Fachkraft Schweißer
/ 22. Dezember 2021

Das Bundesministerium für Arbeit veröffentlicht jedes Jahr gegen Jahresende die Fachkräfteverordnung, mit der die sogenannten Mangelberufe für das nächste Jahr festgelegt werden. Steht ein Beruf auf der Mangelberufsliste, dürfen Unternehmen Arbeitskräfte auch außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz (einem Wirtschaftsraum mit über 500 Millionen Einwohner:innen) anwerben. Kriterium hierfür ist, dass es für diese Berufe österreichweit nicht mehr als eineinhalb mal so viele Arbeitslose wie offene Stellen gibt.

Die Zahl der Mangelberufe hat sich seit dem Jahr 2016 fast verfünfzehntfacht. Grund dafür, ist dass seit 2019 auch die Möglichkeit regional beschränkter Mangelberufe geschaffen wurde. Das heißt: Liegt in einem Bundesland die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zu den offenen Stellen unter 1,5, dürfen für diesen Beruf Arbeitskräfte aus Drittstaaten angeworben werden, völlig egal wie viele Arbeitslose es in einem bestimmten Beruf in den restlichen Bundesländern gibt. Anstatt Arbeitslose aus angrenzenden Bundesländern oder Nachbarländern anzuwerben, wird Unternehmen die Möglichkeit gegeben billige Arbeitskräfte aus Drittstaaten zu beschäftigen. Aber selbst wenn man nur die bundesweiten Mangelberufe betrachtet, gab es in den letzten 7 Jahren eine Verachtfachung der Zahl der Mangelberufe.

Bei der Zahl der regionalen Mangelberufe zeigen sich große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Während es in Wien gar keine zusätzlichen Mangelberufe gibt, können Unternehmen in Oberösterreich im Jahr 2022 durch 41 regionale Mangelberufe insgesamt für 107 Beruf Arbeitskräfte von außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz anwerben.

Wieso ist die Mangelberufsliste problematisch? Sie hebelt die ansonsten viel gepriesenen Kräfte des freien Marktes aus: Anstatt unter den bestehenden Rahmenbedingungen zu versuchen Menschen für bestimmte Berufe anzuwerben, werden durch die Einführung von Mangelberufen die Spielregeln für manche Unternehmen geändert. Möglichkeiten zur Rekrutierung von Arbeitskräften gibt es mehrere.

Durch höhere Löhne können Fachkräfte aus Nachbarländern oder jene, die sich für andere Berufe entschieden haben, angeworben werden. Weiters könnte die Verbesserung der Arbeitsbedingungen (Arbeitszeitverkürzung, familienfreundlicheres Arbeitsumfeld, ganzjährige Beschäftigungsmodelle) zusätzlich zum Gehalt verstärkt Fachkräfte motivieren sich für Mangelberufe zu bewerben. Zuletzt müssen Unternehmen bereits bei der Lehrlingsausbildung ansetzen. Gerade in Berufen, die schon seit mehreren Jahren auf der Liste stehen, bietet es sich an, verstärkt Lehrlinge im eigenen Betrieb auszubilden und so an das Unternehmen zu binden.

Häufige Mangelberufe sind durch schlechte Arbeitsbedingungen geprägt

Bei den häufigsten Mangelberufen (in mindestens 5 von 10 Jahren auf der Mangelberufsliste) handelt es sich um: Bauberufe (z.B. Dachdecker:in, Spengler:in, Tischler:in, Bodenleger:in, Installateur:in), metallbearbeitende Berufe (Schweißer:in, Schlosser:in, Fräser:in), sowie diverse Ingenieur:innen und Krankenpfleger:innen. Insgesamt standen 27 Berufe in mindestens 5 der letzten 10 Jahre auf der Mangelberufsliste.

Eine Untersuchung des Momentum Instituts zeigt zudem: Bei einem großen Teil der offenen Stellen handelt es sich um Leiharbeitsstellen. In der Hälfte der Berufe war im Jahr 2021 (Jänner bis November) mehr als eine von drei offenen Stellen im Leiharbeitssektor angesiedelt. In einzelnen Berufen sogar mehr als jede zweite Stelle (Schlosser:in 53 %; Dreher:in, Schweißer:in je 60 %; Maschinenbautechniker:in 66 %; diverse Starkstromtechniker:innen 58 % bis 93 %). Leiharbeitskräfte erfüllen für Unternehmen eine Pufferfunktion, für Betroffene ist Leiharbeit aber oft mit prekären Arbeitsbedingungen verbunden. Die Hälfte der Leiharbeitskräfte ist nicht länger als 2 Monate beim selben Unternehmen beschäftigt, jede zehnte berichtet im Falle eines Krankenstands zu einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gedrängt worden zu sein.

Außerdem setzt vor allem die Baubranche auf temporäre Kündigungen. Das bedeutet, dass Unternehmen Arbeitskräfte bei schlechterer Auftragslage kündigen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt (oft nach wenigen Tagen oder Wochen) wieder einzustellen. Die Unternehmen sparen sich dadurch Personalkosten, die allerdings auf die Arbeitslosenversicherung und damit auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Für die Betroffenen bedeutet dies niedrigere Sozialversicherungsbeiträge und damit geringere Pensionsleistungen in der Zukunft. Im Jahr 2021 (Jänner bis November) waren in einzelnen Mangelberufen mehr als jede:r dritte Arbeitslose betroffen (Betonierer:in 36 %; Spengler:in 42 %; Dachdecker:in 43 %; Zimmerer/Zimmerin 47 %).

 

Das Momentum Institut empfiehlt

Generelle Reform des Ausländerbeschäftigungsgesetz im Bereich Fachkräfteverordnung/Mangelberufsliste:

  • Nur Berufe als Mangelberufe zulassen, bei denen starke Lohnsteigerungen als deutliches Signal eines Mangels zu beobachten waren
  • Regionalisierung der Mangelberufsliste beenden – Österreich ist zu klein
  • Verstärkte Ausbildungsaktivität der betroffenen Branchen und Betriebe fördern, aber auch einfordern, bevor Berufe auf die Mangelberufsliste gesetzt werden
  • Offene Leiharbeitsstellen nicht zur Berechnung der Stellenandrangsziffer in der Mangelberufsliste verwenden

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