Wie jedes Jahr im Herbst bebt heuer die Erde wieder. Der Boden reißt auf, riesige Löcher entstehen, verschlucken alles, das sich ihnen in den Weg stellt. Wer angesichts des Vokabulars hier einen Katastrophenfilm vermutet, liegt falsch. Es ist nur das Märchen vom Pensionsloch, das uns jeder Jahr im Herbst aufs Neue erzählt wird.
Eigentlich steckt dahinter eine schöne Sache. Wir werden im Schnitt älter als früher. Verbringen mehr gesunde Lebensjahre im Alter, die Lebenserwartung steigt. Nun sollen wir davor aber Angst bekommen. Kreativ wird uns vorgerechnet: Es gebe ein „Pensionsloch“. Geld fehle. Für die Agenda Austria sind es Milliarden, 140 um genau zu sein. Endlich ein Grund zur Panik.
Mit Rechentricks zum Pensions-Alarmismus
Doch wer genau hinschaut, sich von der reißerischen Zahl nicht verrückt machen lässt. Der entdeckt drei Rechentricks. Zum einen werden fünf Jahre – von 2022 bis 2026 – einfach mal so aufsummiert, damit wir erst so richtig tief in das Loch fallen. Das ist reichlich seltsam, messen doch gerade Volkswirte und Statistikerinnen die meisten Zahlen pro Jahr. Nicht willkürlich über mehrere Jahre addiert.
Beliebige Jahre zusammenzurechnen lässt jeden Betrag größer erscheinen als er ist. Wussten Sie etwa, dass Sie eine Million Euro in ihrem Leben verdienen? Leider allerdings nicht in einem Jahr. Sondern wenn Sie die nächsten 35 Jahre zusammenrechnen. Wie sinnvoll ist das? Gar nicht, sagt ihnen die Millionenzahl doch genau nichts darüber aus, wieviel Geld sie im Monat zur Verfügung haben werden. In den kommenden 35 Jahren wären das nämlich genau 2.000 Euro pro Monat. Reich werden sie damit nicht. Da sieht die Sache schon ganz anders aus.
Rechentrick Nummer 2: Hohe Zahlen in Zeiten der Inflation. Um knapp 80 Prozent sollen die zusätzlichen Ausgaben des Bundes für die Pensionen in den nächsten Jahren ansteigen. Innerhalb weniger Jahre fast eine Verdoppelung. Vergessen wird dabei aber: Hohe Steigerungen absoluter Zahlen werden in den nächsten Jahren keine Seltenheit sein. Sie kommen ganz von selbst, mit der Teuerung. Selbst wenn die Zahl der Pensionisten völlig gleich bliebe. Die Kosten in absoluten Zahlen – also in Milliarden – würden selbst dann stark ansteigen, wenn die Zahl der Pensionisten völlig gleich bleibt. Sie stiegen einfach dadurch, dass die Politik den PensionistInnen die Teuerung ausgleicht. Kaufen können sie die Pensionistinnen davon zwar nicht mehr, aber höher klingt die Zahl trotzdem. Um zu einem realistischen Bild zu gelangen, sollte man also die Inflation herausrechnen.
Ein Mehrbedarf ist noch kein Loch
Fehler Nummer 3. Überhaupt sollte man nie Milliardenbeträge miteinander vergleichen. Als Gesellschaft müssen wir unseren Eltern und Großeltern – die uns großgezogen haben – ein finanziell abgesichertes Leben im Alter ermöglichen. Dafür geben alle, die aktuell arbeiten, einen Teil ihres Verdienstes an die Älteren ab. Sobald wir in Zukunft selbst alt sind, kommt das gleiche uns zu gute.
Wichtig ist also, wie sich der Teil entwickelt, den die Erwerbstätigen von ihrem Einkommen für Pensionen abgeben. Sinnvoll messen lassen sich die Pensionszahlungen nur als Anteil an der Wirtschaftsleistung. Und da explodiert nichts mehr. Ja, die Gesellschaft wird älter, es braucht auch etwas mehr Geld für Pensionen. Aber voraussichtlich wird es nur ein gutes Hundertstel der jährlichen Wirtschaftsleistung sein, die dauerhaft umgeschichtet werden müssen. Ein Hundertstel? Das hört sich etwas weniger dramatisch an als dreistellige Milliardensummen oder Verdoppelungen. Ein Mehrbedarf für Pensionszahlungen ist zwar vorhanden. Doch der ist bewältigbar.
Die staatlichen Pensionen bleiben also grundsätzlich sehr sicher. Zur Not wird der Mehrbedarf über das staatliche Budget finanziert. Besser wäre aber, an ein paar Stellschrauben zu drehen, damit das leichter von der Hand geht. Am besten, indem der Staat für Vollbeschäftigung sorgt, und so möglichst viele junge Leute Arbeit haben. Das haben noch nicht alle verstanden. Gerade Arbeitssuchende im Alter zwischen 50 und 65 Jahren werden von Unternehmern und Personalverantwortlichen regelmäßig diskriminiert, sie bekommen keine Chance auf eine Anstellung. Noch immer geht jede zweite Frau nicht aus einem Job in die Pension, sondern aus der Arbeitslosigkeit. Sofern es Frauen in ihrem Erwerbsleben überhaupt ermöglicht wird, so viel zu arbeiten wie sie möchten. Denn mit Ausnahme von Wien bietet kaum ein Bundesland Kinderbetreuungsplätze mit so langen Öffnungszeiten an, dass sie mit Vollzeitarbeit kompatibel sind.
Die Liste an hilfreichen Vorschlägen ließe sich noch fortsetzen. Etwas mehr Sachlichkeit täte der Debatte jedenfalls gut. Ganz ohne Taschenspielertricks beim Rechnen.
Dieser Text erschien zunächst in der Momentum-Kolumne „Ausgerechnet“ bei ZackZack.