Aufgrund des österreichischen Kollektivvertragssystems, das etwa 98 Prozent der unselbständig Beschäftigten abdeckt, gibt es in Österreich keinen universellen Mindestlohn, sondern für jeden Kollektivvertrag unterschiedlich hohe Mindestlöhne. Trotzdem gibt es in Österreich rund 330.000 Menschen, die trotz Arbeit armutsgefährdet sind. Die rezente ökonomische Forschung zeigt: Mindestlöhne sind ein effektives Mittel zur Armutsbekämpfung und führen entgegen den Erkenntnissen veralteter Forschung nicht zu mehr Arbeitslosigkeit.
In diesem Policy Brief wird untersucht wie viele Menschen in welchen Branchen von einem Mindestlohn profitieren würden, und wie stark ihr Lohnzuwachs wäre.
In dieser Studie wird untersucht wie viele Menschen von einem Mindestlohn, der für alle Kollektivverträge gilt, profitieren würden. Dabei werden drei verschiedene Mindestlöhne untersucht: 2.000 Euro brutto, 2.500 Euro brutto und 2.000 Euro netto. Mit einem Bruttomindestlohn von 2.000 Euro monatlich bei einem Wochenstundenausmaß von 40 Stunden bekämen im Jahr 2023 rund 280.000 unselbständig Beschäftigte eine Lohnerhöhung. Von einem KV-Mindestlohn in Höhe von 2.500 Euro brutto im Monat hätten sogar 700.000 Arbeitnehmer:innen etwas. Sollte es gar zu einer Einführung eines KV-Mindestlohns von 2.000 Euro netto kommen (entspricht 2.804 Euro brutto), würden etwa eine Million unselbständig Beschäftigte davon profitieren.
Frauen werden auf dem österreichischen Arbeitsmarkt systematisch geringer entlohnt. Ein Mindestlohn würde daher überproportional Frauen begünstigen. Zwischen 64 Prozent (2.000 Euro brutto) und 61 Prozent (2.000 Euro netto) der Profiteur:innen sind weiblich. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung der unselbständig Beschäftigten sind rund 47 Prozent der Personen weiblich.
Weil die Entlohnung nach Kollektivvertrag von Branche zu Branche unterschiedlich ist, ist auch die Betroffenheit von einem universellen Mindestlohn je nach Branche unterschiedlich. Die meisten Begünstigen sind naturgemäß in Branchen zu finden, die groß sind und gleichzeitig nicht sehr gute Löhne zahlen. Auf den Einzelhandel treffen beide diese Eigenschaften zu. Je nach Mindestlohnmodell sind in der Einzelhandelsbranche zwischen 31.500 (2.000 Euro brutto) und 149.000 (2.000 Euro netto) Menschen beschäftigt, die direkt vom Mindestlohn profitieren würden. Berücksichtigt man bei der Betrachtung die Größe der Branchen, dann profitieren Beschäftigte Gastronomie und Beherbergung am stärksten von einem KV-Mindestlohn. Von einem höheren Mindestlohn von 2.000 Euro brutto profitieren rund 54 Prozent der Beschäftigten in der Gastronomie, bei einem Mindestlohn von 2.000 Euro netto sind es schon 88 Prozent. In der Beherbergungsbranche würden zwischen 38 Prozent (2.000 Euro brutto) und 76 Prozent (2.000 Euro netto) der Beschäftigten von einem KV-Mindestlohn profitieren. Das unterstreicht einmal mehr die geringe Bezahlung in den Branchen Gastronomie und Beherbergung, aus denen die Rufe nach einem Fachkräftemangel mitunter am lautesten sind.
Neben Frauen und Beschäftigten in schlecht bezahlten Branchen gibt es noch eine dritte Bevölkerungsgruppe, die überproportional von einem KV-Mindestlohn profitieren würde, und zwar junge Menschen.
Am häufigsten würden unselbständig Beschäftigte zwischen 25 und 29 Jahren von einem Mindestlohn profitieren. Je nach Modell würden zwischen 43.000 und (2.000 Euro brutto) und 145.000 (2.000 Euro netto) in dieser Alterskohorte profitieren. Auf dem zweiten Platz folgt die Kohorte der 20 bis 24-Jährigen. Hier würden zwischen 41.000 (2.000 Euro brutto) und 136.000 (2.000 Euro netto) Menschen profitieren.
Je nach Höhe des KV-Mindestlohns würde er bei jenen Beschäftigten, die aktuell weniger als den Mindestlohn verdienen, zu teils beträchtlichen Einkommenszuwächsen führen. Bei einem Mindestlohn von 2.000 Euro brutto würde sich der durchschnittliche Bruttostundenlohn um 25 Prozent erhöhen. Das Bruttomonatsgehalt würde im Schnitt um rund 335 Euro brutto pro Monat (14x pro Jahr) steigen. Bei einem Mindestlohn von 2.500 Euro brutto läge der durchschnittliche Einkommenszuwachs bei 418 Euro brutto pro Monat. Bei 2.000 Euro netto wäre der Zuwachs im Schnitt bei 521 Euro brutto pro Monat.
Zusammenfassend: Drei hauptbetroffene Gruppen lassen sich identifizieren: Erstens, Frauen profitieren aufgrund ihres geringeren Gehalts überproportional stärker als Männer. Zweitens, die Branchen, die besonders stark von einem Mindestlohn profitieren würden, sind Einzelhandel, Gastronomie und Beherbergung. Drittens, insbesondere junge Menschen (< 30 Jahre) profitieren von einem Mindestlohn am meisten.