Wertverlust Teuerung
/ 17. Januar 2023

Die Bundesregierung hat seit diesem Jahr die meisten Sozialleistungen an die Inflation angepasst. Das ist grundsätzlich ein Meilenstein in Österreichs Sozialpolitik. Der Teufel steckt aber im Detail: Denn die für die Anpassung maßgebliche Inflationsrate stammt noch teilweise aus dem Jahr 2021 und ist daher viel geringer als die aktuelle Inflation. Die Teuerung wird somit erst mit zeitlicher Verzögerung von knapp eineinhalb Jahren abgegolten. Daher erfahren die meisten monatlich ausbezahlten Sozialleistungen seit Anfang 2022 einen erheblichen Wertverlust, die sich bis Ende 2023 fortsetzen.

Weil die allermeisten Sozialleistungen erst im Jänner 2023 angepasst wurden, haben die betroffenen Personen im Jahr 2022 einen hohen Kaufkraftverlust erlitten. Bei einer durchschnittlichen Jahresinflation von 8,5 Prozent, wurden nur die Ausgleichszulage (Mindestpension) und die Studienbeihilfe erhöht. Doch diese geringe Erhöhung hielt mit der Inflation nicht Schritt.

Rasche Teuerung entwertet Sozialleistungen

In diesem Jahr sieht das Bild schon etwas erfreulicher aus. Jene beiden Sozialleistungen, die bereits 2022 erhöht wurden – Ausgleichszulage und Sozialhilfe – profitieren davon, sodass sie durch die planmäßige Anpassung an die Inflationsrate im Jahr 2023 sogar einen Kaufkraftgewinn verzeichnen können. Über beide Jahre hinweg gerechnet kam es allerdings trotzdem auch hier zu einem Kaufkraftverlust. Alle anderen Sozialleistungen, darunter auch die Familienbeihilfe oder das Kinderbetreuungsgeld werden heuer um 5,8 Prozent erhöht, das ist allerdings weniger als die prognostizierte Inflationsrate in diesem Jahr. Diese beträgt nämlich 6,8 Prozent. Für Österreichs Familien bedeutet das im Jahr 2023 einen weiteren Kaufkraftverlust, zusätzlich zu jenem aus dem Vorjahr. Am drastischen ist die Situation für Arbeitslose und Notstandshilfebezieher:innen, den ihre Leistungen werden auch 2023 nicht angepasst. Viele Betroffene drohen so in die Armut abzurutschen.

Sozialleistungen bleiben 2023 trotz Erhöhung oft hinter der Inflationsrate

Insgesamt haben die Sozial- und Versicherungsleistungen – Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Krankengeld, etc. – im Jahr 2022 5,4 Prozent an Kaufkraft eingebüßt. Um die gleiche Summe konnte ein:e Bezieher:in einem durchschnittlichen Monat des Jahres um 5,4 Prozent weniger Produkte und Dienstleistungen kaufen als noch zu Beginn des Jahres, weil die Unternehmen die Preise rasch anhoben. Etwas geringer fiel der Kaufkraftverlust im Jahresschnitt bei der Studienbeihilfe sowie der Ausgleichszulage (Mindestsicherung und Mindestpension) mit rund drei Prozent aus. Der Grundbetrag der Studienbeihilfe wurde unterjährig erhöht, die Sozialhilfe zu Beginn des Jahres 2022.

Wertverlust der Sozialleistungen 2022 und 2023

Trotz der Valorisierung werden die meisten Sozialleistungen 2023 weiter an Kaufkraft verlieren, geht man von der aktuell prognostizierten Inflationsrate von 6,8 Prozent für 2023 aus. Lediglich die Ausgleichszulage gewinnt durch eine zusätzliche Erhöhung etwas an Kaufkraft, kann aber die Verluste aus dem Vorjahr nicht wettmachen. Im Jahresschnitt 2023 wird sich ein:e Bezieher:in von Sozialhilfe 1,7 Prozent weniger kaufen können als noch Anfang 2022. Bei der Familienbeihilfe, die 2022 gar nicht erhöht wurde, wird der Kaufkraftverlust im Jahresschnitt 2023 mit 6,3 Prozent dreimal so hoch ausfallen. Der Kaufkraftverlust der Studienbeihilfe liegt bei 2,1 Prozent beim Grundbetrag. Mit 11,5 Prozent besonders drastisch an Wert verlieren das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe, die von der Valorisierung ausgenommen sind und weder 2022 noch 2023 erhöht werden dürften. Arbeitslose und Menschen in Notstandshilfe werden sich im neuen Jahr deutlich weniger leisten können, weil die Bundesregierung bisher weder Arbeitslosengeld noch Notstandshilfe um die Inflationsrate erhöht hat. Die Gefahr ist hoch, dass noch mehr Menschen in die Armut abrutschen. Schon jetzt ist jeder zweite Langzeitarbeitslose armutsgefährdet.

Einem Paar, das Familienbeihilfe für seine zwei jugendlichen Kinder bezieht, fehlen in diesem Jahr insgesamt 230 Euro an Kaufkraft. Auch Jungfamilien erleiden durch die verzögerte Wertanpassung einen Kaufkraftverlust: Wer pauschal (ganzjährig) Kinderbetreuungsgeld bezieht, kann sich damit um 780 Euro weniger kaufen. Für Student:innen, die Studienbeihilfe beziehen, beträgt der Wertverlust 2023 bis zu 145 Euro.

Der Grund für die verzögerte Anpassung ist, dass die durchschnittliche Inflationsrate von August 2021 bis Juli 2022 die Basis für die Anpassung Anfang 2023 bildet. Ein beträchtlicher Teil der enormen Preissteigerungen des vergangenen Jahres ist darin noch nicht enthalten. Höhere Inflationsraten im zweiten Halbjahr 2022, etwa die zuletzt gemessenen 10,2 Prozent Teuerung im Jahresvergleich für Dezember, werden für die Anpassung dieses Jahr daher ausgeblendet. Die verzögerte Erhöhung der Sozialleistungen hält in Zeiten hoher Inflation nicht mit der Teuerung Schritt. Ein Preisanstieg im September 2022 etwa führt erst knapp eineinhalb Jahre später, Anfang 2024, zu einer höheren Auszahlung.

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