Frauen

Weltfrauentag: Und jährlich grüßt das Murmeltier

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In Großbritannien haben ÖkonomInnen berechnet, welche Arbeit am meisten zur Gemeinschaft beiträgt. Das – damals – überraschende Ergebnis: Der wichtigste Job ist die Reinigungskraft, die das Spital sauber hält. Die echten LeistungsträgerInnen sitzen unten. Unterbezahlt, in der Regel unsichtbar und systemrelevant. Wer systemrelevant ist, wird meistens schlecht bezahlt, überdurchschnittlich belastet und – ist weiblich. 7 von 10 Supermarktangestellten sind Frauen, 9 von 10 Beschäftigten in Betreuungsberufen wie Altenpflege oder Elementarpädagogik sind weiblich, auch im Gesundheitsbereich sind 80 Prozent Frauen. Allen Berufen gemein ist: Sie gehen mit einer hohen Arbeitsbelastung einher und werden gleichzeitig unterdurchschnittlich bezahlt. Geht doch endlich in die Technik, rät man Frauen. Ignorieren wir mal, dass irgendjemand unseren Kindern Lesen und Rechnen beibringen oder unsere Alten gut versorgen muss. Ein weiterer Schönheitsfehler: Drängen Frauen in eine Branche, sinken Ansehen und Gehalt. Apotheker oder Lehrer waren früher fast nur Männer – Prestige und Gehalt entsprechend hoch. Frauen und ihrer Arbeit wird schlicht weniger Wert zugemessen. Außerdem: Eine Teilzeit-Stunde wird schlechter entlohnt als eine Vollzeit-Stunde. Vor der Teilzeit-Falle werden Frauen gern gewarnt. Man lässt sie aber absichtlich hineinrennen, denn: Was ist die Alternative? Sollen sie die Kindergärten selber bauen? Außerhalb der Städte gibt es für 7 von 10 Kindern unter 6 keinen Kindergarten oder Krippe, die einen Vollzeitjob zulassen. Über 400.000 Frauen sind in Teilzeit, weil sie zuhause Betreuungspflichten haben. Teilzeit ist ein trügerisches Wort. Es heißt für Frauen nichts anderes, als dass sie nach ihrer bezahlten Erwerbsarbeit in die unbezahlte Schicht gehen. Frauen arbeiten mehr Stunden als Männer, sie werden nur für weniger bezahlt. Würden sie den Staubsauger hinschmeißen, hätten wir ein ziemliches Problem. Frauen stemmen unbezahlt – und sind wir ehrlich – unbedankt – Gewaltiges. Ihre unbezahlte Arbeit entspricht mit 22 Prozent fast einem Viertel der hiesigen Wirtschaftsleistung. Die gesellschaftliche Idealvorstellung an Frauen stellt sie vor ein unlösbares Problem: Ihren Job sollen sie machen, als hätten sie keine Kinder. Und sie sollen Mutter sein, als hätten sie keinen Job.

Selbst wenn man findet, dass es gute Gründe gibt für die schlechte Bezahlung, die lächerliche Pension, das Alleinlassen bei der Familienarbeit der Frauen. Selbst wenn man all diese Benachteiligungen akzeptiert, weil man sie ja “erklären” kann: Selbst dann bleibt ein Rest, der eben nicht erklärbar ist. Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen liegt bei 12 Prozent. Verwenden wir die Energie, die in Erklärungen dafür gesteckt wird, doch dafür, es zum Besseren zu ändern. Mit Kinderbetreuungseinrichtungen, die mit Vollzeit vereinbar sind. Mit einem Lohnniveau in Frauenbranchen, von dem man leben kann und das später ein Altwerden in Würde ermöglicht. Mit einer verkürzten Arbeitszeit, damit beide Eltern ihre Kinder beim Großwerden begleiten können.

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar im Kurier.

Das bisschen Haushalt?

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„Wir wären nie gewaschen, und meistens nicht gekämmt, die Strümpfe hätten Löcher und schmutzig wär das Hemd“. Auch 20 Jahre später bringt Eva Rechlins Gedicht Mütterlein im Film „Muttertag“ die Situation von Frauen auf den Punkt.  

Die Sorgelast tragen Mütter Großteils allein. 8 von 10 Väter gehen nicht einmal in Karenz. Aufschluss über die ungleiche Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit sobald Kinder ins Spiel kommen gibt der Gender Care Gap. Er beschreibt das unterschiedliche Ausmaß, das Männer und Frauen mit unbezahlter Arbeit verbringen. Der absolute Rekordwert des Gaps liegt in der Altersgruppe der 30-34-Jährigen. Hier übernehmen Frauen um sagenhafte 130 Prozent mehr Sorgearbeit als Männer. Auf Kosten ihrer Berufstätigkeit. In Österreich arbeitet jede zweite Frau in Teilzeit. 3 von 4 Mütter mit Kindern unter 15 Jahren sind in einem Teilzeit-Job. Trotzdem arbeiten Frauen täglich mehr Stunden als Männer. Großteils aber unbezahlt in der 2. Schicht zuhause. Nach dem Brot-Job stemmen sie zu Hause den Haushalt, die Kinderbetreuung und die Pflege von (älteren) Angehörigen.  

Früh übt sich

Doch die Mehrbelastung von Frauen beginnt und endet nicht mit dem Kinderwunsch. Über alle Altersgruppen hinweg, also von den 10-Jährigen bis zu den über 75-Jährigen, leisten Frauen knapp drei Viertel mehr Sorgearbeit. Egal ob am Anfang ihres Lebens, in der Mitte oder zum Lebensabend, Frauen leisten ein Vielfaches mehr für Familie und Haushalt.   

Die Weichen dafür stellen sich schon bei den Jüngsten: 10- bis 14-jährige Mädchen übernehmen um ein Drittel mehr unbezahlte Haus- und Sorgearbeit als gleichaltrige Buben, unter Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren ist es bereits um die Hälfte mehr.   

Die oft geäußerte „Erklärung“, dass Frauen deshalb mehr unbezahlte Arbeit übernehmen, weil sie ohnehin „nur” Teilzeit arbeiten, gilt bei Kindern und Jugendlichen definitiv nicht. Veraltete und nach wie vor weit verbreitete Rollenbilder sorgen schon bei den Jüngsten für eine ungleiche Aufteilung der Sorgearbeit.  

Tätigkeit folgt Rollenbild

Ein Blick auf die verrichteten Tätigkeiten von Kindern und Jugendlichen zeigt: Das traditionelle Rollenbild „Hausarbeit und Kinder sind Frauensache“ wird nicht nur vorgelebt, sondern nach wie vor gelehrt. Bei den 10- bis 14-jährigen Buben und Mädchen ist die Aufteilung von unbezahlter Haus- und Care-Arbeit daher folgerichtig entlang der Geschlechtergrenzen. Buben erledigen eher die Gartenarbeit, versorgen Nutztiere und gehen mit dem Hund spazieren. Mädchen verbringen deutlich mehr Zeit mit häuslichen Care-Tätigkeiten wie Aufräumen und Putzen, Kochen und Geschirr abwaschen oder Einkaufen.   

Bei den 15- bis 19-Jährigen beschränken sich die Tätigkeiten, bei denen Burschen mehr übernehmen, auf „Outdoor-Tätigkeiten“ wie Gartenarbeit, kleinere Reparaturen im Haus oder in der Wohnung. Die Mädchen hingegen bringen ihre jüngeren Geschwister in den Kindergarten oder passen nachmittags oder abends auf sie auf.  

Neue Vorbilder für zeitgemäße Rollen

Wünschen wir uns für unsere Töchter ökonomische Unabhängigkeit, wird es Zeit diese Rollenbilder über Bord zu werfen. Es ist kein Naturgesetz, dass die Mama Haushalt, Kinder und Großeltern schupft und nebenbei Teilzeit arbeitet, während der Papa das Geld nach Hause bringt. Wenn wir wollen, dass die kommenden Generationen Sorgearbeit gerecht aufteilen, muss es die Rahmenbedingungen geben, die das Vorleben von Gleichberechtigung ermöglichen. Wir müssen unsere Arbeitswelt neu denken, denn aktuell ist sie noch auf das Modell der 50er Jahre ausgerichtet. Es braucht aktive Väter, die in Karenz gehen und auch nach dem Wiedereinstieg in den Job ihren Teil der Sorgearbeit leisten. Eine verpflichtende Väterkarenz, wie sie in anderen Ländern bereits Standard ist, könnte dabei helfen, das Fundament jeder jungen Familie gleichberechtigt zu bauen. Verkürzen wir die Arbeitszeit, dann bleibt Männern mehr Zeit für die wichtige unbezahlte Arbeit. Ihren Partnerinnen ermöglicht es wiederum, mehr Stunden einer bezahlten Arbeit nachzugehen. Das tut dringend Not, um die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen zu sichern und senkt gleichzeitig ihr Risiko, später im Leben in Altersarmut zu landen. Eine umfangreiche Kindergarten- und Pflegeoffensive schafft nicht nur Jobs, sondern sorgt dafür, dass Mama und Papa beide gleichermaßen einem (verkürzten) Vollzeit-Job nachgehen können. Wer möchte, dass alle Kinder, ob Mädchen oder Bub, sich voll entfalten können, muss ihnen zeitgemäße Vorbilder geben. 

