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/ 19. April 2022

Die Coronahilfen waren dazu gedacht, Unternehmen durch die Krise zu helfen und ihren Fortbestand zu gewährleisten. Schlecht konzipierte Unternehmenshilfen führten für eine erkleckliche Anzahl an Unternehmen zu einer Überförderung: Obwohl sie einen Teil des Jahres geschlossen waren, schrieben sie aufgrund der staatlichen Subventionen im Geschäftsjahr 2020 Gewinne. Nicht wenige konnten ihre Gewinne im Vergleich zum Vorjahr (ohne Corona) sogar noch steigern. 

Seit Pandemiebeginn wurde von Bund und Ländern eine breite Palette an Hilfsinstrumenten geschaffen. Neben der Kurzarbeit mit einem kumulierten Auszahlungsvolumen von 9,4 Milliarden Euro sind vor allem die Unternehmenshilfen der COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG) der größte Brocken. Letztere bestehen etwa aus dem Ausfallsbonus (4,6 Mrd. Euro), dem Umsatzersatz (3,4 Mrd. Euro) oder Fixkostenzuschüssen (2,9 Mrd. Euro). Aufgeschlüsselt nach Bereichen kamen die Hilfen zu mehr als der Hälfte Unternehmen und Landwirt:innen zugute. Auf Arbeitnehmer:innen und Familien verteilen sich lediglich weniger als ein Viertel der staatlichen Hilfen.

Wie kommt es zu Überförderung?

Überförderung findet statt, wenn einzelne Betriebe mehr Hilfsleistungen bekommen, als sie wirtschaftliche gesehen benötigen würden. Andernorts kann es hingegen zu mangelnder Kompensation für die durch die Krise erlittenen Verluste kommen. Drei Hauptkanäle können zur Überförderung eines Unternehmens führen:

  • Zu kurze Betrachtungszeiträume: Hilfsmaßnahmen wie der Ausfallsbonus konnten immer für jeweils einen Monat beantragt werden, wenn der Umsatzausfall eine gewisse Schwelle überschritt. Verlagert sich das Geschäft aber lediglich auf die Monate zwischen Lockdowns (wie etwa im Möbelhandel und bei Baumärkten), können Verluste auf das ganze Jahr gerechnet wieder aufgeholt werden und am Ende sogar ein Gewinn stehen.
  • Der Umsatz als Messgröße: Ersetzt wurden etwa bei Umsatzersatz und Ausfallsbonus Anteile des Umsatzausfalles, ohne mit den tatsächlich angefallenen Kosten gegenzurechnen. Vor allem Gastronomie und Hotellerie konnten während Lockdowns mit Personal und Wareneinsatz die zwei bedeutendsten Kostenfaktoren minimieren. Überdies konnten Betriebe mittels Take-Away Umsatzausfälle dämpfen.
  • Zu hohe Hilfen: Gab es etwa beim Fixkostenzuschuss I noch keine Deckelung, war die Höhe der Umsatzersatzinstrumente im Vergleich zu späteren Hilfsmaßnahmen wie dem Ausfallsbonus noch deutlich großzügiger angesetzt.

 

Daten und Methodik

Die Auswertung zur Treffsicherheit der Corona-Unternehmenshilfen beruht auf zwei großen Datenquellen. Zum einen ist dies die EU-Beihilfentransparenzdatenbank. In diese müssen Gelder, die unter EU-Recht als staatliche Beihilfe klassifiziert werden, von der zuständigen österreichischen Behörde innerhalb von neun Monaten eingetragen werden. Rechtlich verpflichtet ist Österreich nur zur Meldung von Zuschüssen ab 100.000 Euro. Insgesamt finden sich für das Jahr 2020 Zuschüsse der COFAG in Höhe von 1,39 Milliarden Euro in der Datenbank. Fast die Hälfte davon sind Zahlungen an Hotellerie und Gastronomie. 
Als Datenbank für Kennzahlen auf Unternehmensebene fungiert die Datenbank Sabina, welche Jahresabschlussinformationen von mehr als 100.000 Unternehmen enthält, die in Österreich publizitätspflichtig sind. Je nach Unternehmensgröße müssen neben Bilanzkennzahlen auch Informationen zur Gewinn- und Verlustrechnung veröffentlicht werden. Im Sinne der Samplegröße erfolgen die Berechnungen über die Bilanzdaten. Verbunden werden die beiden Datensätze über die UID-Nummer.
In die Berechnungen gehen jene Unternehmen ein, deren Bilanzstichtag zwischen dem 31.12.2020 und dem 1.3.2021 liegt. Damit können sowohl der erste Lockdown im März und April 2020, als auch die Lockdowns im Spätherbst und Winter 2020/21 erfasst werden. Die Zuschüsse, die in die Analyse einfließen, sind also die Fixkostenzuschüsse, sowie der Umsatzersatz für November und Dezember.

