Blick vom Boden in Richtung Himmel zeigt begrünte Balkone eines mehrstöckigen Hauses
/ 29. April 2021

Während wir die Coronakrise stärker in den Griff bekommen, tritt die Klimakrise in den Vordergrund. Dabei wird die Wichtigkeit von Klimaschutz üblicherweise nicht bestritten. Bei jedem konkreten Vorschlag kommen aber Bedenken. Dies schade dieser und jener Branche, der Wirtschaft, ja überhaupt dem Wohlstand. Josef Urschitz' sehr kritische Würdigung einer Studie der deutschen Böll-Stiftung in der "Presse" ist dabei keine Ausnahme. 

Dabei sollten wir nicht vergessen: Schaffen wir es nicht, die Klimakrise in den Griff zu bekommen, droht unser Wohlstand zu erodieren. Eine Studie des Grazer Wegener Instituts untersucht beispielsweise die Kosten des Nichthandelns im Bereich des Klimaschutzes. Die Ergebnisse sind beachtlich: Die direkten klima- und wetterbedingten Schäden allein belaufen sich bereits auf zwei Milliarden Euro pro Jahr. Berücksichtigt man außerdem die Schäden für die Wirtschaft, so kommt man aktuell auf jährliche Schäden von 15 Milliarden Euro - Tendenz steigend. Verfehlen wir die Klimaziele, so blicken wir in eine ungewisse Zukunft. Das bedeutet, dass wir unseren Ressourcenverbrauch drastisch einschränken müssen, gerade um unseren Wohlstand zu erhalten. Die größte Hoffnung ruht dabei auf dem technologischen Wandel, der Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch voneinander entkoppeln soll. Sich auf notwendige technische Errungenschaften zu verlassen, gleicht allerdings einer großen Wette mit hohem Einsatz. Zudem zeigen Simulationen, dass wir unsere Klimaziele durch Verhaltensanpassungen deutlich schneller und teilweise effektiver erreichen können. Vor diesem Hintergrund ist eine Debatte über die Ausgestaltung unseres Wohlstands und der Konsumweise angebracht. 

Dazu hilft es, einen Blick auf den Zusammenhang von materiellem Konsum und Wohlstand werfen. Wohlstand hängt mit Bedürfnisbefriedigung zusammen. Teilweise können wir Bedürfnisse durch materiellen Konsum stillen, indem wir Essen, Kleidung, Wohnraum oder Freizeitaktivitäten konsumieren. Deshalb fokussieren wir uns so oft auf das Wirtschaftswachstum als Wohlstandsindikator. Je größer die Wirtschaftsleistung, desto mehr können wir konsumieren. Dadurch wird Wohlstand allerdings auf den alleinigen Aspekt der materiellen Bedürfnisbefriedigung reduziert. Viele unserer Bedürfnisse, wie Bildung, Gesundheit oder soziale Nähe, können wir nur teils durch materiellen Konsum stillen. Konsum hängt somit zwar mit Wohlstand zusammen. Doch nur weil wir mehr konsumieren, sind wir keineswegs automatisch zufriedener, gesünder oder besser gebildet. Auch unsere Umwelt wird dadurch nicht lebenswerter. Aus diesem Grund wurden mittlerweile auch alternative Wohlstandsindikatoren definiert. Einer der bekanntesten alternativen Indikatoren ist etwa der Human Development Index (HDI), der neben der Wirtschaftsleistung auch Bildung und Lebenserwartung berücksichtig. 

Diskussion über Konsum 

Entscheidend ist also nicht, wie viel wir konsumieren, sondern was wir konsumieren. Eine Diskussion über unseren Konsum ist damit entgegen häufiger Behauptungen keine Einwegstraße des Wohlstandsverlusts. Im Gegenteil! Es geht darum, den Wohlstand unserer Gesellschaft zu maximieren, ohne die natürlichen Grenzen unserer Umwelt zu überschreiten. Das kann gelingen, wenn wir ressourcenintensiven und verschwenderischen Konsum zurückfahren. So könnten wir etwa in Zukunft nicht mehr jeden Sommer mit dem Flugzeug auf Urlaub fliegen und auf den Zug umsteigen. Auch exzessiven Fleischkonsum könnten wir reduzieren und dafür in Zukunft auf nachhaltige und artgerechte Tierhaltung Wert legen. Statt Milliarden Euro für neue Autobahnen auszugeben, könnten wir unser Bildungs- und Sozialsystem auf neue Beine stellen. Manche Leute müssten so auf einen Teil ihres Überschusses verzichten. Für viele Leute, wie die 37 Prozent der Österreicher:innen, die nie in ihrem Leben ein Flugzeug betreten, würde das nicht Verzicht, sondern mehr Wohlstand bedeuten. Die dafür notwendige Debatte erfordert Mut. Sie bringt aber auch die Chance, am Ende in einer lebenswerteren, wohlhabenderen Welt aufzuwachen.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der "Presse"

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