Dieser Text erschien zunächst in etwas gekürzter Form als Gastkommentar in "Der Standard".

Weltfrauentag 2024: Mädchen leisten mehr für Familie und Haushalt als Buben

Mädchen das putzt

Kurz nach dem österreichischen Equal Pay Day am 14. Februar und dem Equal Care Day am 29. Februar folgt der internationale Weltfrauentag am 8. März. An diesem Tag wird an die nach wie vor herrschende Diskriminierung, Ungleichstellung, Ungleichberechtigung und ungleiche Bezahlung von Frauen erinnert.

Während der Equal Pay Day den Gender Pay Gap – also die geschlechtsspezifische Einkommenslücke von erwerbstätigen Frauen und Männern in den Fokus stellt, macht der Equal Care Day auf die unbezahlte und oft unsichtbare, weibliche Haus-, Sorge- und Familienarbeit aufmerksam. Beiden Gedenktagen gemein sind die nach wie vor fest verankerten traditionellen Rollenbilder und Stereotypen über Frauen in unserer Gesellschaft. Der 8. März erinnert uns daran, dass diese aufgebrochen werden müssen, um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen.

Von jung bis alt: Der Gender Care Gap bleibt fest bestehen

Frauen leisten mehr. Egal ob am Anfang ihres Lebens, in der Mitte oder zum Lebensabend. Insgesamt beträgt der Gender Overall Care Gap in Österreich 71 Prozent. Zur Berechnung des “Gender Overall Care Gaps” wird die durchschnittliche tägliche Dauer von unbezahlten Care-Tätigkeiten an der Gesamtbevölkerung gemessen – darin sind alle Menschen in Österreich ab 10 Jahren inkludiert, egal ob sie Sorgearbeit leisten oder nicht.

Frauen leisten im Schnitt 3 Stunden und 48 Minuten Sorgearbeit, während es bei den Männern nur 2 Stunden 14 Minuten sind. Da es aber viel häufiger Männer sind, die gar keine Sorgearbeit leisten, fällt der Gender Overall Care Gap deutlich größer aus, als wenn man nur die Ausübenden betrachtet. Selbst wenn man nur die Ausübenden betrachtet, beträgt der Gender Care Gap 43 Prozent (Momentum Institut 2024).

Der Gender Overall Care Gap ist in jeder Altersgruppe eines Menschenlebens sichtbar – es fängt schon bei den jüngsten an. Bereits bei den 10-14-Jährigen leisten Mädchen um 31 Prozent mehr Care-Arbeit als die Buben, bei den Jugendlichen ist es sogar um die Hälfte (49 Prozent) mehr. Am größten ist die Lücke bei der unbezahlten Arbeit zwischen den Geschlechtern, in dem Alter wo Frauen im Schnitt Mütter werden - zwischen 25 und 39 Jahren schießt der Gender Overall Care Gap auf satte 130 Prozent hinauf. Aber auch zur Zeit des Pensionseintritts machen Seniorinnen 73 Prozent mehr unbezahlte Arbeit als das männliche Pendant. Es ist also egal, welche Altersgruppe betrachtet wird, Frauen übernehmen immer mehr Care-Arbeit als Männer.

Früh übt sich: Enorme Gender Care Gaps bei Kindern und Jugendlichen

Der Gender Overall Care Gap bei 10 bis 14-jährigen Mädchen liegt bei 31 Prozent. Bei den 15 bis 19-Jährigen klafft er schon bei 49 Prozent. Wir sehen also, dass Mädchen bereits in frühen Kinderjahren merklich mehr unbezahlte Arbeit im Haushalt übernehmen als Buben. Im Schnitt verbringt ein 10-14-jähriges Mädchen bereits 11 Minuten mehr pro Tag mit unbezahlter Haus- und Sorgearbeit. Bei den 15 bis 19-Jährigen übernehmen Mädchen bereits eine halbe Stunde mehr pro Tag.

Tätigkeiten folgen den traditionellen Rollenbildern: 'Mädchen in den Haushalt, Buben in den Garten'

Ein Blick auf die Tätigkeiten, die von Kindern und Jugendlichen im Haushalt und in der Familie übernommen werden, verrät, dass das traditionelle Rollenbild „Hausarbeit und Kinder sind Frauensache“ wohl immer noch gelebt wird.

Bei den 10 bis 14-jährigen Buben und Mädchen ist die Aufteilung von unbezahlter Haus- und Care-Arbeit bereits eindeutig: Buben erledigen eher die Gartenarbeit, versorgen Nutztiere und gehen mit dem Hund spazieren. Mädchen verbringen deutlich mehr Zeit mit häuslichen Care-Tätigkeiten wie Aufräumen und Putzen, Kochen und Geschirr abwaschen oder Einkaufen.

Bei den 15-19-Jährigen ist die Ungleichheit noch ausgeprägter: Weibliche Jugendliche im Alter von 15 bis 19 Jahren übernehmen fast um die Hälfte mehr an unbezahlten Care-Tätigkeiten verglichen zu männlichen Jugendlichen dieser Altersgruppe. Die Tätigkeiten, bei denen männliche Jugendliche mehr übernehmen beschränken sich wiederum auf „Outdoor-Tätigkeiten“ wie Gartenarbeit, kleinere Reparaturen im Haus oder in der Wohnung und Gassi gehen mit dem Hund.

Selbst wenn sie die Betreuung von Kindern im Haushalt – in den meisten Fällen also jüngere Geschwister – übernehmen, dann ist es die Tätigkeit „mit dem Kind lesen, spielen und reden“. Im Vergleich übernehmen weibliche Jugendliche dieser Altersgruppe bereits Wege für die Kinderbetreuung und die Versorgung und Beaufsichtigung des Kindes. Sie bringen also zum Beispiel ihre jüngeren Geschwister in den Kindergarten oder passen nachmittags oder abends auf sie auf. Weibliche Jugendliche unterstützen auch andere Haushalte weitaus zeitintensiver als männliche Jugendliche. Die meiste Zeit verbringen sie allerdings wiederum mit typisch häuslichen Care-Tätigkeiten wie Kochen, Einkaufen, Aufräumen und Ordnen, Geschirr abwaschen, Wäsche waschen und Bügeln.

In beiden Altersgruppen gibt es außerdem viel weniger Tätigkeiten, mit denen Buben insgesamt mehr Zeit verbringen (der Gender Care Gap also negativ ist) als Mädchen. Außerdem sind die Gender Care Gaps meistens deutlich kleiner für Buben und männliche Jugendliche: Bei keiner einzigen Tätigkeit übersteigt der Gender Care Gap für Buben (negativer Gender Care Gap = Buben machen mehr) die 100-%-Marke. Es sind also Mädchen und junge Frauen, die deutlich mehr Zeit in die unbezahlten Care-Tätigkeiten investieren, im Vergleich zu den Buben und jungen Männern.

Seniorinnen müssen herhalten: Gender Care Gap bei 40 Prozent

Im Alter wird es leider nicht besser: Frauen zwischen 60 und 74 Jahren übernehmen im Schnitt fast 5 Stunden unbezahlte Care-Arbeit pro Tag. Männer dieser Altersgruppe nur etwa 3,5 Stunden. Frauen übernehmen also etwa 40 Prozent mehr.