Als Gewinn- bzw. Verlustkennzahl eines Unternehmens dient der Jahresüberschuss/-verlust. Auf diesen lässt sich vom Bilanzgewinn ausgehend zurückrechnen. Die Über- oder Unterförderung wird zunächst auf Unternehmensebene berechnet. Dabei wird der Jahresüberschuss dem Jahresüberschuss abzüglich der erhaltenen Zuschüsse gegenübergestellt. Wäre dieser negativ gewesen, wird der Teil der Zuschüsse als Überförderung gewertet, der nach Abdecken des hypothetischen Verlustes den Gewinnbereich stützt. Genauere Informationen zur Methodik und Limitationen finden sich im Policy Brief im Downloadbereich.

Überförderung in Gastronomie und Hotellerie

Unternehmen aus Gastronomie und Hotellerie bilden die größte Gruppe an Zuschussempfängern innerhalb der EU-Beihilfentransparenzdatenbank. 2.474 Unternehmen bekamen im Jahr 2020 Zuschüsse der COFAG bewilligt. In der Sabina-Datenbank finden sich auswertbare Bilanzdaten von 937 Unternehmen aus Gastronomie (642) und Hotellerie (294). 

685 dieser 937 Unternehmen konnten im Geschäftsjahr 2020 einen Gewinn erzielen – das sind fast drei von vier Unternehmen (Abbildung 5). Davon konnten 485 ihren Gewinn sogar steigern, das sind 52 Prozent der betrachteten Unternehmen. Zusätzliche 35 Unternehmen erzielten einen Verlust, konnten diesen aber im Vergleich zu 2019 reduzieren. Insgesamt wurden im Jahr 2020 an diese 937 Unternehmen über 270 Millionen Euro an Zuschüssen ausbezahlt. Die Summe an Überförderung beträgt 128 Millionen Euro (Abbildung 6). Dieser Betrag stand den Empfängerunternehmen zwar rechtlich gesehen zu, wäre aber ökonomisch gesehen definitiv nicht nötig gewesen, um den Fortbestand der empfangenden Unternehmen zu sichern. 

 

Bau- und Möbelmärkte mit Gewinnen, Bekleidungshandel ausgeglichener

Abseits der Gastronomie und Beherbergungsbetriebe war vor allem der stationäre Handel stark von den behördlichen Schließungen während der Lockdowns betroffen. Insgesamt flossen 17,5 Prozent der in der EU-Beihilfentransparenzdatenbank vermerkten COFAG-Hilfen in die Branche. Der Handel als Sektor ist jedoch noch wesentlich diverser als Gastronomie und Hotellerie, wodurch eine Auswertung nach Teilbereichen des Handels – nicht aber für den Handel als Ganzes – nötig ist. Um ausreichende Teilsamplegrößen zu gewährleisten, erfolgt die Einteilung fünf Gruppen: Autohandel und -reparatur (105 Unternehmen), Elektronik und Medien (17 Unternehmen), Mode und Sport (118 Unternehmen), Haushalt und Heimwerk (55 Unternehmen), sowie Uhren, Schmuck und Kunst (20 Unternehmen).

