Kindergarten als Symbolbild für die vermeintliche Kindergarten-Milliarde
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  Sophie Achleitner
/ 7. Juni 2022

Wie so oft in diesem Land steht bei den größten Baustellen alles still – auch bei der Kinderbetreuung. Die vermeintliche Kindergarten-Milliarde wird daran nichts ändern. Liest man das Kleingedruckte, erkennt man: Sie ist eine Mogelpackung. Dabei sind Kinderbetreuung und Elementarpädagogik wichtige Grundbausteine im Bildungssystem, für den eigenen Bildungsweg und im weiteren Sinn für eine funktionierende Gesellschaft.

Doch seit mehr als einem Jahrzehnt verfehlt Österreich das EU-Ziel für Kleinkindbetreuung, die Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen sind ausbaufähig, kleinere Gruppen längst überfällig. Pädagog:innen wandern in andere Berufsfelder ab, da die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung dieser wertvollen und wichtigen Arbeit in keinem Verhältnis zueinander stehen.

Vor allem in den Bundesländern ist das Kinderbetreuungsangebot oft mangelhaft. Das erschwert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Nur knapp vier von zehn Kindergärten haben in Österreich länger als zehn Stunden täglich geöffnet. Ungefähr jenes Zeitfenster, das Eltern brauchen, um einer Vollzeitbeschäftigung inklusive Wegzeit nachgehen zu können. Regionale Unterschiede sind vorprogrammiert: Außerhalb der Stadt Wien ist nur jeder fünfte Kindergartenplatz mit einer Vollzeitbeschäftigung vereinbar.

Das hat Folgen: Schließt der Kindergarten am frühen Nachmittag, müssen andere einspringen – das sind nach wie vor großteils Mütter. Knapp die Hälfte der Frauen in Österreich arbeitet Teilzeit. Fragt man, wieso sie in Teilzeit beschäftigt sind, ist der Grund für rund 40 Prozent die Kinderbetreuung. Lediglich sechs Prozent der Männer verzichten wegen Kinderbetreuungspflichten auf ihr Vollzeit-Gehalt. In jenen Bundesländern, in denen es besonders schlecht um das Kinderbetreuungsangebot steht, verdienen Frauen fast um die Hälfte weniger als Männer. Zum Beispiel in Vorarlberg: Der Anteil an Betreuungseinrichtungen, die nicht einmal sieben Stunden täglich geöffnet haben, ist dort besonders hoch. In Wien, wo die meisten Kinderbetreuungseinrichtungen mehr als zehn Stunden geöffnet sind, liegt die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen nur bei 17 Prozent.

Grund genug, ein längst überfälliges Versprechen einzulösen: Im Rahmen der 15a-Vereinbarung zur Kinderbetreuung kündigte die Regierung vor kurzem die häufig geforderte Kindergarten-Milliarde an. Ein Blick zwischen die Zeilen verrät allerdings, dass die Milliarde nicht mehr als ein leeres Versprechen ist: De facto fließen nur knapp 60 Millionen jährlich mehr an Bundesmitteln in die Kinderbetreuung. Aufsummiert sind das über den Fünf-Jahreszeitraum in etwa 290 Millionen – von einer Milliarde weit entfernt.

Anstatt Zahlenzauberei zu betreiben, sollte das Budget für Kinderbetreuung und Elementarpädagogik dauerhaft und treffsicher erhöht werden. Um faire Arbeitsbedingungen und Bezahlung für Pädagog:innen zu sichern und vor allem, um eine flächendeckende und kostenlose Kinderbetreuung zu schaffen, die verhindert, dass die Teilzeitfalle bei Frauen zuschnappt.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Wiener Zeitung.

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