Der Gender Care Gap bei den unterstützenden Care-Tätigkeiten beträgt etwa ein Drittel. Hier übernehmen Frauen im Alter von 60 bis 74 Jahren 34 Prozent mehr. Innerhalb dieser unterstützenden Care-Arbeit gibt es allerdings riesige Gender Care Gaps bei den einzelnen Tätigkeiten – das bedeutet, Frauen übernehmen zeitlich gesehen immer noch deutlich mehr Minuten pro Tag verglichen zu Männern. Besonders ausgeprägt ist das etwa beim Bügeln, beim Wäsche waschen, Kochen, Aufräumen und Geschirr abwaschen. Hier wurden für die Analyse nur Personen herangezogen, die tatsächlich Sorgearbeit leisten.

Und: Wenn Kinder Kinder bekommen, dann kommt die Oma zum Handkuss. Bei der Kategorie „Care-Arbeit für einen anderen Haushalt“ liegt der Gender Care Gap bei 30 Prozent. Vor allem die Kinderbetreuung als Unterstützung für einen anderen Haushalt ist durchgehend weiblich geprägt. Das heißt: Es sind die Omas, die sich um die Enkelkinder kümmern. Auch bei der Pflege bzw. Hilfeleistung für Erwachsene in einem anderen Haushalt – zum Beispiel die Pflege der eigenen Eltern – sind es Frauen, die diese Tätigkeit überwiegend ausüben.

Genau diese Unterstützungsleistungen für einen anderen Haushalt (da die wenigsten Pensionist:innen mit ihren eigenen Eltern oder mit Enkelkindern in einem Haushalt leben) wird in der Zeitverwendungserhebungs-Publikation der Statistik Austria aber zur Kategorie „Freiwilligentätigkeiten“ gezählt, nicht zur „unbezahlten Haus- und Sorgearbeit“. Da die Pflege von den eigenen Eltern, wenn sie alt sind oder die Betreuung von Enkelkindern aber sehr wichtige Care-Tätigkeiten sind und in den meisten Fällen unbezahlt bleiben, müssen sie hier auf jeden Fall eingerechnet werden. Denn unbezahlte Arbeit darf nicht weiter versteckt werden – unsichtbar ist sie ohnehin viel zu oft.

Die Analyse der Kinder und Jugendlichen zeigt uns, wollen wir die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern tatsächlich aufbrechen, ist es zentral auch bei den Rollenbildern anzusetzen, damit schon Kinder sehen, es ist nicht selbstverständlich, dass sich die Mama um ‘alles’ kümmert, das mit Kindern oder Haushalt zu tun hat und der Papa macht hauptsächlich Handwerkliches.

Das Momentum Institut empfiehlt: 

  • verpflichtende Väterkarenz: Gehen Väter in Karenz, leisten sie auch später nach der Rückkehr ins Berufsleben mehr unbezahlte Arbeit und verbringen mehr Zeit mit ihren Kindern
  • Ausbau der qualitätsvollen Pflege, von der mobilen Unterstützung bis hin zu Pflegeeinrichtungen, damit auch die Pflege von Angehörigen nicht nur unbezahlt auf den Schultern von Frauen lastet
  • Flächendeckendes, kostenloses Kinderbetreuungsangebot mit langen Öffnungszeiten, die mit Vollzeitarbeit vereinbar sind: das fördert einerseits den Wiedereinstieg von Frauen ins Erwerbsleben nach der Karenz und gleichzeitig kann gute pädagogische Arbeit dazu beitragen, dass Rollenbilder bereits im Kindesalter aufgebrochen werden und in einem nicht-familiären Rahmen vorgelebt werden
  • Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem 1. Geburtstag eines Kindes
  • Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich: Verkürzen wir generell die Arbeitszeit, bleibt Männern mehr Zeit für unbezahlte Arbeit. Das ermöglicht es Frauen, mehr Stunden bezahlt zu arbeiten. Das wiederum fördert die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen und verringert das spätere Risiko in Altersarmut zu landen.
Katharina Mader

Frauen verdienen mehr als sie bekommen

Das Bild zeigt eine zweigeteilte Person mit verschränkten Armen in Büro-Kleidung. Links ein Mann mit Hosenträgern und Fliege, rechts eine Frau mit Zopf und Bluse. Zu sehen ist jeweils nur der Oberkörper, vom Kiinn bis zum Ellbogen.

Gute Nachrichten: Wenn es in diesem Tempo weitergeht, dann haben wir schon 2321 gerechte Löhne. Nicht einmal mehr 300 Jahre! Bis dahin dürfen wir noch den Equal Pay Day “feiern”: Die ersten 45 Tage arbeiten Frauen – im Vergleich zu Männern – gratis.

Frauen bekommen weniger Geld als Männer. Auch, wenn sie den gleichen Job machen. Auch, wenn man das Gehalt auf Vollzeit hochrechnet. Das ist nach gefühlt zehntausend Debatten gesickert. Dank Equal Pay Day. Jetzt gibt es ein neues Beschwichtigungsinstrument für alle, die den EPD – und damit die Diskriminierung am Arbeitsmarkt – klein reden wollen. Die Familiensituation! Das Kinderkriegen sei eben schuld.

Jetzt ist es erstens bemerkenswert, dass die meisten Frauen ihre Kinder nicht allein kriegen – aber die Nachteile im Beruf allein spüren. 

Noch immer fehlen Kinderbetreuungsplätze; noch immer haben die, die es gibt, nicht lange genug offen. Und natürlich die alten Rollenbilder. Diese bittere Melange drückt Mütter massenhaft in die Teilzeit. Weniger Stunden, weniger Lohn – das leuchtet ein. 

Aber Gehaltsunterschiede nach Geschlecht lassen sich auch dort nachweisen, wo von Kindern noch keine Spur ist. Die Statistik Austria untersucht die Einkommenssituation von Master-Absolvent:innen nach der Uni: Und schon 18 Monate nach dem Abschluss geht ein Krater auf: Frauen bekommen bei den Ingenieur:innen und im Baugewerbe 17 Prozent weniger; in den Geisteswissenschaften immer noch fast 7 Prozent.

Eine Frau mit Masterabschluss in Ingenieur:innenwesen verdient drei Jahre nach Berufseinstieg sogar elf Prozent weniger als ein Mann mit dem niedrigeren Bachelor-Abschluss des gleichen Fachs.

Frauen bekommen für genau die gleiche Arbeit mitunter also deutlich weniger als Männer. Damit ist das Märchen Geschichte, dass Frauen nur endlich die besser bezahlten Berufe wählen müssten, dann wird der Gap wie von Zauberhand verschwinden. 

Wenig überraschend: Für gleichwertige Arbeit, also für mindestens genauso anstrengende Jobs in anderen (“Frauen-”)Branchen bekommen sie erst recht weniger Geld.  

Ein Automechaniker verdient im ersten Berufsjahr brutto über 400 Euro mehr als eine Altenpflegerin. Dabei ist kaum ein Job körperlich und mental so anstrengend wie die Betreuungsberufe im Kindergarten oder in der Pflege. Das Burnout-Risiko in der Pflege ist doppelt so hoch wie in anderen Berufen.

An der Nachfrage kann es nicht liegen: Bis zu 76.000 zusätzliche (!) Pfleger:innen brauchen wir geschätzt bis 2030. Der Markt richtet es also nicht: Was Frauen leisten, ist immer und überall deutlich weniger wert. Nachfrage hin, “Frauenberufe” her.

Wir bezahlen gleichwertige Leistung eben unterschiedlich, je nachdem ob die Leistung von einem Mann oder einer Frau erbracht wird. Selbst in männerdominierten Berufen, die Frauen doch angeblich so dringend wählen sollten, sind zwar die Gehälter generell höher, – dort ist aber auch der Gender Pay Gap besonders groß. Davon können eben zum Beispiel die Ingenieur:innen ein Lied singen. Dazu kommt ein weiterer Effekt: Wenn viele Frauen in eine Branche drängen, dann sinken – langsam, aber stetig – die Gehälter und das Ansehen des Berufs. 

Niemand kann diese Zahlen ernsthaft verteidigen. Versuchen tun es natürlich trotzdem einige. Frauen sollen endlich aufhören, sich in der “Opferrolle zu suhlen", wird ihnen in Kommentaren ausgerichtet, sie selbst und ihre “ganz individuellen” Lebensentscheidungen seien schuld am miesen Einkommen. Und der Bundeskanzler kommt dann auch noch mit Vorschlägen wie einer Karenz für Großeltern (vulgo: Oma-Karenz) um die Ecke. Damit die Frauen nicht nur ihr ganzes Berufsleben draufzahlen, sondern in der Pension endgültig in der Altersarmut landen.  

