Justitia mit Waage - Steuergerechtigkeit fehlt bei Steuerreform
/ 26. Januar 2022

Der Nationalrat hat die „ökosoziale Steuerreform“ nun beschlossen. Nicht zuletzt, um die angeblich zu hohe Steuer- und Abgabenquote zu senken. Zu der nur temporär wirksamen Abgeltung der kalten Progression schummelt sich aber auch eine dauerhafte Steuersenkung für große Unternehmen. Der Mut für ein Steuersystem zu sorgen, in dem die Beiträge gerecht verteilt sind, fehlte: Weiterhin werden drei Viertel der Steuereinnahmen von Arbeitnehmer:innen, Konsument:innen und Selbständigen geschultert. Nicht einmal ein Zehntel kommt von großen Unternehmen und Vermögen.

Von Steuergerechtigkeit weit entfernt

Die Rede von allgemeiner „Entlastung“ unterschlägt, wie Steuern und Abgaben im Vergleich zur Einkommenshöhe verteilt sind: ziemlich gleichmäßig. Reiht man die Erwerbstätigen nach ihrem Einkommen, tragen die Niedrigverdiener:innen relativ beinahe gleich viel wie die höchsten Einkommensbezieher:innen bei. Bei einzelnen Steuern, wie der Lohn- und Einkommensteuer, tragen hohe Einkommen zwar prozentuell mehr bei. Die Mehrwertsteuer gleicht das aber wieder aus, da Ärmere einen höheren Teil ihres Einkommens für Konsum ausgeben müssen. Unser Steuersystem verletzt so zentrale Grundsätze der Steuergerechtigkeit, denn höhere Einkommen sollten relativ mehr beitragen als niedrige Einkommen.

Ein weiteres Problem stellt die ungleiche Besteuerung von Arbeits- und Kapitaleinkommen dar. Während ersteres progressiv, also je nach Höhe zwischen 0 und 55 Prozent besteuert wird, sind für leistungslose Kapitaleinkommen, wie beispielsweise Dividenden, nur 27,5 Prozent an Steuern zu bezahlen – egal ob es sich dabei um 20 Cent oder 200 Millionen Euro handelt. Ein konkretes Beispiel: Während für ein Arbeitseinkommen von 100.000 Euro knapp 39.000 Euro an Steuern und Abgaben zu leisten sind, trägt jemand mit einem Kapitaleinkommen von 100.000 Euro nur 27.500 Euro an Steuern bei. Je weiter oben man sich in der Einkommensverteilung befindet, desto relevanter werden aber Kapitaleinkommen. Ganz an der Spitze machen sie beinahe das gesamte Einkommen aus, womit ihr Steuerbeitrag auf die Höhe der Kapitalertragsteuer schrumpft. Die Einkommen der Superreichen zeigen sich auch relativ unbeeindruckt von Krisen, wie für 2020 ausgeschüttete Dividenden im dreistelligen Millionenbereich für Dietrich Mateschitz oder Rene Benko beweisen.

Mittlere und niedrige Einkommen ernsthaft entlasten

Daraus folgt ein Teufelskreis, der zu einer immer ungleicheren Vermögensverteilung führt. Hohe Kapitaleinkommen, die bereits jetzt den Reichsten zufließen, werden niedriger besteuert, wodurch deren Vermögen weiter wachsen und noch höhere Kapitaleinkommen generieren. Zusätzlich wird in Österreich Vermögenssubstanz kaum, die Übertragung durch Erbschaft gar nicht besteuert.

Eine Steuerreform, die diesen Namen verdient, würde Einkommen, die gleich hoch sind, auch mit demselben Steuersatz besteuern. Etwa, indem Arbeits- und Kapitaleinkommen gemeinsam versteuert werden müssen – und für höhere Einkommen ein höherer Steuersatz fällig ist. So könnten mittlere und niedrige Arbeitseinkommen ernsthaft entlastet werden. Gut für die Einkommensverteilung, gut für breite Teile der Bevölkerung und gut für die Wirtschaft.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Wiener Zeitung.

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