In den einzelnen Bereichen zeigen sich teils erhebliche Unterschiede im Verhältnis von überförderten zu unterförderten Unternehmen. Am größten ist diese Differenz im Teilbereich Autohandel und -reparatur. Hier erzielten 94 von 105 Unternehmen im Geschäftsjahr 2020 einen Gewinn. 25 Millionen Euro an Zuschüssen wurden an diese Unternehmen ausbezahlt, 19 Millionen stützten ausschließlich den Gewinn dieser Unternehmen. Das Teilsample mit Betrieben aus dem Bereich Elektronik und Medien ist mit 17 Unternehmen sehr klein. 14 Unternehmen daraus konnten einen Gewinn erzielen. Dies ergibt in Summe eine Überförderung von 3,7 Millionen Euro. 
Im Mode- und Sporthandel ist das Verhältnis im Vergleich zu den anderen Bereichen wesentlich ausgeglichener: 58,5 Prozent der 118 Unternehmen wurden überfördert. 48 Millionen Euro an Zuschüssen wurden 2020 in diesem Bereich von der COFAG bewilligt. 14 Millionen davon trugen zu den Gewinnen der Mode- und Sporthändler bei. Gleichzeitig betrugen die Verluste im Teilbereich 58 Millionen Euro. 
Im Bereich Haushalt und Heimwerk konnten sowohl 2020 als auch 2021 reale Umsatzzugewinne verzeichnet werden. Die Ergebnisse zur Gewinnentwicklung belegen die Überförderung vieler Betrieb der Branche: 47 von 55 Unternehmen schlossen das Geschäftsjahr 2020 mit einem positiven Ergebnis ab. Insgesamt flossen 16 Millionen Euro an Zuschüssen in die Teilbranche. Davon trugen 11,5 Millionen ausschließlich zur Subventionierung der Gewinne bei.
Aus dem Bereich Luxushandel mit Schmuck, Uhren und Kunst sind 20 Unternehmen in der Stichprobe. 16 davon konnten im Betrachtungszeitraum einen Gewinn erzielen. Von fünf Millionen Euro an Zuschüssen stützten 3,4 Millionen die Gewinne der Unternehmen. Nur 2,6 Millionen deckten Verluste ab und erfüllten so eher den eigentlichen Zweck der Corona-Hilfen, das Überleben der Betriebe zu sichern.

Insgesamt ergibt sich für den Handel damit eine bestätigte Überförderungssumme von 52 Millionen Euro. Das ist im Vergleich zu Gastronomie und Hotellerie deutlich weniger. Allerdings wurden auch deutlich weniger an Zuschüssen an den Handel ausbezahlt. In den einzelnen Teilbereichen des Handels zeigt sich überdies ein sehr diverses Bild: Während im Bereich Autohandel und -reparatur, sowie Haushalt und Heimwerk die Fälle von Überförderung deutlich überwiegen, hatten im Bereich Mode und Sport wesentlich mehr Unternehmen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen.

Allein im Jahr 2020 Überförderung von 179 Millionen

Insgesamt ergibt die Auswertung für das Jahr 2020 eine Überförderung durch die Corona-Unternehmenshilfen von 179 Millionen Euro. Im betrachteten Sample entfallen 93 Millionen der Gewinnsubventionierung auf die Gastronomie mit 526 überförderten Unternehmen. In der Hotellerie finden sich 159 Fälle von Gewinnsubventionierung, die in Summe 34 Millionen Euro ausmacht. Im Handel wurden 240 Unternehmen überfördert, sie erhielten in Summe 52 Millionen Euro, die wirtschaftlich nicht notwendig gewesen wären, um Verluste im Geschäftsjahr 2020 zu verhindern. Auf der anderen Seite finden sich Unternehmen, die trotz staatlicher Unterstützung immer noch massive Verluste verbuchten. Dies ist ein Hinweis auf mangelnde Treffsicherheit der Corona-Unternehmenshilfen. Es wurden also allein innerhalb dieses kleinen Ausschnitts der österreichischen Unternehmenslandschaft fast 180 Millionen Euro an Hilfsgeldern ausbezahlt, die wirtschaftlich gesehen nicht notwendig gewesen wären. 

Die Ergebnisse entsprechen einer Vollauswertung der vorhandenen Daten zu den österreichischen Corona-Hilfen, für die eine entsprechende Analyse möglich ist. Insgesamt wurde seit Krisenbeginn ein Vielfaches an Hilfsgeldern ausbezahlt oder zumindest bewilligt.
Eine Hochrechnung oder repräsentative Einschätzung der gesamten Unternehmenshilfen ist mit den vorhandenen Daten für Österreich nicht möglich.

