Wäre die deutsche Ampel auch etwas für Österreich? Ein Blick auf das Programm des neuen Kanzlers Scholz. Für schlecht bezahlte Jobs steht die Ampel in Deutschland künftig auf Rot. Ein Mindestlohn von 12 Euro brutto pro Stunde sagt dem Niedriglohnsektor den Kampf an. In Österreich hieße das 1.782 Euro brutto bei 14 Gehältern. Das Einstiegsgehalt einer angelernten Frisörin in Österreich stiege so um 261 Euro pro Monat, der Lohn einer Servicekraft mit Lehrabschluss um 208 Euro. Einen Anfang machte zuletzt der Handel, der 1.800 Euro Mindestlohn umsetzte. Doch noch immer arbeiten Zehntausende in Substandard-Jobs.
Grün blinkt die Ampel künftig beim Klimaschutz. Hier will man auf Ordnungspolitik setzen. So kommt für Gewerbetriebe die Pflicht, Solaranlagen auf neuen Dächern aufzustellen. In Österreich versucht man das mit Förderungen zu erreichen. Ausgefallen ist die Ampel beim CO2-Preis. Eine Erhöhung bleibt aus. Damit ist wohl auch der zu niedrige österreichische CO2-Preispfad in Stein gemeißelt, der sich am Nachbarn orientiert. Für die Klimaziele wird das zu wenig sein.
Mit Cannabis-Legalisierung und kontrollierten Einwanderungsgesetzen zeigt die Ampel, dass sie sich gesellschaftspolitisch einigen kann. Aber in der Wirtschafts- und Sozialpolitik regelt eine orange blinkende Ampel nichts mehr. SPD und Grüne erhalten keine Vermögensteuer, Erbschaftsteuer-Privilegien für Unternehmer bleiben. Dafür bekommen die Liberalen keine Steuersenkungen für ihre Klientel. Spitzensteuersätze und Konzern-Gewinnsteuern werden nicht gesenkt. Ein Steuergeschenk für Unternehmen gibt es mit der Superabschreibung für unspezifische Investitionen. Nur „irgendwas mit Klima“ oder „digital“ muss es sein.
Auch beim Budget gelingt der Spagat kaum. Die einen wollen massive Investitionen, die anderen eine Rückkehr zur Schuldenbremse. Im ersten Jahr gibt es einen Bilanztrick, der Mittel freimacht. Ob der liberale Finanzminister Lindner danach dem grünen Klimaminister die Klimamittel zusammenstreicht? Im ganzen Programm stehen keine Geldsummen.
Die Sozialpolitik ist geprägt vom Widerspruch. Für staatliche Pensionen setzt die SPD eine Mindesthöhe, dafür bekommen die Liberalen einen kleinen risikobehafteten Fonds, der für spätere Pensionisten am Kapitalmarkt Geld anlegen soll. Ein paar Giftzähne werden dem System Hartz IV gezogen, doch grundsätzlich bleibt es intakt. Für erniedrigende Prüfungen des Arbeitsamtes, etwa, ob die Wohnung nicht zu groß oder der Spargroschen nicht zu hoch sei, gibt es eine längere Schonfrist.
Auch eine Austro-Ampel könnte Kompromisse finden. In der Wirtschafts- und Sozialpolitik wären beide Seiten auf Dauer jedoch enttäuscht. Das liberale Dogma „Steuern runter“ lässt sich mit einem Sozialstaat nicht vereinen, der Pflege ausbaut, die Kaufkraft der Pensionisten erhält und ordentlich gegen die Klimaerhitzung investiert. Wie die Deutschen die Finanzierungsfrage lösen werden, wird interessant. Ob die Ampel danach eine gute Weiterfahrt anzeigt?
Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Wiener Zeitung.