Klima
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Umweltpolitik: Die Effektivität von Regulierung am Beispiel Feinstaub

Paul Steinmaßl
04. Juni 2025

/ Regulierung oder Markt: Wie wirksam ist Umweltpolitik?

Österreich hat seit Anfang März eine neue Regierung. In der Umweltpolitik leitet sie eine Kehrtwende ein, der neue Leitsatz heißt sparen. Bestehende Klimaschutz-Förderungen sollen evaluiert werden. Umso wichtiger ist es, die verbleibenden finanziellen Mittel und Instrumente richtig einzusetzen. Grund genug, einen Blick auf die Wirksamkeit umweltpolitischer Maßnahmen zu werfen – insbesondere auf eine alte Debatte, welche durch die unterschiedlichen Positionierungen von ÖVP, SPÖ und NEOS aktueller ist denn je: setzt man auf Regulierung durch Vorschriften und Gebote, oder auf marktbasierte Ansätze, also Steuern und Subventionen? Dieser Policy Brief beleuchtet Feinstaub als exemplarisches Beispiel der Umweltpolitik. Denn: bei Feinstaub zeigen sich die Vorteile engagierter Maßnahmen – beziehungsweise die Konsequenzen, wenn sie fehlen – unmittelbar durch die Auswirkungen auf unsere Gesundheit.

/ Hintergrund: Feinstaub als Gesundheitsbedrohung

Feinstaub gehört zu den gesundheitsschädlichsten Aspekten des städtischen Lebens. Die Europäische Umweltagentur EEA schätzt, dass es in der EU jährlich rund 240.000 Todesfälle durch Feinstaub gibt (European Environment Agency, 2024). Laut Weltgesundheitsorganisation WHO sind die Zahlen sogar deutlich höher. Feinstaub ist der fünftgrößte Risikofaktor und macht etwa 7 Prozent der vorzeitigen Todesfälle aus. Vor allem die besonders schädlichen kleinen Komponenten wie PM2.5 – Partikel mit einem Durchmesser von höchstens 2,5 Mikrometern – entstehen überwiegend durch menschliche Aktivitäten. Dieser anthropogene Anteil macht in Städten etwa 80 Prozent der Feinstaubbelastung aus, die Hauptquellen dafür sind Heizen, Energiegewinnung für die Industrie und der Verkehr.

/ Trends: Mehr Maßnahmen und weniger Feinstaub

Ein großer Teil der negativen Gesundheitseffekte wäre vermeidbar. 2016 prognostizierte die Europäische Umweltagentur, dass mehr als ein Viertel (27 Prozent) der von Feinstaub verursachten Todesfälle verhinderbar wären, wenn die (damals gültige) WHO-Richtlinie von 10 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft eingehalten werden würde. Von diesem Grenzwert sind die meisten europäischen Länder zwar noch weit entfernt, die Feinstaubwerte haben sich jedoch unzweifelhaft verbessert. Teilweise liegt das am technologischen Wandel, beispielsweise durch den Fokus auf Dienstleistungen statt Industrie oder durch den Umstieg von Kohle auf Öl und Gas und zunehmend auf erneuerbare Energien. Die Reduktion der Feinstaubwerte ist allerdings nicht allein auf den technologischen Fortschritt zurückzuführen, der Einfluss politischer Maßnahmen, spielt ebenfalls eine Rolle. In Österreich wird der Feinstaubausstoß beispielsweise durch Luftschutzgebiete und Tempolimits (Immissionsschutzgesetz Luft), aber auch durch vorgeschriebene Partikelfilter und Emissionsobergrenzen bei Fahrzeugen und Industrie bekämpft. Eine wichtige Rolle kommt dem Heizkesseltausch und der Wärmedämmung von Gebäuden zu – also Bereichen, in denen die Förderungen gerade drastisch gekürzt wurden. 

Die Feinstaublevels sind zwischen 2010 und 2019 in allen 22 betrachteten EU-Staaten gesunken. Der Rückgang beträgt durchschnittlich etwa 22 Prozent, von 15,6 auf 12,2 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Gleichzeitig ist die Anzahl der politischen Maßnahmen überall gestiegen, im Schnitt um 45 Prozent. Welche Maßnahmen eingesetzt wurden, schwankt jedoch von Land zu Land. Diese Unterschiede bieten eine Möglichkeit, die Wirksamkeit der verschiedenen Instrumente zu analysieren. Einige Ausreißer fallen sofort ins Auge. Beispielsweise war der Rückgang in Österreich ebenso stark wie in Finnland – bei halb so vielen zusätzlichen Maßnahmen. Dieser Unterschied ist durch länderspezifische Faktoren erklärbar: Finnland kombiniert ausgesprochen niedrige Feinstaubemissionen mit ambitionierten politischen Maßnahmen. Dadurch wird pro Instrument weniger eingespart – in Finnland geht es um den Erhalt der hervorragenden Luftqualität, weniger um weitere Reduktionen. Auch in anderen Ländern spielen strukturelle Faktoren eine Rolle. Dennoch ist der Zusammenhang klar: 8 von 10 Ländern mit unterdurchschnittlicher Feinstaubreduktion haben auch weniger politische Maßnahmen umgesetzt.