Dabei gäbe es in ganz Europa Vorbilder, tatsächlich wirksame Rezepte gegen die beschämende Lohndiskriminierung – statt der Nehammerschen Scheinlösungen. Verpflichtende Gehaltstransparenz. Bezahlte Elternzeiten stärker daran koppeln, dass er von einem Elternteil in Anspruch genommen wird – sagen wir doch Väterkarenz dazu – würden helfen. Das kann man sich in Island zum Beispiel ansehen.

Klassische Frauenberufe besser bezahlen – das wäre nicht nur ein Schritt in Richtung Lohngerechtigkeit, das hätten wir als Gesellschaft insgesamt dringend nötig und sogar direkt selbst in der Hand: Bildung, Pflege, Gesundheitswesen – viele Frauen-Jobs sind im öffentlichen Einflussbereich. Und eine Arbeitszeitverkürzung für alle würde dabei helfen, Familienarbeit und Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bringen. 

45 Tage Arbeit unbezahlt schuften. Jedes Jahr. Niemand würde das freiwillig tun. Österreichs Frauen bleibt keine andere Wahl. Aber nur, solange wir die Politiker:innen nicht in die Pflicht nehmen, die zwar über die Schlechterstellung von Frauen klagen, aber nichts dagegen tun. Ein Superwahljahr wäre doch ein guter Anlass dafür.

 

Dieser Text erschien zunächst als Kolumne im Profil.

Gender Pay Gap: Augen auf bei der Berufswahl?

Symbolbild für Einkommensungleichheit und Gender Pay Gap

"Selbst schuld, wenn sich Frauen die schlecht bezahlten Berufe aussuchen“? So und ähnlich tönt es rund um den Equal Pay Day: Der Tag, der die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen aufzeigt. Doch mit der Berufswahl kann man der Lohnlücke kein Schnippchen schlagen.  

Heuer arbeiten Frauen in Österreich 45 Tage gratis. Ausgerechnet der Valentinstag markiert diesmal den Equal Pay Day. Statistisch haben Frauen bis zu diesem Datum gratis gearbeitet. Frauen bekommen im Schnitt 12,4 Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Wir bezahlen gleichwertige Leistung unterschiedlich, je nachdem ob die Leistung von einem Mann oder einer Frau erbracht wird. In kaum einem anderen Land in der EU bekommen Frauen um so viel weniger Lohn als die männliche Kollegschaft. Das liegt aber nicht daran, dass die Arbeit von Frauen tatsächlich weniger wert ist, sondern daran, dass ihr gesellschaftlich weniger Wert zugeschrieben wird. Es ist schließlich kein Naturgesetz, dass ein Automechaniker im ersten Dienstjahr 400 Euro brutto pro Monat mehr Gehalt bekommt als eine Altenpflegerin.  

Augen auf bei der Berufswahl?

Gegen den enormen Einkommensunterschied soll eine kluge Berufswahl helfen. “Frauen rein in die gut bezahlten Männerbranchen und MINT-Fächer”. Wenn alle Frauen in die IT oder ins Ingenieurwesen wechseln, wer übernimmt ihre Jobs? Irgendwer muss schließlich Alte pflegen, Kindern lesen beibringen und den OP-Saal putzen. Selbst wenn wir ausklammern, dass wir händeringend mehr Leute in der Pflege und Kinderbetreuung suchen – Stichwort Mangelberuf – schließt ein Wechsel der Branche die Lohnlücke für Frauen nicht. In traditionell männlich dominierten Berufsfeldern ist die Lohnlücke mitunter am größten.  

Entwertung weiblicher Arbeit

Geht eine Frau nach ihrem Masterabschluss in die Branche “Ingenieurwesen, verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe” bekommt sie schon nach eineinhalb Jahren um 17,5 Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Selbst wenn sie einen Master absolviert hat und die männlichen Kollegen nach dem Bachelorabschluss in den Job gestartet sind, bekommt sie um 11 Prozent weniger Gehalt trotz höherem Bildungsabschluss. Studien zeigen einen weiteren Effekt: Drängen vermehrt Frauen in eine Branche, dann sinkt im Schnitt der Lohn. Sobald der Frauenanteil über 60 Prozent ausmacht, setzt die Lohnentwertung in dieser Branche ein. Frauen bringen ihre traditionell geringe Bezahlung auch in neu erschlossene Branchen mit. Übernehmen hingegen Männer den Laden, dann steigt das Ansehen des Berufs - und das Gehalt. Daraus resultiert, dass es deutlich mehr gut bezahlte Männerbranchen und -berufe gibt als Frauenbranchen. Von 36 gut bezahlten Branchen, sind 29 männlich dominiert, nur in sieben haben die Frauen die Nase vorn. Anders gesagt: Auf jede gut bezahlte Frauenbranche kommen 4 Männerbranchen.  

Transparenz-Vorbild Island

Ein wesentlicher Hebel gegen ungleiche Bezahlung kommt in Österreich kaum zum Einsatz. Für Lohndiskriminierung braucht es Intransparenz. Ein Blick nach Island zeigt, wie es anders geht. Um die Lohnlücke gänzlich zu schließen, führte Island 2018 das verpflichtende “Equal Pay Zertifikat” ein. Zahlt ein Betrieb gleiche Leistung von Männern und Frauen nicht gleichwertig, werden tägliche Strafzahlungen fällig. Eine gute Blaupause für die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz. Österreich muss diese bis 2026 umsetzen. Höchste Zeit, dass wir hier richtig Meter machen. Mit dem aktuellen Tempo braucht es sonst noch 300 Jahre, bis gleichwertige Leistung von Männern und Frauen gleich gut gezahlt wird.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Tageszeitung 'Die Presse'.

Was wir wirklich brauchen, um Armut abzuschaffen

Frau, die ein Kind an der Hand hält als Symbolbild für fehlende Kinderbetreuung, die Frauen in Teilzeitarbeit zwingt und zu Armutsgefährdung und Armut beiträgt

Am Ende des Monats kein Geld mehr für ein warmes Essen? Die Waschmaschine ist kaputt, aber sie zu ersetzen nicht leistbar? Schon wieder mit der Miete in Verzug? Selbst schuld, denn – so die Erzählung des Bundeskanzlers Nehammer – wer zu wenig Geld hat, soll doch einfach mehr arbeiten. Am echten Leben spricht er damit gewaltig vorbei.

Zum einen schützt Arbeit nicht immer vor Armut. Die Zahl der armutsgefährdeten Erwerbstätigen ist zuletzt wieder gestiegen. Eine:r von zehn Erwerbstätigen ist trotz Sozialleistungen noch armutsgefährdet. Zum anderen können viele Menschen nicht mehr arbeiten. Vor allem Frauen arbeiten Teilzeit. Nicht, weil sie sich dafür entscheiden und mit ihrem Halbtags-Einkommen gut auskommen, sondern weil es schlicht nicht anders geht. Gerade in Frauenbranchen wie Gesundheit oder Handel wird Vollzeitbeschäftigung oft erst gar nicht erst angeboten. Aber es sind vor allem Betreuungspflichten, die Frauen in Teilzeitjobs drängen. Lange Öffnungszeiten und wenig Schließtage in der Kinderbetreuungsstätte sind in Österreich nämlich rar: Nur vier von zehn Kindergartenplätzen sind mit einem Vollzeitjob vereinbar. In ländlichen Regionen sieht es oft noch schlechter aus. Viele Frauen reduzieren also ihre Erwerbsarbeitszeit, weil sie müssen – und sie müssen dafür geringere Einkommen in Kauf nehmen.

Soziale Lage verschärft sich, vor allem ganz unten

Gerade am unteren Ende der Einkommensverteilung verschärft sich die soziale Lage. Immer mehr Menschen in Österreich fällt es schwer, alltägliche Ausgaben zu decken. Seit Beginn der Teuerungskrise Ende 2021 ist der Anteil der Menschen, für die ein erheblicher Teil an lebensnotwendigen Dinge unleistbar geworden ist, um 80 Prozent gestiegen. Das zeigen neue Daten der Statistik Austria, für die 13 Armutsmerkmale abgefragt wurden. Über eine Millionen Menschen in Österreich erfüllen mehr als fünf dieser Merkmale. Sie gelten als „sozial oder materiell depriviert“. So können sich mehr als eine halbe Million Menschen kein tägliches Hauptgericht leisten. 566.000 Menschen sind mit Miete, Betriebskosten oder Kreditzahlungen im Verzug. Auch abgetragene Kleidung und abgenutzte Möbel zu ersetzen ist für knapp 1,3 Millionen Menschen nicht mehr leistbar. Dass die Teuerung aber auch schon in der Mitte der Einkommensverteilung angekommen ist, zeigen die Zahlen ebenfalls: Unerwartete Ausgaben tätigen oder einmal pro Jahr auf Urlaub fahren, diese Dinge können sich knapp zwei Millionen Menschen nicht mehr leisten – das ist jede:r Fünfte.

