Bild mit Wecker als Symbolbild für die Debatte zur Arbeitszeit
/ 5. März 2023

Die Löhne erhöhen, die Arbeitszeit verkürzen, den Wohlstand halten? Kein Märchen, sondern Wirklichkeit in Österreich über viele Jahrzehnte. Durch den technologischen Fortschritt können wir in immer weniger Zeit, immer mehr produzieren. Der Fortschritt wurde bis 1985 an die Arbeitnehmer alle paar Jahre weiter gereicht: Wir mussten weniger Stunden in der Woche arbeiten und konnten mehr Urlaubtage genießen. Unsere Löhne stiegen ebenfalls.  

Wir stellen heute knapp doppelt so viel her wie noch in den 1980er Jahren, unsere Produktivität wächst ungebrochen. Aber verteilt wurden die Wohlstandsgewinne seither nicht mehr so gerecht. Die Arbeit wird immer dichter und intensiver. Jeder zweite Chef erwartet Erreichbarkeit auch in der Freizeit. Doch eine Verkürzung der Arbeitswoche gab es seit gut 40 Jahren nicht mehr. Die Mehrheit der Vollzeitkräfte würde gern kürzer arbeiten. Die notwendige Reserve für die überfällige Verkürzung haben sie sich längst erarbeitet. 

Tausende britische Angestellte haben an der weltweit größten Pilotstudie zur 4-Tage-Woche teilgenommen. Von 61 Unternehmen, die ihre Arbeitszeit auf 34 Stunden verkürzten, sagen 56 Betriebe: Wir behalten die kürzere Arbeitswoche. Lange Arbeitswege und sinnlose Besprechungen fielen weg, die Organisation der Betriebe wurde besser. Die Umsätze wurden gehalten. Die Beschäftigten sind gesünder und weniger gestresst, die Burn-out-Rate ist stark gesunken. Von gesunden Mitarbeitern hat auch der Chef was. Weniger Krankenstand, hohe Produktivität, die Loyalität der Mitarbeiter:innen wächst und offene Stellen werden spielend leicht besetzt. 

Für die Arbeitgeber ist der richtige Zeitpunkt für eine Arbeitszeitverkürzung niemals. Schon vor hundert Jahren, als wir von 66 auf 48 Stunden verkürzt haben, wurde der wirtschaftliche Untergang prophezeit. Passiert ist das Gegenteil: Die Produktivität stieg. Trotzdem musste jede Verkürzung den Arbeitgebern abgerungen werden. Die Chancen dafür stehen jetzt günstig: Die Babyboomer verlassen den Arbeitsmarkt in die Pension, Unternehmen tun sich nicht mehr so leicht, Stellen nachzubesetzen. Das Kräfteverhältnis verschiebt sich. An Arbeitskraft mangelt es uns derzeit noch nicht: Auf 370.000 Arbeitssuchende kommen 110.000 offene Stellen. Verteilen wir die Arbeitszeit doch auch auf diese Schultern. 

Eine kürzere Arbeitswoche hilft den Familien im Land. Arbeitsmarkt und Sozialsystem basieren auf dem Modell der 50er Jahre. Papa schafft Geld ran, Mama schupft Kinder und Haushalt. Heute verdient sie Teilzeit dazu. In der Pension rächt sich das bitter, den Preis zahlen die Frauen in Altersarmut. Für Frauen funktioniert unser System offensichtlich nicht, auch Männer wünschen sich Zeit für ihre Familien. Höchste Zeit unsere Arbeitszeit endlich zu reformieren. 

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Kleinen Zeitung.

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