Am 15. August endet die Begutachtungsfrist des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) – ein Versuch Österreichs Bundesregierung, die Preisexplosionen am Strommarkt endlich abzufedern. Obwohl die Strompreise in ganz Europa seit der Energiekrise durch die Decke gingen, schaffte es die Schweiz im Gegensatz zu Österreich, kleine Verbraucher:innen und Haushalte vor Preisspitzen zu schützen. Deshalb hat das Momentum Institut den Strommarkt Österreichs mit dem der Schweiz verglichen und legt im neuen Policy Brief “Strompreise senken wie die Schweiz” Kernpunkte offen, die das Nachbarland zum Vorbild für eine effektive Stromreform machen.
In Österreich sind Haushalte und Kleinbetriebe in erster Linie bei den Landesenergieversorgern unter Vertrag. Diese lagen mit ihren Preissteigerungen deutlich über jenen der Schweiz, wie ein Vergleich der Energiepreise 2023 mit dem Vierjahresdurchschnitt 2018 bis 2021 zeigt.
Während der Energiekrise schraubten die österreichischen Landesenergieversorger ihre Stromtarife massiv nach oben, während manche Schweizer Regionalversorger ihre Preise gar nicht erhöhten. Selbst bei Anbietern mit Preiserhöhungen blieb die Teuerung zumeist unterhalb einer Verdoppelung, nur drei größere Schweizer Versorger gingen bei ihrem Strompreis darüber hinaus (+113 bis +122 Prozent). Zum Vergleich: In Österreich erhöhten die Tiroler TIWAG und die Kärntner KELAG ihre Tarife um 93 bzw. 98 Prozent. Sieben von neun österreichischen Landesenergieversorgern verlangten hingegen von ihren Kund:innen zweieinhalb bis dreieinhalb mal so viel Geld für den gleichen Strom wie zuvor. Im Schnitt wollten sie um 215 Prozent mehr Geld von ihren Kund:innen. Trauriger Spitzenreiter war die EVN in Niederösterreich mit einer Preiserhöhung von 266 Prozent. In der Schweiz blieben solche Dimensionen undenkbar.
Der Blick über die Ländergrenzen zeigt: Regulierung wirkt. Was den Strommarkt Österreichs grundlegend von der Schweiz unterscheidet, ist deren bewusste Entscheidung gegen die EU-weite Liberalisierung für Haushalts- und (Klein-)Betriebskund:innen. Hierzulande wurde der Strommarkt 2001 sogar noch vor der EU-Regelung liberalisiert, was den Unternehmen weitgehend freie Preisgestaltung ermöglicht und Haushalte teuer zu stehen kommt. Gerade in Krisenzeiten sind sie überhöhten Stromtarifen schutzlos ausgeliefert. in der Schweiz wird außerdem unterschieden: Wenn ein Stromversorger einen Großteil des Stroms selbst günstig produziert, können Zukäufe von teurem Strom nicht auf Haushalte abgewälzt werden. So gelang es der Schweiz, in den bevölkerungsreichsten Kantonen Zürich und Bern die Energiepreise auf bemerkenswert stabilem Niveau zu halten.
Um systematische Preisexzesse zu verhindern, kombiniert die Schweiz das Stromversorgungsgesetz mit der Aufsichtsbehörde ElCom, welche die Tarife überprüft. Außerdem können Konsument:innen melden, wenn sie zu hohe Preise vermuten. Doch im Gegensatz zur Schweizer Behörde, sehen sich die österreichischen Pendants E-Control und die Bundeswettbewerbsbehörde der Sicherung von Marktmechanismen verpflichtet – sie sehen im freien Wettbewerb ein zentrales Steuerungsinstrument. Trotz Teilregulierung des Schweizer Strommarkts bleiben auch deren Energieunternehmen weiterhin profitabel. Im Unterschied zum österreichischen Marktführer Verbund wird durch die Regulierungsmaßnahmen in der Schweiz aber verhindert, dass exzessive Übergewinne auf Kosten der Bevölkerung gemacht werden.
Dieser Ländervergleich zeigt: Selbst ein kapitalistisches Land wie die Schweiz weiß, wann es Zeit ist, den Staat eingreifen zu lassen. Zusätzlich zur Entliberalisierung für Haushalte gibt es einen Schutz-Mechanismus in Krisenzeiten – den Österreich zwar vorhat, die Schweiz aber bereits umsetzt. Will die heimische Bundesregierung die Menschen in Österreich künftig vor hohen Strompreisen bewahren, muss sie sich die Schweiz zum Vorbild nehmen.