/ Daten: Die Wirksamkeit der Instrumente

Die Berechnungen auf Basis von Daten der OECD und der Weltbank zeigen große Unterschiede in der Effektivität der verschiedenen Instrumente. Die Daten erlauben eine Unterscheidung zwischen vier Zielsektoren: Elektrizität, Gebäude, Industrie und Verkehr. Elektrizität bezieht sich auf die Energieerzeugung und beinhaltet Maßnahmen wie Schadstofflimits für Kraftwerke oder die Besteuerung von Emissionen, aber auch verpflichtende Anteile an nachhaltigem Strom im Portfolio von Energieanbietern. Die anderen drei Sektoren beschäftigen sich mit dem jeweiligen Energieverbrauch. Der Gebäudesektor enthält beispielsweise Energieeffizienzstandards oder Subventionen für den Umstieg auf nachhaltige Heizsysteme. 

Die durchschnittliche Reduktion pro Maßnahme zeigt, wie die Wahl des Zielsektors die Effektivität politischer Maßnahmen bestimmt. Der Rückgang ist in allen Sektoren signifikant, aber die Wirksamkeit variiert deutlich. Instrumente, die auf den Industriesektor abzielen, reduzieren die Feinstaubbelastung um etwa ein Mikrogramm pro Maßnahme – das sind 7,4 Prozent des durchschnittlichen Feinstaublevels. Für die Sektoren Gebäude und Verkehr ist der E ekt etwa halb so groß (3,3 bzw. 3,4 Prozent), bei Elektrizität beträgt er mit 2,0 Prozent nur ein Viertel.

/ Grundsatzfrage: Regulierung oder Markt?

Zurück zur eingangs gestellten Grundsatzfrage. Marktbasierte Instrumente bestehen aus finanziellen Anreizen. Diese reichen von der Besteuerung von Schadstoffen über die Subventionierung nachhaltiger Technologien bis zum Handel mit Emissionsrechten. Nicht-marktbasierte Maßnahmen bestehen im Wesentlichen aus Regulierungen. Theoretisch fallen auch Information und Bildung in diese Kategorie, im Fall von Feinstaub sind entsprechende Instrumente allerdings vernachlässigbar selten. Beispiele für Regulierungen sind Verbote für Technologien mit hoher Feinstaubemission beziehungsweise Obergrenzen für entsprechende Schadstoffe, aber auch Energieeffizienzstandards und -zertifizierungen. Es geht also um Gesetze und Standards.

Die Analyse zeigt einen klaren Unterschied in der Wirksamkeit: Regulierungen sind effektiver als marktbasierte Maßnahmen. Pro regulierender Maßnahme sinkt die Feinstaubbelastung im Durchschnitt um 0,84 Mikrogramm. Das sind 6,3 Prozent des durchschnittlichen Feinstaublevels. Marktbasierte Instrumente zeigen zwar auch eine signifikante Reduktion, diese fällt mit 0,29 Mikrogramm pro Maßnahme – etwa 2,2 Prozent des Durchschnittslevels – jedoch deutlich geringer aus.

/ Fazit: Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen

Aus den Ergebnissen lassen sich zwei wichtige Schlussfolgerungen ableiten. Erstens sind politische Maßnahmen wirksam. Die Politik hat also die Werkzeuge in der Hand, um gegen Umweltprobleme wie Feinstaub vorzugehen. Dass diese Erkenntnis nicht auf Feinstaub beschränkt ist, lässt sich zumindest vermuten. Zweitens spielt die Wahl der Instrumente eine große Rolle. Es besteht also Gestaltungsspielraum. Die Wirkung – die Reduktion des Feinstaublevels – pro Maßnahme schwankt zwischen etwa 2 Prozent und 7,4 Prozent des durchschnittlichen Feinstaublevels. Vor allem der deutliche Unterschied zwischen Regulierung und marktbasierten Instrumenten ist angesichts der regelmäßig geführten Diskussion überraschend.

Seit Anfang März wird Österreich von einer Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS regiert. Angesichts der prekären Budgetsituation sollen Umweltausgaben in großem Stil gekürzt werden. So gesehen sind die Studienergebnisse eine gute Nachricht: Regulierungen kosten tendenziell weniger als beispielsweise Subventionen. In jedem Fall teurer ist es, nicht zu handeln. Werden Umweltschutzmaßnahmen gestrichen, steigen die Ausgaben für Gesundheitsschäden und Katastrophenfolgen. Langfristig gespart wird dadurch nicht. Falls der politische Wille besteht, ließe sich also das Nützliche mit dem Machbaren verbinden.

/ Das Momentum Institut empfiehlt:

• Neuauflage der Tempolimits von 100 km/h auf der Autobahn, 80km/h auf Freilandstraßen und 30 km/h im Stadtgebiet
• Abschaffung des Dieselprivilegs und anderer umweltschädlicher Subventionen
• Lückenloser Ausstieg aus fossilen Heizungen
• Rascher Ausbau von erneuerbaren Energien – beispielsweise durch eine PV Anlagenpflicht im Neubau
• Verkehrsberuhigte (Innen-)Städte, in Kombination mit dem Ausbau von Fahrrad- und Fußgängerwegen und des öffentlichen Verkehrs

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