Politische Lösungen liegen am Tisch

Armutsbekämpfung muss daher dringend auf die politische Agenda. Aber nicht erst seit der Teuerungskrise ist das Leben für viele unleistbar geworden. Die Armutsgefährdung steigt schon seit der Pandemie wieder an. Besonders betroffen sind Familien mit Kindern und Alleinerziehende. Das Regierungsversprechens „die Armut in Österreich zu halbieren“ rückt immer weiter in die Ferne. Ebenso wenig wird das Problem Kinderarmut ernsthaft angegangen: Dass in einem reichen Land wie Österreich immer noch jedes fünfte Kind in Armut aufwächst, ist ein politisches Versagen.

Um Erwachsene und Kinder gegen Armut abzusichern, braucht es armutsfeste Sozialleistungen. Zwar wachsen diese seit Beginn 2023 mit der Teuerung mit. Ihr Kaufkraftverlust der in den letzten Jahren wurde jedoch nicht aufgeholt. Immer noch liegen die Sozialleistungen großteils unter der Armutsgefährdungsschwelle. Eine Kindergrundsicherung kann außerdem dazu beitragen, dass Armut weniger häufig vererbt wird. Kostenloses und tatsächlich flächendeckendes Kinderbetreuungsangebot hat das Potenzial, soziale Ungleichheiten bereits im frühen Kindesalter zumindest teilweise auszugleichen.

Um einen armutsfesten Sozialstaat zu finanzieren, braucht es allerdingt mehr: Ein Blick auf die Steuerstruktur hierzulande verrät, dass Arbeit viel zu hoch, aber Vermögen und Unternehmensgewinne kaum besteuert werden. Erbschaften werden steuerfrei an die nächste Generation weitergegeben. Mit Steuergeschenken wie der Senkung der Körperschaftssteuer oder Übergewinnen, die nicht abgeschöpft werden, verspielt die Bundesregierung kostbaren Budgetspielraum. Genau der wäre aber enorm wichtig, um Armut in Österreich endlich abzuschaffen.

 

Dieser Text erschien zunächst in der Momentum-Kolumne "Ausgerechnet" bei ZackZack.

Armut: Der Kanzler und das Leistungsmärchen

Geldbörse als Symbolbild für Armutsgefährdung

Wer zu wenig Geld hat, soll einfach mehr arbeiten, spricht Kanzler Nehammer gewaltig am echten Leben vorbei. Es sind vor allem Frauen, die Teilzeit arbeiten. Fragt man sie warum, antworten über 400.000 Frauen: Es geht nicht anders. Nur 4 von 10 Kindergartenplätzen sind in Österreich mit einem Vollzeitjob vereinbar. Frauen reduzieren ihre Erwerbsarbeitszeit, um Kinder zu betreuen und Alte zu pflegen. Wer freiwillig in Teilzeit arbeitet, muss sich das auch leisten können. Das sind vor allem Menschen mit den höchsten Stundeneinkommen. Ihre Teilzeitquote ist im letzten Jahrzehnt am stärksten gestiegen. Ganz anders am anderen Ende der Einkommensverteilung: Hunderttausende Menschen im Land sind armutsgefährdet, obwohl sie Vollzeit arbeiten. Weil ihre Löhne nicht zum Leben reichen. Weil manche Branchen schlicht nicht genug bezahlen. Und auch das sind vor allem: Frauenbranchen. Im Supermarkt sind 7 von 10 Angestellte Frauen, im Gesundheitsbereich 8 von 10, ähnlich in Reinigung oder Altenpflege. Es sind die Systemerhalterinnen, die in Krisenzeiten das Land am Laufen halten, übermenschlich viel leisten müssen und unterirdisch schlecht bezahlt werden. Wer da mit dem alten Märchen „Leistung muss sich lohnen“ die Verantwortung auf die einzelne Frau abschiebt, ist zynisch. Stattdessen sollte sich der Bundeskanzler um politische Lösungen kümmern. Die liegen längst am Tisch: Eine flächendeckende, kostenlose Kinderbetreuung, damit auch Frauen einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen können. Eine verpflichtende Väterkarenz, um unbezahlte Betreuungspflichten fairer zwischen aufzuteilen. Damit Armut nicht länger vererbt wird, hilft eine Kindergrundsicherung. Wer dennoch durchrutscht, den muss das soziale Netz auffangen, und zwar mit Sozialleistungen über der Armutsschwelle. Damit niemand mehr mit voller Wucht ganz unten aufschlägt. 

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Kleinen Zeitung.

Equal Pension Day 2023: Mit Anlauf in die Altersarmut

Equal Pension Day 2023 - man sieht eine ältere Frau von hinten. Sie trägt eine Brille und hat graues Haar.

Frau Huber ist nicht mehr die Jüngste. Ihr gegenüber sitzt ihr AMS-Berater. „Na gut“, seufzt er. „Die Lehre gemacht, drei Kinder bekommen, die Eltern gepflegt und jetzt den Mann.“ Er schaut sie fragend an. „Mit einem Wort, Sie haben in Ihrem Leben noch nie etwas gearbeitet?“

Die Karikatur ist mir vor Jahren untergekommen, aber sie hat nichts an Schärfe eingebüßt. Frauenleben haben sich kaum verändert: Frauen arbeiten bis zur Familiengründung voll. Aber dann übernehmen sie die Familienarbeit. Acht von zehn Frauen sind bis zum zweiten Geburtstag des Kindes nicht erwerbstätig. Noch zehn Jahre später verdienen sie im Teilzeitjob nur halb so viel wie vor der Geburt. Knapp 70 Prozent der Mütter bleiben in Teilzeit, bis die Kinder 14 Jahre sind. Und sie übernehmen den überwiegenden Teil der unbezahlten Sorgearbeit. Ganz automatisch.

Das beweist ein Blick auf die Arbeitsmarktdaten: Der Anteil der Frauen am Arbeitsmarkt wächst, aber der gesamte Anstieg seit den 1990er-Jahren entfällt auf Teilzeitjobs. Teilzeit, ein trügerisches Wort. Für Frauen heißt Teilzeit, dass sie nach ihrer bezahlten Erwerbsarbeit in die zweite – unbezahlte – Schicht wechseln. Jeden Tag. Sie arbeiten mehr Stunden als Männer, sie bekommen nur weniger Stunden bezahlt.

Wenn die Kinder endlich nicht mehr umsorgt werden müssen, kommen die Angehörigen. Acht von zehn Pflegegeldbezieher:innen werden zu Hause gepflegt. Von Frauen, die ihnen nahestehen. Pflege ist in Österreich eine private Angelegenheit. Die Frauen müssen einspringen, wo wir als Gesellschaft auslassen.

Und so springen sie kopfüber in die Armut, wenn die Ehe nicht hält. Das Pensionssystem ist für Männer gebaut: Wer eine ausreichende Pension haben will, muss sein Leben lang Vollzeit und gut bezahlt gearbeitet haben. Davon können die meisten Frauen nur träumen: Frauentypische Berufe sind überdurchschnittlich anstrengend und unterdurchschnittlich bezahlt.

Und zwar einfach nur deshalb, weil es eben „Frauenberufe“ sind: Ihrer Arbeit wird schlicht weniger Wert zugemessen. Der Journalist Robert Pausch formulierte treffend, dass paradoxerweise in der Unverzichtbarkeit der grundlegenden Arbeiten der Schlüssel für die fehlende Anerkennung liegt: „Die Arbeit, die Frauen leisten, ist so grundlegend, dass man sie nicht wahrnimmt. Die Böden wischen im Krankenhaus, Äpfelchen schneiden für Kindergartenkinder, den Alten die Füße waschen – was soll daran besonders sein? Es erscheint als selbstverständlich, dass diese Dinge erledigt sind. Zumal viele der Tätigkeiten denen ähneln, die Frauen zu Hause auch unbezahlt und scheinbar nebenbei erledigen: putzen, kochen, waschen, spülen, kümmern, sorgen, pflegen.“

Ganz selbstverständlich und nebenbei arbeiten sich Frauen kaputt: Neun von zehn Beschäftigen in der Altenpflege sind Frauen. Zwei von drei glauben nicht, dass sie diesen Job bis zum regulären Pensionsantritt durchhalten werden. Auch putzen gehen weit mehr Frauen als Männer, aber nur eine von vier Frauen wechselt direkt aus der Reinigungsbranche in die Pension. Die anderen drei aus der Arbeitslosigkeit.

