Klimapolitik sitzt in Österreich traditionell am dünnsten Ast. Obwohl die Wissenschaft lautstark warnt, mangelt es offenbar an Bewusstsein für die nötige Dringlichkeit. Entsprechend gering waren auch die Fortschritte der letzten Jahre. Auffallend dabei ist, dass soziale Auswirkungen oft als vermeintliche Gründe für eine fehlende Klimapolitik vorgeschoben werden – auch jetzt wieder: Das neue Entlastungspaket der Bundesregierung gegen die Teuerung kommt mit Verschiebung der CO2-Steuer. Dabei sehen wir gerade jetzt die Zusammenhänge zwischen Klimakrise und sozialen Problemen. Denn die hohe Teuerung, die vor allem Haushalten mit niedrigen Einkommen zu schaffen macht, ist Resultat der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern.
Wer sich wirklich um soziale Probleme sorgt, sollte im Kampf gegen die Teuerung bei den Sozialleistungen ansetzen. Die beschlossenen Einmalzahlungen sind hier keine nachhaltige Lösung, sie entlasten nur kurzfristig. Mit einer deutlichen Anhebung von Mindestsicherung, Mindestpension und Arbeitslosengeld hätte man armutsgefährdeten Haushalten wesentlich mehr geholfen als mit der Verschiebung der CO2-Steuer. Jetzt sollten wir ihre Verschiebung zumindest dazu nützen, all jene klimapolitischen Lücken zu schließen, die man bei ihrem Beschluss offengelassen hat.
Angefangen bei der Höhe der CO2-Steuer: Damit sie tatsächlich Wirkung zeigt, also Menschen dazu bewegt, auf klimafreundliches Verhalten umzusteigen, müsste sie deutlich höher sein. Statt bei 30 Euro pro Tonne CO2 sollte sie bei mindestens 50 Euro starten. Und dann stärker als geplant ansteigen, sodass man bis 2030 bei zumindest 150 Euro pro Tonne landet. Den Klimabonus könnte man dafür auch weiterhin anheben und vor allem sozial staffeln, sodass Haushalte mit niedrigen Einkommen auch mehr bekommen.
Auch an anderen Stellen könnte man aus sozialer Sicht nachbessern, etwa die CO2-Steuer auf Heizstoffe progressiv ausgestalten. Ein Grundbedarf an Wärme würde so kaum besteuert werden. Wer allerdings seinen Pool heizt, müsste pro Kilowattstunde deutlich mehr zahlen. Haushalte mit einem niedrigen Einkommen würden dadurch automatisch weniger CO2-Steuer zahlen, denn sie verbrauchen weniger Energie. Um die Lenkungswirkung weiter zu erhöhen und die Steuer gleichzeitig sozial gerecht zu gestalten, sollte die CO2-Steuer beim Heizen außerdem zwischen Mieter:innen und Vermieter:innen aufgeteilt werden, und zwar je nach Energieeffizienz der Wohnung. Deutschland tut das bereits: Wer eine schlecht isolierte Wohnung mit ineffizienter Gastherme vermietet, trägt einen größeren Anteil der CO2-Steuer als jemand, der eine energieeffiziente Wohnung vermietet. Die Anreize zum Heizungstausch und zur Wohnungsdämmung steigen.
Um das Klima und das Geldbörsel zu entlasten, gilt es außerdem schnellstmöglich die Abhängigkeit von Autos reduzieren, insbesondere in ländlichen Gebieten. Autos sind auch ohne hohe Treibstoffpreise ein teures Vergnügen. Viele Menschen können sich das nicht leisten. Im Fünftel der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen besitzt rund die Hälfte kein Auto. Viele Menschen dürfen oder können außerdem gar nicht Autofahren: Kinder und Jugendliche, genauso wie ältere Menschen sind so ständig auf andere Menschen mit Autos angewiesen. Der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, der Rad- und Fußgängerwege – gerade auch in ländlichen Gebieten – wäre somit nicht nur fürs Klima gut, sondern würde tatsächlich eine sozial gerechte Handschrift tragen.
Der Text erschien am 23. Juni 2022 als Gastkommentar in der Tageszeitung „Die Presse“.