Die Sparzinsen sinken schon wieder. In den letzten Monaten haben Sparer:innen zwar höhere Zinsen erhalten als in der langen Nullzins-Zeit davor, weil die Europäische Zentralbank die Zinsen erhöhte. Doch die Banken gaben diese Zinserhöhungen nur zögerlich an die Sparer:innen weiter. Langsamer, als etwa in vergangenen Zeiten mit höheren Zinsen. Was kann die Politik tun, damit Sparer:innen höhere Zinsen lukrieren können, um die Kaufkraft ihrer Ersparnisse besser zu erhalten? Das Momentum Institut empfiehlt die Einführung eines Vorzugssparbuchs für Kleinsparer:innen.

Ein neuer Policy Brief vergleicht zwei Vorschläge, die in der öffentlichen Debatte präsent sind: Ein mindestverzinstes Vorzugssparbuch für Kleinsparer:innen nach dem Vorbild Frankreichs verhilft vordringlich der unteren Mittelschicht zu mehr Zinsen. Eine Abschaffung der Kapitalertragsteuer auf Sparbücher begünstigt dagegen die reichsten Haushalte.

Eine Abschaffung der Kapitalertragsteuer bringt den reichsten Haushalten am meisten

Der durchschnittliche Kontostand eines österreichischen Haushalts beträgt 31.300 Euro. Der Durchschnitt verzerrt jedoch das tatsächliche Bild, denn die Unterscheide sind enorm. Das reichste Vermögenszehntel der Haushalte besitzt alleine an Geldvermögen auf der Bank knapp 91.000 Euro. Weiteres Finanzvermögen wie Aktien, Anleihen, Lebensversicherungen oder Fonds sind da noch gar nicht eingerechnet. Das ärmste Zehntel hingegen nennt keine 1.200 Euro sein Eigen.

Nimmt man nun für alle den aktuellen Durchschnitts-Zinssatz an (1,60 Prozent laut Daten der Nationalbank im September 2024), so bedeutet dieses ungleiche Vermögen auch ein ungleiches Zinseinkommen. Das reichste Zehntel erhält abzüglich der Kapitalertragsteuer (KESt) knapp 1.100 Euro im Schnitt pro Jahr, das ärmste Zehntel gerade einmal 14 Euro im Jahr.

Reiche profitieren am meisten von einer Abschaffung der Kapitalertragsteuer

Eine Abschaffung der Kapitalertragsteuer, die in unterschiedlichen Varianten von ÖVP, NEOS oder der FPÖ gefordert wird, verstärkt diese Ungleichheit noch zusätzlich. Wer mehr Zinseinkommen hat, erhält auch eine größere Steuersenkung. Wer kaum Zinseinkommen hat, hat auch kaum etwas davon. Das reichste Zehntel würde im Fall einer Abschaffung der Kapitalertragsteuer 229 Euro mehr im Jahr erhalten. Das ärmste Zehntel der Haushalte im Schnitt jedoch nur magere 5 Euro. Die reichsten Haushalte bekommen also fast fünfzig Mal so viel wie die Ärmsten. Und das, obwohl die Rechnung bereits einen Deckel enthält: Wer mehr als 100.000 Euro am Sparbuch hat, erhält für sein Sparvermögen über 100.000 Euro keine KESt-Befreiung mehr.0F Die vorgeschlagene Teil-Abschaffung der KESt verteilt also kräftig nach oben um. Denn der staatliche Einnahmenausfall geht mittelfristig mit weniger staatlichen Leistungen einher, die derzeit allen – aber stärker den Haushalten mit weniger Vermögen – zugutekommen.

Ein Vorzugssparbuch mit Mindestverzinsung hilft der unteren Mittelschicht am meisten

Das Vorbild für eine „Mindestverzinsung“ auf Sparbüchern ist das französische „Volkssparbuch“ (Livret d’épargne populaire, LEP). Es sieht derzeit einen Mindestzinssatz von 4 Prozent vor und soll vor allem die finanziellen Reserven der Kleinsparer:innen vor der Inflation schützen. Um die Treffsicherheit zu gewährleisten, kann das Sparbuch nur erhalten, wer nicht mehr als ein gewisses Höchsteinkommen bezieht. Zusätzlich ist die Einlagensumme auf 10.000 Euro gedeckelt. Auf Österreich umgerechnet läge das Maximaleinkommen eines Ein-Personen-Haushalts bei rund 1.600 Euro netto monatlich (14x Mal).

Für Österreich heißt das: Insgesamt 1,5 Millionen Haushalte, das entspricht 2,7 Millionen Menschen – ein Drittel der Bevölkerung – könnten ein Vorzugssparbuch eröffnen. Nach Einkommen sind die unteren 20 Prozent gänzlich berechtigt, ein Vorzugssparbuch zu eröffnen. Von den 30 Prozent der Haushalte mit den höchsten Einkommen ist niemand berechtigt. Wir wählen die Darstellung nach Vermögen, wodurch einzelne Haushalte mit hohen Vermögen und wenig Einkommen ebenfalls in den Genuss eines Vorzugssparbuchs kommen könnten. Im reichsten Zehntel der Haushalte nach Vermögen ist nicht einmal einer von fünf anspruchsberechtigt (18 Prozent). Im ärmsten Zehntel der Haushalte nach Vermögen haben über drei Viertel Anspruch auf ein Vorzugssparbuch (77 Prozent).

