Justitia

Steuern: der Preis für Gerechtigkeit?

/ 11. Oktober 2021

Alle paar Jahre rufen Regierungen unterschiedlicher Couleur die jeweils größte Steuerreform aller Zeiten aus. Endlich wird "entlastet" und wir müssen weniger "für den Finanzminister" arbeiten. Doch wo sich alle einig zu sein scheinen, ist Vorsicht angebracht. Dahinter steht ein Bild, das das Staatsbudget nur als Belastung rahmt statt als Errungenschaft.

Dabei gilt: Eine hohe Staatsquote ist letztlich notwendig für einen leistungsfähigen Wohlfahrtsstaat. Ein wissenschaftliches Ergebnis, dass eine niedrigere Staatsquote an sich besser als eine hohe ist, gibt es nicht. Der Staat ist eben nicht Klotz am Bein unseres Lebens, sondern: Öffentliche Leistungen - vom Spital über das Bildungssystem bis zur öffentlich geförderten Wissenschaft und Forschung - ermöglichen überhaupt erst unseren Wohlstand. Das gilt auch für neue Technologien: Die Wirtschaftswissenschafterin Mariana Mazzucato hat nachgewiesen, dass auch viele der technischen Innovationen der letzten Jahrzehnte, von denen wir glauben, sie dem freien Markt und dem Wettbewerb zu verdanken, letztlich von der öffentlichen Hand, von staatlicher Seite angestoßen wurden.

Und nicht zufällig sind die Länder mit einem ausgebauten Wohlfahrtsstaat auch jene Länder, in denen es sich am besten leben lässt. Auf der anderen Seite sind Niedrigsteuerländer wie die USA oder die Schweiz auch jene, in denen Lebensnotwendiges wie Gesundheitsversorgung oder Bildung großteils privatisiert sind. Wer beispielsweise einmal versucht hat, in der Schweiz einen Kindergartenplatz zu bekommen, weiß, was das bedeutet: Dort müssen Eltern ein Drittel ihres Einkommens für die Kinderbetreuung ausgeben. In den USA ist jede elfte Person nicht krankenversichert. Für Millionen Menschen ist der Gang zur Ärztin ein finanzielles Problem. Menschen sterben, weil sie sich medizinische Behandlungen nicht leisten können.

Eine Steuersenkung, die dazu führt, dass staatliche Leistungen eingeschränkt werden, kann für Gering- und Durchschnittsverdiener daher ganz schön teuer sein. Denn für die vielen, die es sich nicht mit Vermögen und großen Erbschaften richten können, liegt der Reichtum in einem Sozialstaat, der nicht nur vor existenziellen Risiken schützt, sondern die wichtigsten sozialen Dienstleistungen kostenlos oder ermäßigt anbietet.

Also alles gut, so wie es ist? Nein. Denn finanziert wird der Wohlfahrtsstaat in Österreich unverändert vor allem aus Abgaben auf Arbeit und Konsum. Fast 60 Prozent der Einnahmen kommen aus Arbeitseinkommen, 32 Prozent aus dem Konsum. Nur sechs Prozent sind Unternehmensgewinne, obwohl auch Unternehmen massiv von öffentlichen Leistungen profitieren. Überhaupt nur drei Prozent tragen vermögensbezogene Steuern bei.Bezieht man alle Steuern mit ein, hat Österreich fast eine "Flat Tax", also einen konstanten Steuersatz unabhängig vom Einkommen.

Ärmere zahlen denselben Tarif wie Reichere: Zwischen 42 und 47 Prozent beträgt er. Durch die geplante Steuerreform ändert sich wenig. Das ist schlecht, denn viele, auch internationale ExpertInnen sind sich einig, dass Arbeit entlastet und Ressourcen-Verbrauch und Vermögenserträge stärker besteuert werden sollten.

Dafür werden schon wieder Stimmen laut, man müsse "gegenfinanzieren". Und dabei besonders auf die öffentlichen Ausgaben schauen. Dabei ist das Gegenteil nötig: Zur Bewältigung der Klimakrise reichen weder kleine noch hohe CO2-Preise, sondern es braucht Investitionen: in besseren öffentlichen Verkehr, in Solarzellen auf jedem Gebäude, in Nah- und Fernwärmenetze. Dazu kommen die Kosten des Klimawandels selbst, Vorbereitung auf Wetterextreme und ihre Bewältigung, die Errichtung von Schutzbauten und Maßnahmen zur Abkühlung unserer Städte. Ähnlich dringend ist der Bedarf im Pflegebereich.

Es gibt viel zu tun. Am effizientesten und am gerechtesten ist es, wenn es der Staat angeht. Dafür braucht er Mittel aus Steuern. Und das ist gut so.

 

Der Text erschien zunächst als Gastkommentar in den "Salzburger Nachrichten".

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