. Ihm soll für die tatkräftige Unterstützung in Steuerangelegenheiten ein hochdotierter Posten in Benkos Signa angeboten worden sein. Hinzu kommen nun fragwürdige Subventionen und Steuergeschenke im Vorfeld des neuerlichen Verkaufs und schließlich der Insolvenz der Handelssparte.
Der Fall Kika/Leiner hat alle Zutaten eines ausgewachsenen Skandals. Die Verantwortlichen sind aus dem Fernsehen bekannt, erfüllen das Klischee vom gierigen Manager und korrupten Politikern, knapp 2.000 Angestellte, die nun voraussichtlich ihre Jobs verlieren. Dazu kommt schließlich der Verdacht von massiver Steuergeldverschwendung.
Allerdings wird dadurch ein Aspekt der Geschichte in den Hintergrund gedrängt, der weniger mit persönlich fragwürdigem, ja vielleicht sogar korruptem Verhalten zu tun hat, sondern mit systemischen Ungerechtigkeiten. Der Skandal hinter dem Skandal, der nicht vor Gericht, sondern nur im Parlament, mithilfe von Gesetzen adressiert werden kann: die Sozialisierung von Verlusten in kapitalistischen Marktwirtschaften.
Selbst wenn bei Kika/Leiner alles mit rechten Dingen zugegangen ist, wenn sich Korruptionsvorwürfe nicht erhärten oder wenn Steuergeschenke rückabgewickelt werden sollten. Es ändert nichts daran, dass bei großen Pleiten die Allgemeinheit Teile der Kosten schultern muss. Das beginnt bei den Kosten für Arbeitslosenunterstützung, Vermittlung und Umschulungsmaßnahmen, bei uneinbringlichen Außenständen bei Sozialversicherung und Steuerbehörden und bei den Kosten von Folgepleiten von Zulieferern und Kund:innen wegen unbezahlter Rechnungen oder nicht mehr gelieferter Waren.
Selbst wenn es kaum Folgepleiten geben sollte, so müssen die Gläubiger:innen von Kika/Leiner einen Großteil ihrer Forderungen abschreiben und werden deshalb weniger Steuern zahlen, weniger Spielräume für Lohnsteigerungen ihrer Beschäftigten oder für Preissenkungen bei ihren Produkten haben. In einer hochgradig arbeitsteiligen Wirtschaft zahlen letztlich also immer wir alle für die Kosten von Unternehmenspleiten.
Bis zu einem gewissen Grad ist das unvermeidbar und sogar wichtiger Bestandteil marktwirtschaftlicher Systeme: Unternehmerisches Handeln ist riskant. Innovation und damit die Basis für kontinuierliche Produktivitätsfortschritte erfordert, dass Unternehmen Geld in die Hand nehmen und in Dinge stecken, die auch schief gehen können. Der Ökonom Joseph Schumpeter nannte das “schöpferische Zerstörung.”
Gerade weil es aber so ist, dass die Kosten von unternehmerischem Scheitern zu einem beträchtlichen Teil immer sozialisiert, also von uns allen geschultert werden, ist es so notwendig, dass Unternehmensgewinne und große Vermögen, die letztlich auch aus Unternehmensgewinnen und -beteiligungen resultieren, gerecht besteuert werden. Und genau deshalb ist es ein Skandal, wenn wir Erbschafts- und Vermögenssteuern abschaffen sowie Unternehmenssteuern wie die KöSt immer weiter senken. Wer darauf angewiesen ist, dass wir Verluste gemeinsam schultern, muss sich mit seinen Gewinnen auch an der Finanzierung beteiligen.
Dieser Text erschien zunächst in der Momentum-Kolumne „Ausgerechnet – die Wirtschaft“ bei ZackZack.