Die Mindestverzinsung bringt vor allem der unteren Mittelschicht höhere Zinseinnahmen. Relativ zum angehäuften Vermögen ist der Effekt für die unteren vierzig Prozent – die Armen und die untere Mittelschicht – am größten. Das ärmste Zehntel hat kaum Ersparnisse, verdoppelt aber seine Zinseinkünfte von 14 auf 30 Euro. Im zweiten und dritten Zehntel der Haushalte – Ärmere bis untere Mittelschicht – werden die Zinseinkünfte teilweise mehr als verdoppelt. Im vierten Zehntel gibt es immerhin noch um rund die Hälfte mehr.

Ein Vorzugssparbuch bringt der unteren Mittelschicht mehr Zinsen

Das Vorzugssparbuch lässt sich durch Bankengewinne gegenfinanzieren

Ein Unterschied zwischen beiden Varianten ist auch, wer die Rechnung dafür bezahlt. Eine Abschaffung der Kapitalertragsteuer für Einlagen bis zu 100.000 Euro kommt den Staat teuer. 423 Millionen Euro müsste er dafür in die Hand nehmen. Ein Vorzugssparbuch hingegen würden vor allem die Banken stemmen, weil sie ihren Kund:innen mit den Sparbüchern höhere Zinsen bezahlen. Angesichts der aktuellen Rekordgewinne der Banken sollte das keine große Schwierigkeit darstellen. Die 265 Millionen Euro, die ein Vorzugssparbuch kostet, entsprechen lediglich 2,1 Prozent der Gewinne der Banken 2023. Da erzielten die Banken 12,6 Milliarden Euro an Gewinnen, rund doppelt so viel wie in den Jahren vor dem Zinsanstieg ab Mitte 2022. In Frankreich unterliegen die Zinsen am Volksparbuch keiner Kapitalertragsteuer. Im Fall Österreichs würde eine etwaige KESt-Befreiung des Vorzugssparbuchs Kosten von 44 Millionen Euro für den Staatshaushalt bedeuten.

Wie ein Vorzugssparbuch ausgestalten?

Die hohe Inflation hat die Unterschicht und untere Mittelschicht besonders hart getroffen. Auch ihr Notgroschen am Konto oder Sparbuch – sofern sie überhaupt eines ihr Eigen nennen können – hat stark an Kaufkraft verloren. In Frankreich hat das dortige Volkssparbuch genau das verhindert. Staatlich garantierte Mindestzinsen zumindest in Höhe der Inflationsrate erhalten die Kaufkraft der wenigen Ersparnisse dieser Haushalte. Ein maximaler Sparbetrag auf dem Sparbuch sowie eine Einkommensgrenze, bis zu der man das Sparbuch bekommen kann, stellt sicher, dass es tatsächlich nur Kleinsparer:innen zur Verfügung steht.

Österreich sollte ein Vorzugssparbuch mit staatlich garantierten Mindestzinsen einführen. Wie könnte es aussehen?

    • Der Mindestzinssatz des Sparbuchs sollte dem Leitzinssatz der Europäischen Zentralbank entsprechen. Ist der allerdings niedriger als die Inflationsrate, dann sollte er der Inflationsrate entsprechen, damit die Haushalte nicht durch die Teuerung ärmer werden. Aktuell würde der Zinssatz am Vorzugssparbuch also zumindest 3,4 Prozent betragen. Frankreich legt zudem den Zinssatz jeweils für eine mehrmonatige Periode fest, damit für Haushalte und Banken Planungssicherheit besteht.
    • Die Einkommensgrenze, bis zu der ein Haushalt das Sparbuch bei seiner Bank erhalten kann, könnte wie in Frankreich bei 46.500 Euro netto im Jahr für eine Familie mit zwei Kindern liegen. Für zwei Erwachsene wäre das maximale jährliche Nettoeinkommen 34.500 Euro, für Alleinerziehende 28.500 Euro und rund 22.500 Euro für Singles. Damit hätten mehr als ein Drittel der Haushalte (37 Prozent) in Österreich Zugang zum Vorzugssparbuch.
    • Die maximale Sparsumme, die jederzeit auf dem Vorzugssparbuch liegen darf, sollte 10.000 Euro pro Person betragen. Die genaue Grenze selbst ist politisch festzulegen, allerdings ist so sichergestellt, dass die wenigen Personen, die aktuell zwar wenig Einkommen erzielen, aber trotzdem viel Vermögen besitzen, den erhöhten Zinssatz nicht auf ihr gesamtes Sparvermögen erhalten. Um die soziale Treffsicherheit zu gewährleisten bräuchte es neben der Einkommensgrenze allerdings auch eine Vermögensgrenze. Dafür muss jedoch zuerst eine gesetzliche Grundlage zur Vermögensprüfung seitens der Bank geschaffen werden.

Mehr Informationen finden Sie im ausführlichen Policy Brief zum Vorzugssparbuch.

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