Und mit der Pension beginnt das große Rechnen mit dem kleinen Geld: Frauen bekommen knapp 40 Prozent weniger Pension als Männer. Zum Vergleich: Auf ein Jahr umgerechnet ist das, als würde man den Frauen in Österreich ab dem 4. August einfach keine Pension mehr auszahlen. Jede fünfte Frau über 60 lebt unterhalb der Armutsgrenze, Tendenz dank Teuerungskrise steigend.

Und das alles, obwohl die Rezepte, um Altersarmut zu bekämpfen, alle auf dem Tisch liegen. Ein Karenzmodell, das die Karenzzeiten zwischen Mama und Papa verpflichtend fair verteilt, würde helfen. Väterkarenz wirkt sich positiv auf den beruflichen Wiedereinstieg der Mütter aus. Je länger auch die Väter zu Hause bleiben, desto besser sind die Wiedereinstiegschancen der Mütter. Gegen die Pensionslücke hilft auch, die Zeiten für Kinderbetreuung und Pflegeteilzeit bei der Berechnung der Pensionen ordentlich aufzuwerten. Denn wo es keine ganztägigen Kindergärten gibt, können Frauen nicht Vollzeit arbeiten. Österreich verpasst seit über 20 Jahren das EU-Ziel zur Betreuung von Kleinkindern. Jeder vierte Kinderkrippen- und -gartenplatz außerhalb Wiens ist mit Vollzeit nicht vereinbar. Wien bietet die meisten Vollzeitplätze an, mit Öffnungszeiten von über zehn Stunden täglich, kostenfrei. Das ist noch immer nicht genug, aber deutlich mehr als andere Bundesländer. Natürlich hat Wien damit auch den geringsten Gender-Pay-Gap und die kleinste Pensionslücke zwischen Männern und Frauen: 26,4 Prozent. In Vorarlberg, dem Land mit der größten Ungleichheit, ist die Lücke doppelt so groß. Hier bekommen Frauen fast um die Hälfte weniger Pension als Männer.

Helfen würde auch, wenn wir Frauen nicht weiter mit der Pflege von älteren Angehörigen allein lassen würden. Zum Beispiel mit einer massiven Personaloffensive und dem Ausbau der Pflegeinfrastruktur.

Und höchste Zeit wäre es, nicht erst seit Corona, wenn wir die Berufe und Branchen, die den Laden wirklich am Laufen halten, von den Supermarktkassierinnen bis zu den Kindergärtnerinnen, endlich besser entlohnen würden: Ein kollektivvertraglicher Mindestlohn von zumindest 1800 Euro netto würde Frauen schon ein Stück vor dem Köpfler in die Altersarmut schützen. Es ist schließlich kein Naturgesetz, dass Automechaniker besser bezahlt werden als Altenpflegerinnen.

Dieser Text erschien zunächst als Kolumne im Profil.

Weltfrauentag 2023: Die Benachteiligungen der "anderen" Bevölkerungshälfte

Frauen Shilouetten

Kurz nach dem österreichischen Equal Pay Day am 16. Februar folgt der internationale Weltfrauenkampftag am 8. März. An diesem Tag soll an die nach wie vor herrschende Diskriminierung, Ungleichstellung, -berechtigung und -bezahlung von Frauen erinnert werden. Multiple Krisen wie die Corona-Pandemie sowie die Energie- und Teuerungskrise stellen unsere Gesellschaft und die Politik auf die Probe.

Etwas Positives haben Krisen aber an sich: Oft bieten sie Spielraum, Dinge zu verändern und an bestehenden ungleichen oder ungerechten Machtverhältnissen zu rütteln. Spielraum, um die ungleichen Geschlechterverhältnisse, die hierzulande herrschen, aufzubrechen und in punkto Gleichstellung endlich etwas voranzutreiben hätte es reichlich gegeben. Zu mehr Geschlechtergerechtigkeit haben die Krisen aber leider nicht beigetragen – im Gegenteil:

Traditionelle Rollenbilder wurden etwa von den Lockdowns der Corona-Krise verschärft und die Anti-Teuerungsmaßnahmen der Regierung, die allen Menschen gleichermaßen helfen sollten mit der hohen Inflation zu leben, wurden nicht ausreichend auf die unterschiedlichen Auswirkungen auf Frauen und Männer durchdacht. Frauen erleben in Österreich nach wie vor zahlreiche Benachteiligungen – sei es im Erwerbsleben, im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung, bei den Pensionen oder auch bei der Repräsentation in politischen Prozessen oder Unternehmensstrukturen.

/ Frauen & Erwerbsleben

/ Die Teilzeit-Falle

Von allen erwerbstätigen Personen in Österreich sind 47 Prozent weiblich und 53 Prozent männlich. Die Verteilung der Erwerbsbeteiligung zwischen den Geschlechtern ist also relativ gleich. Trotzdem erhalten Frauen nicht einmal 4 von 10 Lohnkuchen-Stücken: Die Anteile der Bruttobezüge von Arbeitnehmer:innen an der Gesamtlohnsumme sind nämlich nicht gleichmäßig zwischen den Geschlechtern verteilt. 63 Prozent der Bruttobezüge werden an Männer ausgezahlt, während Frauen nur 37 Prozent beziehen. Von 2020 auf 2021 hat sich an dieser Verteilung rein gar nichts geändert. Nur bei der Teilzeitquote gab es eine Veränderung gegenüber dem Jahr 2020 – sie ist weiter angestiegen: Die weibliche Teilzeitquote kratzt im Jahr 2021 an der 50 Prozent-Marke; das bedeutet, fast die Hälfte der erwerbstätigen Frauen in Österreich arbeitet in Teilzeit (genau: 49,6 Prozent), während es bei Männern lediglich 11,6 Prozent sind, die teilzeitbeschäftigt sind.

Mit so einer hohen weiblichen Teilzeitquote landet Österreich im EU-Vergleich mittlerweile auf Platz 2. Im Jahr 2020 lag die weibliche Teilzeitquote noch bei 47 Prozent, jene der Männer bei etwa 10 Prozent - damit belegte Österreich im EU-Vergleich Platz 3. Im Jahr 2021 hat Österreich Deutschland überholt und ist damit das EU-Land mit der zweithöchsten weiblichen Teilzeitquote – beinahe 50 Prozent. Nur die Niederlande, wo 65 Prozent der Frauen Teilzeit beschäftigt sind, haben eine noch höhere Teilzeitquote. Dort ist die weibliche Teilzeitquote im gleichen Zeitraum allerdings deutlich gesunken – im Jahr 2020 waren es noch 76 Prozent.

/ Frauen & Carearbeit

Fragt man Menschen, warum sie Teilzeit arbeiten, kann das verschiedene Gründe haben: Betreuung von Kindern und Pflegebedürftigen oder andere persönliche bzw. familiäre Gründe, die Inanspruchnahme einer Aus- oder Weiterbildung, eine Person findet keine Vollzeitbeschäftigung oder sie möchte keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen. Der häufigste Grund, warum Personen im Jahr 2021 Teilzeit arbeiten, ist jener der Betreuungspflichten. 32 Prozent der Teilzeitbeschäftigten arbeiten nicht in Vollzeit, weil sie Kinder betreuen oder Angehörige pflegen; weitere 7 Prozent arbeiten in Teilzeit aus anderen persönlichen oder familiären Gründen. Die Geschlechterunterschiede bei der Frage nach Teilzeitarbeit aufgrund von Kinderbetreuungspflichten sind eklatant: Während knapp 40 Prozent der weiblichen Teilzeitbeschäftigten angeben, dass sie aufgrund von Kinderbetreuung und Pflegepflichten keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen, sind es bei den teilzeitbeschäftigten Männern nur knapp 7 Prozent (Statistik Austria 2021).