Ohne Daten keine volle Transparenz

Österreich ist EU-rechtlich lediglich zur Meldung von Zuschüssen über 100.000 Euro verpflichtet. Dementsprechend findet sich in der Datenbank nur ein Teil der tatsächlich ausbezahlten Hilfsgelder. Viele Förderungen an vor allem kleinere Betriebe scheinen nicht auf, wodurch das Gesamtbild tendenziell in Richtung mittlerer und größerer Betriebe verzerrt ist. Hier müsste von Seiten des Bundesministeriums für Finanzen ein Transparenzschub erfolgen. Selbiges trifft auf die Kurzarbeit zu, für die es noch immer keinerlei öffentlich einsehbare Daten auf Unternehmensebene gibt. Prinzipiell handelt es sich bei der Kurzarbeit um ein Arbeitsmarktinstrument. Aufgrund des enormen Volumens dieser Maßnahme seit Krisenbeginn kann aber keine Rede mehr von einem Versicherungsinstrument oder ähnlichem sein. Die Finanzierung der Maßnahme erfolgt überdies aus dem Budget des Bundesministeriums für Arbeit. Hier wäre es ebenfalls Zeit, Transparenz zu schaffen. So war die Kurzarbeit nicht nur in den von den behördlichen Schließungen betroffenen Branchen eine gewichtige Hilfsmaßnahme, sondern vor allem auch in der Industrie und dem herstellenden Gewerbe. Überdies war die Kurzarbeit für sehr große Unternehmen von größerer Bedeutung als (oftmals gedeckelte) Zuschüsse. Erst durch eine Veröffentlichung der Kurzarbeitsbeihilfe nach Unternehmen könnte das Ausmaß der Überförderung bei sehr großen Unternehmen überhaupt analysiert werden.

Überschüssige Gelder zurückfordern

Aus rechtlicher Sicht bezogen die Betriebe die Corona-Wirtschaftshilfen zurecht. Jedem Betrieb stand es zu, sie zu beantragen, sofern die gesetzliche Ausgestaltung dies ermöglichte. Aus einer unternehmerischen Perspektive ohne moralischen Kompass, dafür aber mit Fokus auf den Eigennutz und Gewinn, ist es nur logisch, die Hilfen zu beziehen, auch wenn man sie gar nicht benötigt hätte. 
Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass die Schwachstellen in der Konzeption der Unternehmenshilfen bereits bei Betrachtung einer vergleichsweise kleinen Stichprobe zu hoher Überförderung geführt haben. Andere Unternehmen wiederum konnten aus diversen Gründen die Verluste durch die Pandemie nicht mittels staatlicher Hilfe decken. Die ungleiche Behandlung von Unternehmen innerhalb einer Branche ist auch aus Wettbewerbsgründen problematisch. Aufgrund staatlicher Hilfen stehen einige Betrieb besser, andere schlechter, für die Zeit nach Corona da. Denn bei einigen Betrieben kamen die Hilfen nicht in benötigtem Ausmaß an (Unterförderung). 

Im Gegensatz zur Schweiz wurde in Österreich verabsäumt, eine Rückforderungsklausel in die Hilfsleistungen einzubauen, sollte das Unternehmen über einen längeren Betrachtungszeitraum (beispielsweise das Geschäftsjahr) trotz der Hilfen Gewinne schreiben. So würden die Wirtschaftshilfen zielgerichtet Verluste des Betriebs abdecken, nicht jedoch staatliche finanzierte Gewinne des Unternehmenseigentümers künstlich erzeugen. Sollten im kommenden Herbst und Winter wieder Zuschüsse von Nöten sein, gilt es dringend derartige Klauseln gesetzlich zu verankern. 

Die bereits überschüssig ausbezahlten Hilfsgelder per se können nicht mehr direkt zurückgefordert werden. Es besteht für die Bundesregierung aber jederzeit die Möglichkeit, eine Sonderabgabe für überförderte Unternehmen einzuführen und ineffizient eingesetzte Unternehmenshilfsgelder wieder in den Bundeshaushalt zurückzuführen. So könnte der Finanzminister mittels einer Sondersteuer jeden Euro, der aus ökonomischer Sicht zu viel subventioniert wurde, wieder in den Staatshaushalt zurückholen. Angesichts der teuren Krisenbewältigungsmaßnahmen und dem drohenden Konjunkturabschwung aufgrund der Ukraine-Krise darf die Bundesregierung auf diese Einnahmen nicht verzichten.


 

Den vollständigen Policy Brief gibt es hier zum Download:

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