Einer der Hauptgründe für weibliche Teilzeitarbeit ist also Kinderbetreuung, was darauf schließen lässt, dass das Kinderbetreuungsangebot in Österreich nicht so ausgestaltet ist, dass Vollzeitbeschäftigung für alle Frauen möglich ist. Um einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen zu können, brauchen Eltern in etwa 10 Stunden täglich (inklusive Wegzeiten), in denen das Kind betreut wird. In ganz Österreich haben nur 38 Prozent der Kindertagesheime – in etwa 4 von 10 Einrichtungen – länger als 10 Stunden geöffnet. Das schließt eine Vollzeitbeschäftigung für viele gänzlich aus. Außerhalb von Wien, wo 71 Prozent der Kindergärten länger als 10 Stunden täglich geöffnet sind, haben nur 24 Prozent der Kinderbetreuungseinrichtungen länger als 10 Stunden geöffnet. In Oberösterreich sind es sogar nur 14 Prozent.

Hinzu kommt, dass der Anteil der sogenannten „VIF-konformen“ Einrichtungen für Kinderbetreuung – also jene Einrichtungen, die eine Vollzeitbeschäftigung ermöglichen – im Zeitverlauf sogar gesunken ist. Der Anteil der 0-2-Jährigen, der in VIF-konformen Kinderbetreuungseinrichtungen betreut wird, ist seit 2014 in zwei Drittel der Bundesländer gesunken. 2014 waren in ganz Österreich 62 Prozent der 0-2-Jährigen VIF-konform betreut, 2021 waren es nur mehr knapp 60 Prozent Am stärksten war der Rückgang überraschenderweise in Wien (ein vergleichsweise gut aufgestelltes Bundesland in Sachen Kinderbetreuung) mit 8,2 Prozentpunkten, gefolgt von der Steiermark und Oberösterreich. Im Burgenland – dort wo in den letzten Jahren sehr viel Geld in den Ausbau der Kinderbetreuung investiert wurde sind nun 44 Prozent der 0-2-Jährigen VIF-konform betreut, während es 2014 noch etwa 23 Prozent waren. Auch Niederösterreich, Tirol, Kärnten und Vorarlberg konnten ihre Betreuungsquoten verbessern.

/ Frauen & unbezahlte Arbeit während der Pandemie

Trotz stetiger Verbesserung beim Kinderbetreuungsausbau fällt der Löwenanteil der unbezahlten Betreuungsarbeit, aber auch Hausarbeit immer noch auf Frauen zurück. Die Corona-Pandemie hat das eindrücklich gezeigt.

Der Großteil der Betreuungspflichten während der Schul- und Kindergartenschließungen durch die Lockdowns wurde von Frauen und vor allem von Müttern übernommen. Das zeigt eine Auswertung des Austrian Corona Panel Projekts, das verschiedene Wellen der Corona-Pandemie umfasst. Während Väter im Schnitt täglich 3 Stunden mit Kinderbetreuung verbrachten, waren es bei Müttern 7 Stunden täglich. Sie waren auch mit knapp 3 Stunden im Schnitt doppelt so lang mit unbezahlter Hausarbeit beschäftigt im Vergleich zu Vätern. Beim Durchschnitt der täglich aufgewendeten Zeit für Erwerbsarbeit verhält es sich genau umgekehrt: Väter gingen knapp 7 Stunden täglich ihrer Erwerbsarbeit nach, bei Müttern waren es nur 3 Stunden im Schnitt. Während Väter also der Erwerbsarbeit nachgingen, wendeten Mütter die gleiche Zeit für Kinderbetreuung auf.

Zwar reduzierten sowohl Frauen als auch Männer ihre Erwerbsarbeitszeit als die Corona-Pandemie ausbrach und der erste Lockdown kam, aber Mütter reduzierten ihre Erwerbsarbeitszeit stärker als Väter. Bei Männern zeigt die Auswertung der Daten, dass es keinen eindeutigen Unterschied zwischen Männern mit und Männern ohne Kind zu geben scheint – die Kurven der wöchentlichen Arbeitsstunden verlaufen sehr ähnlich – unabhängig vom Elternschaftstatus. Bei Frauen sieht es anders aus. Frauen mit Kind hatten nicht nur ein niedrigeres Ausgangslevel an wöchentlich geleisteten Arbeitsstunden im Vergleich zu Frauen ohne Kind – sie reduzierten ihre Arbeitszeiten auch stärker.

Wäre all die unbezahlte Arbeit, die während der Corona-Pandemie geleistet wurde in der Gesamtwertschöpfung erfasst, würde das ungefähr 42 Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung entsprechen. In absoluten Zahlen wurde während den ersten beiden Jahren der Corona-Pandemie unbezahlte Arbeit im Wert von 168 Milliarden Euro in Österreich verrichtet.

Anteilsmäßig leisteten Frauen mit 60 Prozent den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit. 112 Milliarden Euro, die Frauen aber nicht bezahlt wurden – das würde rund 28 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung (etwa 401 Milliarden Euro im Jahr 2021) entsprechen. Die unbezahlte Care-Arbeit der Männer beläuft sich auf 57 Milliarden Euro, was ungefähr 14 Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht.

Auch außerhalb von Pandemiezeiten ist unbezahlte Arbeit übrigens in ganz Europa Frauensache. In keinem einzigen Land ist die Verteilung der unbezahlten Arbeit gleich. Das zeigen Eurostat Daten von der Harmonised European Time Use Survey aus dem Jahr 2010. In Österreich verrichten Frauen im Schnitt 4:15 an unbezahlter Arbeit, bei Männern sind es nur 2:12. Österreich landet auf Platz 6 der Länder, in denen unbezahlte Arbeit zwischen Männern und Frauen sehr ungleich verteilt ist (in Zeitdifferenzen) – zu Lasten der Frauen.

Mit knapp 5 Stunden täglich wenden allerdings italienische Frauen am meisten Stunden für unbezahlte Haus- und Sorgearbeit auf. Gemeinsam mit Griechenland und der Türkei befindet sich Italien unter den Top-3 Ländern, in denen auch der Unterschied zwischen unbezahlter Arbeit, die von Frauen übernommen wird, verglichen zu den Stunden der Männer am eklatantesten ist. Türkische Frauen arbeiten 3 Stunden 40 Minuten täglich mehr unbezahlt als Männer, in Italien sind es 3 Stunden Unterschied und in Griechenland etwa 2 Stunden 40 Minuten.

Skandinavische Länder wie Norwegen oder Finnland hingegen – die auch oft als Vorzeigeländer angeführt werden, wenn es um Gleichstellung der Geschlechter geht – sind auch wenig überraschend ganz vorne mit dabei unter jenen mit den geringsten Geschlechterunterschieden in punkto unbezahlter Arbeit. Die Top-3 Länder, in denen der Unterschied von unbezahlten täglichen Arbeitsstunden zwischen Frauen und Männern am geringsten ist, sind Norwegen, die Niederlande und Finnland. In allen drei Ländern arbeiten Frauen nur in etwa eine Stunde pro Tag mehr unbezahlt als Männer.

Um an der ungleichen Verteilung unbezahlter Arbeit in Österreich etwas zu verändern, braucht es neue Daten. Die letzte Zeitverwendungserhebung fand in Österreich im Jahr 2008/09 statt – vor fast 15 Jahren. Neue Ergebnisse der aktuellen Zeitverwendungserhebung 2023 werden Aufschluss darüber liefern, ob sich in diesen letzten 15 Jahren tatsächlich etwas an der Ungleichverteilung unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern verändert hat oder ob – wie so oft – Stillstand herrscht. Um die Entwicklung in Zukunft auch wissenschaftlich beobachten zu können, sollten Zeitverwendungserhebungen jedenfalls regelmäßiger durchgeführt werden.

/ Frauen & Politik

Damit sich etwas ändert braucht es treffsichere Maßnahmen seitens der Politik. Diese ist allerdings sowohl auf kleineren als auch auf größeren Ebenen männlich dominiert, Frauen bleiben unterrepräsentiert. Beispielsweise gibt es in Österreich nur 10,4 Prozent weiblich besetzte Bürgermeister:innen-Posten. Niederösterreich ist mit 14 Prozent Bürgermeisterinnen der Spitzenreiter, Vorarlberg ist das Bundesland-Schlusslicht mit nur 6 Prozent Frauenanteil unter Bürgermeister:innen und Wien hatte überhaupt noch nie eine Bürgermeisterin.

Je kleiner außerdem die politische Einheit, desto niedriger wird der Frauenanteil. Im Vergleich mit dem EU27-Schnitt ist Österreich vor allem auf kleineren, regionaleren Ebenen schlechter aufgestellt. Während Österreich im EU-Parlament und im nationalen Parlament Frauenanteile von rund 42 Prozent erreicht, was sogar über dem EU27-Schnitt von 29 Prozent liegt, dünnt sich der Frauenanteil auf Gemeindeebene und in Bürgermeister:innen-Ämtern aus. Während in österreichischen Gemeinden nur noch 26 Prozent der Vertreter:innen weiblich sind, sind es bei den Bürgermeister:innen nur noch etwa 10 Prozent. Im Vergleich zum EU27-Schnitt – 35 Prozent Frauen in Gemeinden und 18 Prozent weibliche Bürgermeisterinnen - hinkt Österreich mit den diesen Frauenanteilen in der Kommunalpolitik deutlich hinterher.

Im Zeitverlauf betrachtet hat sich in den letzten zehn Jahren wenig am Frauenanteil in der Politik verbessert – egal auf welcher Ebene. Der Frauenanteil in europäischem und österreichischem Parlament hat noch nie die 50 Prozent-Marke überschritten.

Auch in der Unternehmenswelt – besonders in Führungspositionen - sind Frauen sehr schlecht vertreten. Zwar liegt der weibliche CEO-Anteil in Österreichs größten börsennotierten Unternehmen bei 15 Prozent (EU27-Schnitt: 8,4 Prozent), doch sind in Österreich nur 9,5 Prozent Frauen in Führungspositionen tätig, während es im EU27-Schnitt mit 21 Prozent mehr als doppelt so viele sind. Österreich landet damit an vorletzter Stelle im EU-Vergleich und ist wieder einmal Schlusslicht.

Von Gleichstellung, Gleichbezahlung oder Gleichberechtigung von Frauen gegenüber Männern kann also in den meisten Bereichen noch nicht gesprochen werden – im Gegenteil: Österreich hinkt in vielen Hinsichten hinten nach, etwa beim Kinderbetreuungsangebot, bei gleicher Bezahlung für gleiche Arbeit und aber auch bei der weiblichen Repräsentation auf politischen Ebenen.

/ Fazit

Die multiplen Krisen wären Chancen gewesen, um bestehende Ungerechtigkeiten zwischen Frauen und Männern auszubügeln – Chancen, die leider ungenutzt verstrichen sind, da Ungerechtigkeit und Ungleichheit für Frauen gegenüber Männern in Österreich leider nach wie vor die Überhand haben.

Das Momentum Institut empfiehlt daher:

  • Eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, um unbezahlte Arbeit besser mit der Erwerbsarbeit vereinen zu können
  • Regelmäßige Zeitverwendungserhebungen mit wissenschaftlicher Begleitung der Ergebnisse
  • Verpflichtende Väterkarenz
  • Volle Lohntransparenz, damit gleiche Arbeit gleich bezahlt wird
  • Kostenlose, flächendeckende Kinderbetreuung mit Öffnungszeiten, die mit einer Vollzeitbeschäftigung vereinbar sind
  • Zweites verpflichtendes Kindergartenjahr
  • Höhere Bewertung von Kinderbetreuungs- und Pflegezeiten bei der Pension
  • Erhöhung der Ausgleichszulage, unabhängig vom Partner:inneneinkommen

Bis zu 60 Prozent Einkommenslücke für Frauen mit Migrationsgeschichte

Symbolbild Equal Pay Day

Anlässlich des internationalen Weltfrauentags analysiert das ökosoziale Momentum Institut die Einkommens- und Vermögenssituation von Frauen mit Migrationsgeschichte in Österreich. Die aktuelle Auswertung zeigt, dass sie am geringsten bezahlt werden und kaum über Vermögen verfügen.

Analysiert wurden alle rund zwei Millionen unselbstständig erwerbstätigen Frauen. Jede Vierte von ihnen ist nicht in Österreich geboren und hat Migrationshintergrund. Frauen ohne Migrationshintergrund erhalten um 35 Prozent weniger Lohn als erwerbstätige Männer ohne Migrationsgeschichte. Diese Frauen erhalten im Durchschnitt rund 13.400 Euro weniger Lohn jährlich als Männer.

Die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen mit Migrationshintergrund beträgt sogar 41 Prozent. Die Lohnlücke von Frauen mit Migrationsgeschichte ist am größten im Vergleich mit Männern ohne Migrationsgeschichte. Hier liegt sie sogar bei 60 Prozent. Allein diese Lohnlücke, die bei rund 22.700 Euro liegt, ist mehr, als Migrantinnen überhaupt verdienen. Ihr mittleres Einkommen beträgt nur rund 15.400 Euro. Aber auch im Vergleich zwischen Frauen mit und ohne Migrationshintergrund haben Migrantinnen das Nachsehen. Sie haben rund 9.300 Euro im Jahr weniger an Einkommen.

Teilzeitarbeit als Treiber für Einkommenslücke

Frauen arbeiten viel häufiger in Teilzeitanstellungen als Männer. Der überwiegende Teil macht das aber nicht freiwillig. Hauptgrund für Teilzeitarbeit für 4 von 5 Frauen ist die unbezahlte Sorgearbeit für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige. Um die unbezahlte Arbeit zu stemmen, reduzieren sie ihre Erwerbsarbeit deutlich. Jede zweite erwerbstätige Frau in Österreich arbeitet Teilzeit. Von zehn Teilzeitkräften im Land sind acht Frauen. Bei Frauen ohne Migrationshintergrund arbeitet mit 49,2 Prozent knapp die Hälfte in Teilzeit. Bei Frauen mit Migrationshintergrund sind es mit rund 46 Prozent sogar etwas weniger. Das müsste der Einkommenslücke tendenziell entgegenwirken. Hätten Frauen mit Migrationshintergrund die gleiche Teilzeitquote wie Frauen ohne, wäre die Einkommenslücke vermutlich sogar noch größer.

Niedriglohnbranchen: Migrantinnen überrepräsentiert

Bei der Zusammensetzung der Erwerbstätigen nach Geschlecht und Migrationshintergrund zeigt sich ein sehr ungleiches Bild: Frauen mit Migrationshintergrund sind in Niedriglohnbranchen wie Gastronomie und Beherbergung (31 Prozent), Leiharbeit (24 Prozent), Erziehung (20 Prozent), Gesundheit (18 Prozent) oder Landwirtschaft (18 Prozent) überrepräsentiert, was zum migrationsspezifischen Gender-Pay-Gap beiträgt.

Frauen mit Migrationshintergrund haben im Mittel auch deutlich weniger Vermögen als der Rest der Bevölkerung. Im Vergleich mit Männern ohne Migrationshintergrund besitzen sie nur ein Viertel des Vermögens. Während sich ihr mittleres Nettovermögen auf 12.200 Euro beläuft, haben Männer ohne Migrationshintergrund 48.200 Euro, eine Differenz von 36.000 Euro. Selbst im Vergleich innerhalb der Frauen, besitzen Frauen mit Migrationsgeschichte rund 24.000 Euro weniger als Frauen, die in Österreich geboren sind. Personen mit Migrationsgeschichte erben deutlich seltener. Aber auch die bisherige Aufenthaltsdauer, also wie lange sich eine Person schon in Österreich befindet und hier Vermögen aufbauen konnte, spielt für die Vermögenslücke eine Rolle.

Handlungsempfehlungen

Um die eklatanten Lücken bei Einkommen und Vermögen von Migrantinnen zu schließen, empfiehlt das Momentum Institut eine Reihe von Ansatzpunkten:

  • Kinderbetreuung und Altenpflege sollte in Österreich sowohl qualitativ als auch quantitativ ausgebaut werden.
  • Eine verpflichtende Väterkarenz könnte dazu beitragen, dass Frauen wieder schneller in die Erwerbsarbeit zurückkehren.
  • Frankreich hat gezeigt, dass eine kürzere Normalarbeitszeit von 35 Stunden dazu führt, dass Frauen vermehrt in der ‘kurzen’ Vollzeit arbeiten.
  • Zusätzlich könnte die verpflichtende Transparenz bei Gehältern Diskriminierung vorbeugen und dabei helfen, dass Frauen für die gleiche Arbeit auch tatsächlich das gleiche Gehalt bezahlt bekommen.
  • Außerdem ist es empfehlenswert die Löhne in Niedriglohnbranchen anzuheben oder einen Mindestbruttolohn von 2.000 Euro einzuführen.
  • Um die Vermögensungleichheit zu schmälern kann eine Erbschaftssteuer helfen.